NSA-Spähaktion in Deutschland:"Sie saugen jede Nummer auf, die sie kriegen können"

US-Botschaft

Die US-Botschaft in Berlin: Basis für Spione?

(Foto: dpa)

Die Kanzlerin, hochrangige Beamte, Oppositionspolitiker: Recherchen der "New York Times" zufolge kennt die Daten-Sammelwut der NSA in Deutschland keine Grenzen. Ein Insider hat der Zeitung einen Einblick in die verschwiegene Welt des Geheimdienstes gegeben.

Das Mobiltelefon von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist der New York Times zufolge nicht die einzige Spähaktivität des US-Geheimdienstes NSA im Berliner Politikbetrieb. "Sie saugen in Deutschland jede Telefonnummer auf, die sie können", zitierte die Zeitung einen früheren Geheimdienstmitarbeiter. Auch ranghohe Beamte und die Chefs von Oppositionsparteien seien Spionageziele. Eine wichtige Quelle für Festnetz- und Handynummern sind dem Bericht zufolge US-Diplomaten.

Weiter berichtet die New York Times, dem Geheimdienst gehe es nicht um Metadaten wie Informationen über die Dauer der Telefonate und die angerufenen Nummern, sondern eindeutig um die Inhalte. "Metadaten sind nur wertvoll, wenn man versucht, die Aktivitäten eines Terroristen oder Spions nachzuverfolgen", sagte der Geheimdienstmitarbeiter. Über den Zeitraum, in dem deutsche Ziele ausgespäht wurden, machte der Informant keine Angaben.

Riesige Datenbanken

Bei überwachten Politikern werden der Zeitung zufolge die Gesprächsinhalte in riesigen Datenbanken gespeichert und stehen dort wochen- oder sogar monatelang zur Verfügung. Andere würden sofort zerstört, wenn ihr Wert als gering eingeschätzt wird. Im NSA-Hauptquartier würden Heerscharen von Analysten die Mitschriften der Telefonate auswerten und streng vertrauliche Berichte verfassen, die anschließend an bestimmte Regierungsstellen weitergeleitet würden. Das größte Interesse an den Berichten bestehe im amerikanischen Außenministerium, im Finanzministerium, bei anderen US-Geheimdiensten sowie im Nationalen Sicherheitsrat von Präsident Barack Obama.

Einige Berichte enthalten den Angaben zufolge auch die abgehörten Telefonate in Rohfassung, wenn sie interessante Informationen liefern. Obamas Sicherheitsberater hätten das Ausspähen von internationalen Spitzenpolitikern wie Merkel daher kaum übersehen können, zitierte die New York Times eine ihrer Quellen.

Überprüfung der Geheimdienste bis Dezember

Präsident Obama hat eine Überprüfung der Arbeit der Geheimdienste angeordnet, die noch in diesem Jahr abgeschlossen sein soll. Dabei könnte der Präsident US-Medien zufolge ein Ende des Ausspähens von Staats- und Regierungschefs befreundeter Staaten anordnen. Vergangene Woche hatte das Weiße Haus versichert, dass die US-Geheimdienste Merkels Handy "nicht überwachen und nicht überwachen werden".

US-Geheimdienstdirektor James Clapper und NSA-Chef Keith Alexander hatten bei einer Anhörung im Kongress am Dienstag das Ausspähen von internationalen Spitzenpolitikern dagegen verteidigt. Clapper machte deutlich, dass auch die Europäer Ziele in den USA auskundschaften würden. Die US-Tageszeitung Washington Post berichtete unter Berufung auf nicht genannte US-Beamte, dass der Bundesnachrichtendienst im Jahr 2008 versehentlich eine Liste an die US-Geheimdienste übergeben habe, auf der die Telefonnummern von 300 Menschen mit US-Staatsbürgerschaft oder Wohnsitz in den USA gestanden hätten.

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