Kooperation zwischen Geheimdiensten:Hauptsache geheim

Verfassungsschutz, BND und CIA haben jahrelang gemeinsam das "Projekt 6" betrieben. "Aus Gründen des Staatswohls" stuft die Regierung die Hintergründe als Verschlusssache ein. Ein beispielhafter Popanz um ein kleines Geheimnis.

Von John Goetz und Hans Leyendecker

Das Geheimdienstgeschäft ist ein fischiges Gewerbe und die Spielregeln sind nicht leicht zu verstehen. Bei genauerem Hinsehen drängt sich aber oft eine Frage auf: Warum die Geheimnistuerei? Beispielhaft lässt sich diese Frage an einem kleinen Undercoverprojekt nachvollziehen, das "Projekt 6" oder "P6" hieß und zwischen 2006 und 2010 von einem Team aus Beamten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), des Bundesnachrichtendienstes (BND) und der CIA betrieben wurde. Ziel war es, mit Hilfe einer neuen Software mehr über das Beziehungsgeflecht angeblicher Dschihadisten zu erfahren.

Der Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz (Grüne) und seine Fraktion hatten sich, nachdem das Kürzel "P6" in der Abhördiskussion aufgetaucht war, im September bei der Bundesregierung nach den Hintergründen erkundigt. Knapp 50 zum Teil durchaus interessante Fragen. Die Antworten zu den Fragen 2 bis 42 wurden aber von der Regierung als "Verschlusssache - Geheim" eingestuft. Nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. "Aus Gründen des Staatswohls", wie die Regierung schreibt.

Deutsch-amerikanische Geheimgruppe

Eine Veröffentlichung von Einzelheiten würde "zu einer wesentlichen Schwächung" der Dienste bei der "Informationsgewinnung führen". Was die Regierung nicht sagen möchte, haben NDR und Süddeutsche Zeitung recherchiert. Das Ergebnis zeigt, wie "P6" lief und welcher Popanz um das kleinste Geheimnis gemacht wird.

Nach den geheimen Unterlagen der Dienste ging die Initiative zur Gründung der Gruppe von der CIA aus. Von Oktober 2006 an lief der Betrieb, erst in Neuss, dann von 2007 an wegen einer "Änderung der Sicherheitslage" in Köln. Ein CIA-Mann gehörte zu der Truppe. Das BfV stellte bis zu neun Mitarbeiter ab, der BND erst einen, dann zwei. Das Sagen hatte der Verfassungsschutz.

Die US-Agenten, so betonen die deutschen Dienste in Stellungnahmen für die Regierung, hätten "auf deutschem Boden keine Befugnisse zu Operationen gehabt". Haben sie sich denn dran gehalten? BfV und BND haben da keinen Zweifel. Der US-Kollege habe sich offiziell in Deutschland aufgehalten, schrieb das für Spionageabwehr zuständige BfV der Regierung.

NDR-Journalist wurde ausgeforscht

Bekannt wurde, dass sich die Amerikaner im Rahmen von "P6" etwa für die Personalien des NDR-Journalisten Stefan Buchen interessierten. Sie forschten ihn aus. Die deutschen Dienste sagen, sie hätten dabei nicht geholfen. Die CIA nahm die für sie interessanten Daten mit, der Betrieb endete und die deutschen Dienste löschten die Datenbank. Deshalb können sie heute angeblich nicht mehr sagen, wen sie wann gespeichert hatten. Etwa 1119 Personen sollen es gewesen sein. Einen "echten Mehrwert für die Facharbeit" hat "P6", wie es denn lief, nach Angaben der Dienste nicht gebracht. Diese Feststellung ist natürlich geheim.

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