Reform der EU-Agrarpolitik:Untergepflügt von der Bauernlobby

Landwirtschaft in Sachsen

Auf der Konferenz der deutschen Landwirtschaftsminister zeigt sich. Von den grünen Ideen der neuen EU-Agrarpolitik könnte hierzulande nicht viel übrig bleiben. Im Bild: Ein Landwirt, der einen Acker in der Nähe von Riesa/Sachsen bearbeitet (Archiv)

(Foto: dpa)

"Greening" ist die wichtigste Idee für die neue EU-Agrarpolitik. Umgesetzt wird der Plan, landwirtschaftlich genutzte Flächen an die Natur zurückzugegeben, in den Mitgliedsstaaten. In Deutschland haben es die Bauern aber geschafft, das grüne Reformprojekt zu ihren Gunsten zu entschärfen.

Von Marlene Weiß

Es ist erstaunlich viel vom Verbauen die Rede, von zementieren und in Beton gießen, wenn man mit Kritikern der EU-Landwirtschaftsreform spricht. Als ginge es um Bautechnik, um ein solides Bürogebäude. Dabei hat Landwirtschaft doch eigentlich mit Erde, Pflanzen und Veränderung zu tun. Aber die neue gemeinsame Agrarpolitik der EU, über deren Umsetzung die Agrarminister der Länder am Montag in München verhandelt haben, hat schon etwas von einer Großbaustelle, da ist der Vergleich gar nicht so unpassend.

Nur dass sich die Seiten im Streit um die künftige Landwirtschaft nicht einig sind, was da gebaut werden soll. Eine solide, wirtschaftliche Grundlage, sagen Befürworter. Mehr vom Alten, und zwar auf lange Zeit, befürchten Kritiker, vor allem Umweltschützer: daher das Zement- und Betonvokabular. Dabei waren die Vorschläge aus Brüssel ursprünglich sehr ehrgeizig. Eine neue, grüne Agrarpolitik sollte es in der nächsten siebenjährigen Förderperiode geben. Bis zu sieben Prozent der Fläche hätten Landwirte der Natur zurückgeben sollen, Großbetriebe sollten weniger Gießkannenförderung erhalten, Umweltschutz besser gefördert werden.

Aber umsetzen müssen das die Mitgliedstaaten, und die wollen keine Kehrtwende. Auf Landwirtschaftsflächen Hecken wachsen lassen, wie es einmal beim sogenannten Greening gedacht war? Kommt nicht in Frage, sagen Landwirte. "Wir Bauern haben ein Anrecht auf Bewirtschaftung", sagte Bauernverbands-Präsident Joachim Rukwied. "Flächen stillzulegen ist ethisch und sozial verwerflich."

Und die Bauern setzten sich durch. Nun sollen Landwirte zwar Greening betreiben, also vor allem fünf Prozent ihrer Flächen zu "ökologischen Vorrangflächen" machen, wenn sie die vollen Flächenprämien aus Brüssel erhalten wollen; die betragen derzeit hierzulande etwa 300 Euro pro Hektar. Wenn sie es nicht tun, verlieren sie 30 Prozent der Zahlungen, das kann sich kaum ein Betrieb leisten. Aber sie haben Spielraum gewonnen: Nach bisherigem Stand zählt es auch zum Greening, wenn Bauern etwa sogenannte Zwischenfrüchte anbauen.

"Diese bescheuerten Zwischenfrüchte bringen uns nicht weiter"

Das ist zwar gut für den Boden, aber Naturschützer hatten sich auf insektenreiche Brachen gefreut, nicht auf weitere Produktion. "Diese bescheuerten Zwischenfrüchte bringen uns nicht weiter", schimpft Florian Schöne vom Naturschutzbund Nabu. "Und wenn dann dabei noch Pestizide eingesetzt werden dürfen, dann ist der Status quo zementiert." Ob das auf solchen Greening-Flächen womöglich doch erlaubt bleibt, ist noch nicht endgültig geklärt.

Umstritten ist auch das Verhältnis der beiden Säulen der EU-Landwirtschaftsförderung. Derzeit machen die Flächenprämien den Großteil der Förderung aus - in Deutschland sind es etwa fünf Milliarden Euro jährlich. Weitere 1,2 Milliarden Euro gibt es für die "Entwicklung des ländlichen Raumes", damit werden zum Beispiel Bergbauern oder Umweltschutzprogramme finanziert. Mit der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik haben die Mitgliedstaaten einiges an Freiheit bekommen: Erstmals dürfen sie bis zu 15 Prozent des Geldes zwischen den beiden Säulen hin- und herschichten. Das ist umso bedeutsamer, als auf Deutschland eine kräftige Kürzung zukommt - damit könnte sie zumindest in der zweiten Säule abgefedert werden.

Für die Agrarökonomen beim Thünen-Institut, das dem Bundeslandwirtschaftsministerium zugeordnet ist, war die Sache in ihrer Stellungnahme zur Reform klar: Die Umschichtung sollte man nutzen, um bei der Gießkannenförderung der Flächenprämien zu kürzen, die jedem Betrieb zugutekommen, ob er das Geld braucht oder nicht. Und stattdessen mehr für Dinge auszugeben, die der Gesellschaft nutzen, ohne dass der Bauer damit Geld verdient. "Öffentliches Geld für öffentliche Leistung", heißt das Prinzip.

Koalitionsverhandlungen verkomplizieren das Thema

Auch die fünf grünen Landwirtschaftsminister hatten gefordert, 15 Prozent aus dem Flächenprämien-Topf umzuschichten; und die SPD ging mit der Forderung in die Koalitionsverhandlungen. Aber das ist unpopulär. Auf 2,8 Prozent könnte man sich einigen, war der letzte Stand auf der Fachebene, mehr nicht. Weitgehend einig ist man sich dagegen, dass es bei den Flächenprämien einen Zuschlag für die ersten Hektare geben soll, um Kleinbauern zu fördern; aber keine Kürzung speziell für Großbetriebe.

Eine Einigung der Minister steht noch aus. "Ich denke, dass die Agrarminister den Ehrgeiz haben müssten, das untereinander zu regeln", sagte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der derzeit auch kommissarischer Landwirtschaftsminister ist. Wenn es keine Einigung gebe, müsse das Thema in die Koalitionsverhandlungen verlagert werden. Das würde die Dinge verkomplizieren: Denn erstens muss das Gesetz durch den Bundesrat - wo sich die Länder doch einigen müssten. Und die Zeit drängt: Bis Ende Oktober hätte Deutschland die Verteilung der Mittel für ländliche Räume auf die Länder nach Brüssel melden müssen. Wenn dort nicht bald Zahlen eingehen, stehen diverse Programme von 2014 an auf dem Spiel.

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