Überwachung durch Geheimdienste:Obama sprach mit NSA-Chef angeblich nie über Ausspähung Merkels

Wusste Obama Bescheid oder nicht? NSA-Chef Alexander soll nach eigenen Angaben mit Obama nicht über eine Überwachung von Bundeskanzlerin Merkel gesprochen haben. In Deutschland wollen Politiker mehrerer Parteien Whistleblower Snowden als Zeugen bei der Aufklärung des Lauschangriffs laden.

Die Angaben sind widersprüchlich: Hat US-Präsident Barack Obama gewusst, dass das Handy seiner deutschen Amtskollegin Angela Merkel (CDU) überwacht worden ist? Oder wusste er von nichts? Bisher gab es zu diesen Fragen unterschiedliche Medienberichte, die sich jeweils auf Indizien stützend widersprachen.

Nun allerdings äußert sich die NSA selbst in der Sache: Der US-Geheimdienst NSA habe Obama nach eigenen Angaben nie über eine angebliche Ausspähung von Merkel informiert. NSA-Chef Keith Alexander habe mit Obama "2010 nicht über eine angebliche Geheimdienstoperation Kanzlerin Merkel betreffend diskutiert", erklärte eine NSA-Sprecherin. Der NSA-Chef habe "niemals über eine sie (Merkel) betreffende Operation gesprochen", gegenteilige Presseinformationen seien "nicht richtig".

Zuvor hatten die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung sowie der Spiegel übereinstimmend berichtet, dass Obama nicht von der Operation gewusst habe. Die Bild am Sonntag (BamS) hatte dagegen unter Berufung auf Informanten aus Geheimdienstkreisen berichtet, dass Obama sehr wohl von der Überwachung gewusst habe. Diesen BamS-Bericht dementiert die NSA nun. Den Medienberichten zufolge wird Merkel möglicherweise seit mehr als zehn Jahren von der NSA überwacht.

Das Weiße Haus lehnte eine Stellungnahme zu dem BamS-Bericht ab. Die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, Caitlin Hayden, sagte: "Wir haben klargemacht, dass die USA geheimdienstliche Informationen im Ausland von der Art sammeln, wie sie von allen Nationen gesammelt werden."

Mehrheit verlangt Entschuldigung von Obama

Nach Ansicht von 76 Prozent der Bundesbürger soll sich US-Präsident Obama bei der Kanzlerin für das mögliche Abhören ihres Handys durch den NSA entschuldigen. Das ergab eine repräsentative Umfrage im Auftrag von Bild am Sonntag. Demnach glauben 60 Prozent, dass die Abhör-Affäre das deutsch-amerikanische Verhältnis sehr stark oder stark beschädigt habe.

Nur 17 Prozent halten eine Entschuldigung für nicht notwendig. Für 53 Prozent der Befragten bleiben die USA gute Verbündete. Auch das angestrebte Freihandelsabkommen wird mehrheitlich nicht in Zweifel gezogen. Nur knapp jeder Dritte spricht sich für einen Verhandlungsstopp aus. Das Meinungsforschungsinstitut Emnid befragte insgesamt 500 Personen.

Auch in den USA wächst der Ärger über die Überwachungspraktiken der US-Geheimdienste. Unter dem Motto "Stop watching us" (Hört auf, uns zu überwachen) forderten Tausende Demonstranten am Samstag in Washington schärfere Kontrollen sowie eine umfassende Aufklärung über den Umfang der NSA-Spähprogramme. Eine entsprechende Petition, für die die Organisatoren im Internet mehr als 575.000 Unterschriften gesammelt hatten, wurde dem US-Kongress übergeben.

Snowden könnte als Zeuge aussagen

Zur Aufklärung der NSA-Affäre wird in Deutschland parteiübergreifend die Forderung nach einer Befragung Edwards Snowdens laut. Linksfraktionschef Gregor Gysi plädierte in der Rheinischen Post dafür, den Whistleblower, der mit seinen Informationen die NSA-Affäre ins Rollen gebracht hatte, als Zeugen zu hören.

Die amtierende Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) betonte ebenfalls , sie sehe kein grundsätzliches Hindernis für eine Vernehmung Snowdens durch die deutschen Behörden. Falls sich der Verdacht auf einen US-Lauschangriff gegen die Kanzlerin erhärte und zu Ermittlungen führe, müsse die Bundesanwaltschaft überlegen, ob und unter welchen Bedingungen sie Snowden als Zeugen vernehme.

Auch SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann bekräftigte seine Forderung nach einer Zeugenvernehmung des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters. Der SPD-Politiker, der dem parlamentarischen Kontrollgremium für Geheimdienste vorsitzt, sagte: "Snowdens Angaben scheinen glaubhaft zu sein, während die US-Regierung uns in dieser Angelegenheit offenkundig belogen hat." Snowden könne daher ein wertvoller Zeuge sein, auch bei der Aufklärung des Lauschangriffs gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Generalbundesanwalt Harald Range sieht für eine Vernehmung Snowdens derzeit allerdings keine Möglichkeit. "Ich kann einfach nicht nach Moskau fahren und mich auf den Flughafen setzen und warten, bis Herr Snowden vorbeikommt", sagte er der Nachrichtenagentur dpa. In diesem Stadium des Verfahrens, wo man noch kein Ermittlungsverfahren habe, könne man keine Zeugen vernehmen. Man könne uns nur Auskünfte einholen, und das tue man.

SPD will NSA-Affäre in Untersuchungsausschuss behandeln

Die SPD fordert in der Affäre zudem die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. "Ein Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre ist unvermeidlich. Nur Aufklärung kann das schwer gestörte Vertrauen in den Schutz der Privatsphäre wiederherstellen", sagte Oppermann der Bild am Sonntag. Er regte eine gemeinsame Initiative der Fraktionen an: "Am besten wäre es, wenn sich alle vier Fraktionen im Bundestag darüber verständigen würden. Ein solcher Untersuchungsausschuss sollte so weit es irgend geht öffentlich tagen."

Damit widersprach er Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) und schloss sich den Forderungen von Grünen und Linken an. Kauder, der sich bisher gegen einen Untersuchungsausschuss ausgeprochen hatte, sagte in der ZDF-Sendung "Berlin direkt" allerdings: "Wenn die zwei kleinen Oppositionsparteien den Untersuchungsausschuss wollen, haben wir gesagt, lassen wir das zu."

Unterdessen drohte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich den USA mit juristischen Schritten. "Wenn die Amerikaner Handys in Deutschland abgehört haben, haben sie deutsches Recht auf deutschem Boden gebrochen", sagte der CSU-Politiker der Bild am Sonntag. Das verletze die Souveränität der Bundesrepublik und sei inakzeptabel.

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