Toiletten im Regionalzug:Armer Tropf auf dem Topf

Überfüllte Züge, streikende Klimaanlagen, brennende Loks: Nichts ist unmöglich im täglichen Bemühen der Bahn. Wie gut, dass die neuen Regionalzüge mit Luxus-Toiletten ausgestattet sind, in denen alles wie von selber läuft - nur das Verriegeln der Tür nicht.

Eine Glosse von Hans Kratzer

Überfüllte Züge, streikende Klimaanlagen, brennende Loks: Nichts ist unmöglich im täglichen Bemühen der Bahn. Auf dem Klo aber droht dem Fahrgast die Apokalypse, gerade jetzt im Herbst, in dem verkühlte Blasen eine kurze Taktung der WC-Abstecher erzwingen. Leider müssen sich im Zug oft Hunderte Fahrgäste vier Klos teilen, von denen drei gesperrt sind und im vierten einer hockt, der an Verstopfung leidet oder auf dem Topf eingeschlafen ist.

Wie gut, dass die neuen Regionalzüge mit Toiletten ausgestattet sind, in denen alles wie von selber läuft. Ein Knopfdruck, und man fühlt sich wie ein Gast im Grand-Hotel. Die aluverkleidete Tür wird wie von Geisterhand zur Seite geschoben, der Fahrgast schwebt hinein, und schon geht sie automatisch zu.

Doch wie eine Schlange verführt der Luxus den Menschen, was in den neuen Doppelstockzügen der Regionalbahn München-Mühldorf laufend zu beobachten ist. So geschmeidig öffnet sich auf Knopfdruck das WC-Paradies, dass viele jenen Knöpfen innerhalb des Klos, mit deren Hilfe sich die Tür öffnen, schließen und verriegeln lässt, nicht die gebotene Aufmerksamkeit schenken. Die Tür trennt ja von selber die neugierige Welt des Abteils von jenem geschützten Raum, in dem sich der Kunde beglückt auf den Topf hockt - nicht ahnend, wie schnell das Verhängnis nun seinen Lauf nehmen wird.

Denn draußen drückt bereits der nächste Blasenschwache auf den Knopf, und sogleich öffnet sich die Schiebetür, da sie ja nicht verriegelt wurde. Ausgerechnet das Verriegeln widersetzt sich dem Automatismus, weshalb im Klo nun die Apokalypse heraufdämmert. Wie ein weiter Schlund öffnet sich die Schiebetür und gestattet hundert Augen einen verschämten Blick ins "Allerheiligste".

Die Topfsitzer entladen ihre seelische Not in diesem Moment stets mit einem Schrei, bevor sie aufspringen und die strategisch günstigsten Hosenteile panisch nach oben reißen. Während der Auslöser des Malheurs sich betroffen entschuldigt, lässt die Vollautomatik noch vier lange Sekunden verstreichen, bis sie die Tür wieder schließt. Nur kurz darf sich der Leidtragende in der Stille des Klos darüber grämen, dass er den Knopf zum Verriegeln übersehen hat.

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