Betrug beim Gebrauchtwagenkauf:So erkennen Sie manipulierte Tachos

Jeder dritte Gebrauchtwagen hat einen geschönten Kilometerstand. Doch Verbraucher sind nicht machtlos gegen Betrüger, denn auch sie hinterlassen Spuren. Wie Sie manipulierte Tachos entlarven können.

Von Sascha Gorhau

Es gleicht einem Katz-und-Maus-Spiel. Die Hersteller bauen in ihre Autos immer neue Software, die vor Manipulation schützen soll. Doch die Betrüger finden schon nach wenigen Tagen neue Sicherheitslücken. Das Ergebnis: Jeder dritte Gebrauchtwagen in Deutschland soll laut Polizeiangaben einen manipulierten Kilometerstand besitzen. Auch Experten schätzen die Autokäufer in der schwächeren Position: "Derzeit hat der Verbraucher keine Möglichkeit, einen Tacho-Betrug zuverlässig zu entlarven", sagt ADAC-Experte Markus Sippl.

Gebrauchtwageninteressenten können sich dennoch gegen Betrug wehren. Ein manipulierter Tacho lässt sich technisch zwar oft nicht nachweisen, doch gründliche Recherchen und eine aufmerksame Begutachtung des Fahrzeugs helfen oft, gezinkte Kilometerstände aufzudecken.

Was jeder gegen Manipulation tun kann

  • Überprüfen Sie sorgfältig alle Unterlagen, die beim Fahrzeug sind. Jedem Wagen muss eine aktuelle Prüfbescheinigung der Hauptuntersuchung beiliegen. Auf dieser ist immer der Kilometerstand zum Zeitpunkt der Prüfung vermerkt. Anhand vergangener HU-Berichte lässt sich so die Laufleistung des Fahrzeugs rekonstruieren. Auch Rechnungen von Reparaturen enthalten in aller Regel den Kilometerstand des Fahrzeugs. Dasselbe gilt für das Service- und Inspektionsheft.
  • Untersuchen Sie den Wagen genau. Ein Blick unter die Motorhaube verrät, wann der letzte Ölwechsel durchgeführt wurde. Ein Zettel im Motorraum gibt Auskunft darüber, wann und bei welchem Kilometerstand der Wagen frisches Öl erhalten hat. Der Eintrag muss mit den anderen Fahrzeugdokumenten übereinstimmen. Auch der Innenraum kann erhöhten Verschleiß anzeigen - und damit, ob der Kilometerstand auf dem Tacho realistisch ist. So zeigen im Falle intensiver Benutzung die Sitze, das Lenkrad oder der Schaltknüppel übermäßige Spuren von Abnutzung. Auch die Pedalerie zeigt, wie der Wagen tatsächlich genutzt wurde. Laut Angaben des Auto Club Europa (ACE) sind solche Verschleißerscheinungen frühestens bei Laufleistungen von mindestens 120.000 Kilometern erkennbar, keinesfalls vorher.
  • Nehmen Sie Kontakt zu den Vorbesitzern und den Werkstätten auf, in denen das Auto zum Kundendienst war. Die Zulassungsbescheinigung II gibt Auskunft über die vorherigen Halter. Sie können über die Laufleistung eines Wagens informieren und einschätzen, ob der aktuelle Kilometerstand realistisch ist. Die Werkstätten können das ebenfalls, sie speichern jahrelang die Daten ihrer Kunden. Sollten keine Namen von Vorbesitzern verfügbar sein, so ist anhand der Fahrgestellnummer das Auto eindeutig zu identifizieren - und damit auch seine Wartungshistorie mit den jeweiligen Kilometerständen.

Was der Fachmann tun kann

  • Lassen Sie sich den Kilometerstand beim Kauf garantieren. Der ADAC rät: "Bestehen Sie auf der schriftlichen Angabe der tatsächlichen Laufleistung im Kaufvertrag." Nur so werde die Kilometerangabe verbindlich. Verkäuferangaben wie "Kilometerstand laut Tacho" oder "Kilometerstand abgelesen" seien weitgehend unverbindlich, schreibt der Automobilclub.
  • Sind Sie unsicher über die Laufleistung eines Fahrzeugs, so lassen Sie Fachleute einen Blick auf den Wagen werden. Prüforganisationen und Werkstätten führen zu einem relativ geringen Preis von etwa 50 bis 75 Euro Gebrauchtwagenchecks durch. Die Profis erkennen Ungewöhnlichkeiten an einem Fahrzeug meist schneller als Laien.
  • Auch spezielle Tachoservices können mit Justiergeräten Manipulationen nachweisen. Denn die Laufleistung ist in verschiedenen Speichermodulen eines Fahrzeugs vermerkt. Verändern Betrüger nur den Kilometerstand, vergessen aber, auch andere Module zurückzusetzen, kann der Schwindel nachgewiesen werden. Die Steuergeräte und Tachos haben außerdem einen digitalen Stempel, der ihr Produktionsdatum ausweist. Stimmt der nicht mit den Daten des Fahrzeugs überein, ist Skepsis angebracht.
  • Viele Händler garantieren die Echtheit der Laufleistung, wenn sie ein Fahrzeug verkaufen. Der Bundesverband freier Kfz-Händler (BVfK) beispielsweise verpflichtet seine Mitglieder, Privatkunden diese Sicherheit zu geben. Sollte der Käufer nachträglich eine Manipulation am Fahrzeug entdecken, so muss ihn der Händler zurücknehmen und den Kaufpreis erstatten. Weigert sich der Verkäufer, so übernimmt der Verband seine Garantieleistung und kann ihn aus dem BVfK ausschließen.

Welche Maßnahmen gegen Tachomanipulation wünschenswert sind

  • Das Carfax-Prinzip: Die US-Firma Carfax bietet die lückenlose Dokumentation aller Fahrzeugdaten. Im Carfax Vehicel History Report befinden sich alle Informationen zu einem Auto, seine Wartungshistorie und auch die aktuellen Kilometerstände. In den USA ist der Report ein Standardinstrument beim Gebrauchtwagenkauf. In Europa ist der Service auch erhältlich, allerdings nur in Spanien, Schweden und Slowenien. Nach Angaben des ACE denken Verbände, Unternehmen und Politik derzeit an, die Dokumentation auch in Deutschland anzubieten.
  • Hersteller können noch vehementer gegen Sicherheitslücken vorgehen. In einer aktuellen Analyse der Universität Magdeburg und des ADAC konnten die Forscher nachweisen, dass die Autobauer ihre Bord-Software nur unzureichend gegen Manipulation schützen. Der ADAC wirft den Herstellern vor, absichtlich Sicherheitslücken in den Systemen zu lassen. Der Automobilclub vermutet, dass der Tacho-Betrug bei vielen Autos vorbereitet sei, damit die Autobauer den Kilometerzähler vor der Auslieferung von Neufahrzeugen nullen könnten. Auf dem Werksgelände seien Testfahrten vor der Auslieferung üblich. Durch die Manipulation würden die Kunden trotzdem ein Fahrzeug mit null Kilometern erhalten.

Eine endgültige Sicherheit vor gefälschten Kilometerständen gibt es nicht. Sind Interessenten unsicher, ob ihr Wunschfahrzeug manipuliert wurde, sollten sie die Finger davon lassen. Denn ein erfahrener Betrüger benötigt für das Zurücksetzen der Laufleistung nur wenige Minuten. Der Ärger, den ein solcher Wagen seinem neuen Halter bringen kann, dauert ungleich länger.

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