Fraktionsführung bei den Linken:Gysi mit 80 Prozent wiedergewählt - Dämpfer für Wagenknecht

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Er soll die Fraktion der Linken im Bundestag als alleiniger Chef führen: Gregor Gysi ist von den Abgeordneten mit mehr als 80 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden. Die zum linken Flügel der Partei gehörende Sahra Wagenknecht muss dagegen ein deutlich schlechteres Ergebnis hinnehmen.

Gregor Gysi bleibt für weitere zwei Jahre alleiniger Chef der Linksfraktion. Der 65-Jährige wurde auf der Fraktionsklausur im brandenburgischen Bersteland mit 80,6 Prozent der Stimmen wiedergewählt. 50 von 62 Abgeordneten stimmen für ihn.

Sein Ergebnis lag allerdings unter dem aus früheren Wahlen: Im Jahr 2011 hatte Gysi noch 81,3 Prozent erhalten, 2009 sogar 94,7 Prozent.

Sahra Wagenknecht, die als Führungsfigur des linken Parteiflügels gilt, erhielt als "erste Stellvertreterin" von Gysi ein schlechteres Ergebnis. Für sie votierten 66,1 Prozent der Abgeordenten - ein deutlicher Dämpfer. Immerhin ist ihr Ergebnis damit besser als vor zwei Jahren, damals holte Wagenknecht nur 61 Prozent.

Entscheidung bei der Linken
:Gysi macht's allein

Bloß keinen Streit - das haben sich wohl die führenden Vertreter der konkurrierenden Lager bei der Linken gedacht. Deshalb haben sie schon vor Beginn der Parteiklausur einen Kompromiss für die Besetzung der Fraktionsspitze ausgehandelt. Gysi soll alleiniger Vorsitzender bleiben, Wagenknecht wird entschädigt.

Von Daniel Brössler, Bersteland

Gysi hat sich zuvor dagegen gewehrt, eine gemeinsame Doppelspitze mit Wagenknecht zu bilden. Beim linken Flügel hat Gysis Weigerung, das Spitzenamt mit Wagenknecht zu teilen, massive Verärgerung ausgelöst. Von "Ultimatum", "Erpressung" und "Nötigung" war die Rede.

Vor der entscheidenden Sitzung war am Dienstag ein Kompromiss ausgehandelt worden, der für Wagenknecht die Rolle der "ersten Stellvertreterin" vorsieht.

Parteichefin Katja Kipping sagte nach Gysis Wahl: "Es hat sich bestätigt, dass eine breite Gruppe in der Partei den Kompromiss mitträgt." Die Diskussionskultur innerhalb der Partei habe sich verändert, man sei bereit, auch kontroverse Meinungen hinzunehmen.

Gysi verhinderte Wagenknecht bereits zum zweiten Mal

Kipping spielt auf den latenten Grundkonflikt bei den Linken an: den Richtungsstreit in Fraktion und Partei. Die westdeutschen Linken, die in ihrer Mehrzahl eher dem fundamentalistischen Flügel zugerechnet werden, unterstützen Wagenknecht, während Gysi vor allem die ostdeutschen Reformer auf seiner Seite hat. Gysi verhinderte bereits zum zweiten Mal, dass Wagenknecht an seine Seite in die Fraktionsspitze aufrückt. Schon 2011 stemmte er sich erfolgreich dagegen.

Die beiden Flügel in der 64 Abgeordnete umfassenden Fraktion verständigten sich bei der Klausur in Brandenburg auf eine Lösung, die neben Wagenknecht sieben weitere Stellvertreter vorsieht. Sechs davon sind die Leiter der einzelnen Fachbereiche. Zusätzlich sollte der frühere Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch einen herausgehobenen Stellvertreterposten bekommen. Insgesamt sieht der Kompromiss also acht Vize-Fraktionschefs vor. Als Vizepräsidentin des Bundestags nominierte die Linksfraktion erneut Petra Pau, mit 84 Prozent der Stimmen.

Wenn es zu einer großen Koalition kommt, wird Gysi Oppositionsführer, weil die Linke bei der Bundestagswahl im September trotz Verlusten erstmals drittstärkste Kraft im Bundestag wurde. Das würde beispielsweise bedeuten, dass Gysi künftig auf Regierungserklärungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) antworten würde.

Die Linksfraktion machte SPD und Grünen bei der Klausurtagung erneut ein Kooperationsangebot für die Zeit vor der Regierungsbildung. Sie will dazu möglichst schnell nach der Konstituierung des Bundestags am 22. Oktober fünf Anträge in den Bundestag einbringen. Dabei geht es unter anderem um die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, die Abschaffung des Betreuungsgelds und die vollständige Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe.

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