Mitbestimmung bei Volkswagen:"Schrecklich naiv"

Mitbestimmung bei Volkswagen: Demokratie endet für uns nicht an Werkszäunen." Bernd Osterloh.

Demokratie endet für uns nicht an Werkszäunen." Bernd Osterloh.

(Foto: Hollemann/dpa)

Einen der größten Fehler der Firmengeschichte nennt ein Senator die Pläne von VW, im US-Werk die Mitbestimmung einzuführen. Arbeitnehmervertreter Bernd Osterloh ist nun der Mann, der sie trotzdem durchboxen soll.

Thomas Fromm

Es gibt bei VW Menschen, die sagen, dass es Bernd Osterloh eigentlich egal sein kann, wer unter ihm Konzernchef ist. Solange er selbst den Betriebsratschef gibt. Osterloh, 57, gehört als oberster Arbeitnehmervertreter bei VW zu den mächtigsten Männern im Unternehmen, und das weiß er auch. Bei den glamourösen Automessen-Feiern wird er vom Moderator eigens auf der Tribüne begrüßt. Das sagt viel aus, weil sonst nur Männer wie Vorstandschef Martin Winterkorn oder der Konzernpatriarch Ferdinand Piëch so begrüßt werden.

Piëch, Winterkorn, Osterloh. So sieht es aus, das Wolfsburger Machtdreieck.

Der 1,90 Meter große Mann - Glatze, breite Schultern, schlagfertig - ist im Laufe der Jahre eine Art Co-Manager in dem Auto-Konzern geworden. Dass das VW-Werk im amerikanischen Chattanooga als einziges der 102 VW-Werke noch keine Arbeitnehmervertretung hat, wurmt den Gewerkschafter. Und noch mehr wurmt ihn, was ein republikanischer Politiker zu den VW-Plänen, hier im Süden der USA die Mitbestimmung nach deutschem Vorbild einzuführen, sagte. VW sei "schrecklich naiv" zu glauben, "das deutsche Modell nach Amerika zu exportieren zu können", fand der US-Senator Bob Corker. Das Unternehmen begehe damit "einen der größten Fehler der Konzerngeschichte". An diesem Punkt hätte Osterloh einknicken können. Tat er aber nicht, sondern sandte eine Botschaft zurück über den Atlantik. Die lautete: "Demokratie endet für uns nicht an Werkszäunen." Und, noch direkter: "Wer VW kennt, der weiß, dass es naiv ist, anzunehmen, bei uns würden Arbeitnehmerrechte außen vor gehalten."

Die Lage scheint verfahren - wie die zwischen Demokraten und Republikanern in Washington

Osterloh verhandelt mit amerikanischen Republikanern - nun hat der Braunschweiger, der vor 40 Jahren seine Ausbildung zum Industriekaufmann abgeschlossen hat, auf einmal etwas gemeinsam mit dem demokratischen US-Präsidenten Barack Obama. Die Niedersachsen brauchen für ihre Arbeitnehmervertretung im US-Bundesstaat Tennessee die Auto-Gewerkschaft United Auto Workers (UAW) - ohne die geht es nicht. Nun aber ist gerade die UAW in den Augen der Republikaner Teufelszeug. Und ein wesentlicher Grund dafür, dass Detroit, die Stadt der großen Drei Chrysler, Ford und General Motors, als Motown, Motorstadt, in einer tiefen Krise steckt. Dass die Deutschen ausgerechnet im tiefen Süden der USA die UAW unterstützen, ist für die Regionalpolitiker eine Horrorvorstellung: Bislang rühmte man sich damit, die Gewerkschaften aus dem industriellen Leben des Südens weitgehend herausgehalten zu haben. Nun könnte die Arbeitnehmerorganisation ausgerechnet über einen deutschen Konzern ihren Fuß in die Tür kriegen.

Die Lage scheint verfahren - ähnlich wie die zwischen Demokraten und Republikanern in Washington. In den nächsten Wochen wollen Osterloh und VW-Personalvorstand Horst Neumann mit UAW-Leuten, aber auch mit Corker und dem republikanischen Gouverneur von Tennessee ins Gespräch kommen. "Ich wünsche mir den konstruktiven Dialog mit beiden Seiten bei der Schaffung einer betrieblichen Arbeitnehmervertretung", ließ Osterloh wissen. "Genauso wie wir Demokraten und Republikaner an den Tisch holen wollen. Gemeinsam lässt sich sicherlich am besten ein Modell entwickeln, das den Beschäftigten in Chattanooga eine wirksame Mitsprache bietet." Konstruktiver Dialog, gemeinsam an einem Tisch: Ob Corker damit etwas anfangen kann?

Osterloh hat schon so manches durchgeboxt. Beschäftigungsgarantien, Lohnerhöhungen, die Übernahmeschlacht mit Porsche hat VW gewonnen. Corker muss sich auf einiges gefasst machen. Wer Osterloh kennt, weiß, dass es naiv ist, sich zu früh als Sieger zu sehen.

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