Flüchtlingsdrama von Lampedusa:Friedrich will härter gegen Schlepper vorgehen

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Nach dem Tod vieler Flüchtlinge vor Lampedusa diskutiert Europa über Maßnahmen, die ähnliche Katastrophen verhindern könnten. Innenminister Friedrich ruft zum Kampf gegen organisierte Schleuserbanden auf. In Italien drohen den Überlebenden des Unglücks hohe Geldstrafen.

Mehr als 130 Flüchtlinge sind beim jüngsten Schiffsunglück in der Nacht zum Donnerstag vor der italienischen Insel Lampedusa gestorben, bis zu 220 Menschen werden noch vermisst. Europäische Politiker suchen nun nach Möglichkeiten, wie sich ein solches Drama in Zukunft verhindern lässt. Der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich fordert schärfere Maßnahmen gegen Schlepper. "Fest steht, dass wir noch stärker die Netzwerke organisierter und ausbeuterischer Schleusungskriminalität bekämpfen müssen", sagte der CSU-Politiker der Welt am Sonntag laut Vorabbericht. Die Schleuser brächten die Menschen mit falschen Versprechungen in Lebensgefahr und führten sie oft in den Tod.

Friedrich forderte, dass Defizite in den Asylsystemen der EU-Mitgliedsstaaten frühzeitig erkannt und behoben werden müssten. Alles müsse getan werden, um die wirklich Schutzbedürftigen aufzunehmen. Zudem müsse die Lage der Menschen in den Herkunftsländern verbessert werden. "Die Menschen brauchen stabile politische Verhältnisse und wirtschaftliche Perspektiven in ihrer Heimat. Dabei muss und kann Europa helfen", sagte Friedrich.

Den Vorwurf, Europa schotte sich ab, wies er zurück. Allein Deutschland habe in diesem Jahr fast 80.000 Menschen Zuflucht gewährt, sagte der Innenminister. "Durch die gemeinsamen europäischen Grenzpolizei-Einsätze konnten in den vergangenen zwei Jahren fast 40.000 Menschen aus Seenot gerettet werden."

SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, das Flüchtlingselend auf Lampedusa zu mildern. "Was auf Lampedusa passiert, ist eine große Schande für die Europäische Union", sagte er der Bild am Sonntag einem Vorabbericht zufolge. "Wir müssen den riesigen Strom von dort ankommenden Flüchtlingen gerechter in Europa verteilen und die Zustände für die Flüchtlinge und für die Inselbewohner vor Ort verbessern."

In Italien entbrennt neue Debatte um Einwanderungspolitik

Besonders Italien steht wegen seiner Einwanderungspolitik immer wieder in der Kritik. Die neue Tragödie vor Lampedusa entfacht eine neue Debatte im Land. Staatspräsident Giorgio Napolitano verlangte neue Gesetze zum Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerbern. Andere Politiker machten sich für eine Überarbeitung des restriktiven Gesetzes zu illegaler Einwanderung aus dem Jahr 2002 stark. "Im Licht dieser Tragödie muss das Bossi-Fini-Gesetz noch einmal überprüft werden", sagte Senatspräsident Pietro Grasso.

Innenminister und Vize-Regierungschef Angelino Alfano schloss eine Änderung des umstrittenen Gesetzes jedoch aus. "Leider ist die Frage sehr viel komplizierter", sagte er. Italiens Regierungschef Enrico Letta forderte mehr Unterstützung aus der EU: "Italien muss es schaffen, in Europa Gehör und Verbündete zu finden." Europa müsse sein Interventions- und Aktionsniveau erhöhen, um zu verhindern, dass sich Tragödien wie die vor Lampedusa wiederholten.

Überlebenden droht Geldstrafe

Gegen die 155 Überlebenden des Unglücks vor Lampedusa soll nun wegen illegaler Einwanderung ermittelt werden. Sobald sie identifiziert seien, geschehe dies zwangsläufig, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft. Den Afrikanern droht eine Geldstrafe von bis zu 5000 Euro. Roms Bürgermeister Ignazio Marino kündigte dennoch an, die 155 Überlebenden der Katastrophe in Rom zu empfangen. "Das ist das erste Signal der Rebellion gegen die Resignation und Gleichgültigkeit", sagte er.

Zwei Tage nach dem Unglück gingen am Samstag am Unglücksort die Such- und Bergungsarbeiten weiter. Sie wurden zunächst von starkem Wind und schlechtem Wetter behindert, Taucher konnten nicht zu dem Schiffswrack vordringen. Es liegt in etwa 40 Metern Tiefe auf dem Meeresboden vor der Küste. 111 Leichen wurden bislang geborgen, darunter vier Kinder. Es wird vermutet, dass noch Hunderte weitere Menschen bei dem Schiffbruch ums Leben gekommen sind. Fischer legten am Morgen Blumen im Meer ab, um der getöteten Migranten zu gedenken. Das Flüchtlingsboot war am Donnerstag vor Lampedusa in Flammen aufgegangen und gekentert.

© Süddeutsche.de/dpa/Reuters/dgr/kjan - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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