Neue Partei der türkischen Protestbewegung:Wählt Gezi-Park!

Protesters carry the Turkish flag and shout anti-government slogans during a demonstration at Gezi Park near Taksim Square in central Istanbul

Aus Teilen der Protestbewegung hat sich eine neue Partei formiert: die Gezi-Partei

(Foto: REUTERS)

Beine wie Baumstämme und Arme, die einen grünen Erdball umarmen: Das zeigt das Logo der neuen Partei Gezi-Park. Die Reaktionen sind gemischt. Während die einen nur darauf gewartet haben, glauben andere Aktivisten nicht daran, dass man den Geist von Gezi in eine Partei zwingen sollte.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Der Istanbuler Gezi-Park ist längst das Symbol für eine neue Demokratiebewegung der Türkei, nun trägt eine Partei seinen Namen: Gezi Partisi, abgekürzt GZP. Ihr Chef ist der 37-jährige Rockmusiker Reşit Cem Köksal. Das Logo zeigt einen Mann, dessen Beine wie Baumstämme in der Erde wurzeln, seine ausgebreiteten Armen umfangen einen grünen Erdball. So jedenfalls könnte man das Bild interpretieren.

Eine solche Neugründung hatte vor allem die linke CHP, die größte Oppositionspartei des Landes, gefürchtet - mehr jedenfalls als Recep Tayyip Erdoğans konservativ-islamische AKP, die sich ihrer Macht noch immer sicher wähnt. Die CHP hatte sich im Sommer den landesweiten Protesten gegen die Regierung angeschlossen, in der Hoffnung, bei den Kommunalwahlen im kommenden März könnte sich das auszahlen. Die meist jungen Gezi-Protestler hatten jedoch mit Parteien bislang nichts am Hut, viele demonstrierten überhaupt zum ersten Mal in ihrem Leben.

Die ersten Reaktionen zur GZP sind denn auch gemischt. Von "Hoffnung" ist auf der Facebook-Seite der Gezi-Partei zu lesen. "Wir haben auf euch gewartet", schreibt eine Unterstützerin begeistert. Der Schriftsteller Ahmet Altan dagegen twitterte: "Die Gezi-Bewegung steht über den Parteien." Ihsan Eliaçık von den "Antikapitalistischen Muslimen", die sich den Protesten angeschlossen hatten, findet: "Gezi ist ein Geist, man sollte ihn nicht in einen Körper zwingen." Der Literaturkritiker Semih Gümüş ließ über die jungen, öffentlich bislang nicht in Erscheinung getretenen Parteigründer wissen: "Ich kenne keinen von diesen Leuten". Sie sollten "nicht eine Sekunde überlegen" und ihre Partei am besten gleich wieder auflösen. "Zu männlich", urteilte eine Internetzeitung über das Emblem der offiziell beim zuständigen Obergericht in Ankara eingetragen 77. Partei der Türkei.

Die Türkei ist ein Land der Parteigründer und der Parteiverbote. Im linken Spektrum bekämpfen sich viele Splittergruppen ohne Chancen auf einen Parlamentssitz. Welches Schicksal der GZP beschieden ist, hängt aber womöglich weniger von den Skeptikern ab, als von Premier Erdoğan.

Nacht-und-Nebelaktion während des Opferfestes

"Straßen sind Zivilisation", sogar eine Moschee würde er abreißen, falls sie im Weg stünde, verkündete der Premier jetzt. Erdoğan verteidigte damit eine Nacht-und-Nebelaktion auf dem Campus der staatlichen Technischen Universität in Ankara. 2388 Bäume fällte ein Bautrupp dort am vergangenen Freitag, während des islamischen Opferfestes. Viele der Studenten, die zuvor heftig gegen den Bau der Schnellstraße protestiert hatten, waren in den Ferien. Ankaras Bürgermeister Melih Göçek, prominentes Mitglied der AKP, triumphierte: Sein Bautrupp habe ihm eine "freudige Überraschung" bereitet.

Seit der Aktion sind die Proteste in Ankara und Istanbul wieder aufgeflammt. Staatspräsident Abdullah Gül, der schon mehrfach um mehr Rücksicht auf die neue Umweltbewegung bat, mahnte bereits, die Dinge nicht eskalieren zu lassen. Man sollte reden, statt gleich zu handeln, dann ließen sich Konflikte lösen, so Gül.

Suat Kiniklioğlu, bis 2011 selbst Abgeordneter der AKP und inzwischen regierungskritischer Chef eines Think-Tanks, glaubt an einen "Kulturkampf". Auf der einen Seite stünden Erdogans Parteifreunde, die ohne Rücksicht auf die Folgen das Land "betonieren" - auf der anderen die TU-Studenten, "modern und säkular".

Im Programm der Gezi-Partei heißt es: Gewünscht sei eine türkische Verfassung, die dem Einzelnen die Freiheit lasse, über sein Leben und seine Zukunft zu entscheiden.

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