Durchsagen in der S-Bahn:Nächster Halt: Olympia 2022

Durchsagen in der S-Bahn: Wer mit der S-Bahn fährt wird noch bis Freitag beschallt - mit Olympiawerbung.

Wer mit der S-Bahn fährt wird noch bis Freitag beschallt - mit Olympiawerbung.

(Foto: Stephan Rumpf)

Lautsprecherdurchsagen bedeuten in der Münchner S-Bahn normal nichts Gutes: lästige Verspätungen. Nun werden die Fahrgäste aber mit anderen Themen beschallt. Es geht um den Bürgerentscheid über Olympia - und es gibt eine klare Wahlempfehlung.

Von Christian Krügel

Im Versuch des russischen Mediziners Iwan Pawlow reagierten Hunde beim Klingeln eines Glöckchens mit freudigem Speichelfluss, weil sie gelernt hatten, dass es bald was zum Fressen geben wird. Der Münchner S-Bahn-Pendler kennt das Phänomen des umgekehrten Pawlowschen Reflexes: Hört er in der morgendlich überfüllten S-Bahn ein Knacksen im Lautsprecher, reagiert er mit nervösem Schweißausbruch, weil er gelernt hat, dass ein Notarzteinsatz an der Hackerbrücke nicht unter 25 Minuten Verspätung bringen dürfte.

Aber seit Dienstagmorgen ist alles anders. Das Knacksen im Lautsprecher verspricht nicht automatisch eine Verkehrsstörung, sondern: Werbung für Olympia 2022. "Verehrte Fahrgäste", flötet eine etwas dünne Frauenstimme vom Band ins Ohr der Pendler und weist sie dann darauf hin, dass am Sonntag die Münchner über die Bewerbung ihrer Stadt für die Winterspiele abstimmen dürfen. Die S-Bahn München GmbH würde sich sehr freuen, wenn die Fahrgäste zum Entscheid gingen - und mit Ja stimmten. Denn, so die Frauenstimme vom Band weiter, Olympia in München sei auch im Sinne eines besseren öffentlichen Nahverkehrs im Großraum. Ende der Durchsage.

Die meisten Pendler reagierten ob dieser völlig neuen Art der Wahlwerbung am Dienstag gelassen, manchen irritierte aber dann doch, wehrlos dem Olympia-Marketing der Bahn ausgeliefert zu sein. Bei der S-Bahn München sieht man das ganz entspannt:

Die GmbH komme damit nur ihren Verpflichtung gegenüber den Olympia-Befürwortern bei Staat, Stadt und "Team 22" nach, erklärt ein Bahnsprecher. Denn die Deutsche Bahn sei schon immer Partner des Sports gewesen, etwa bei der Fußball-WM 2006. Auch die Münchner Bewerbung um die Winterspiele 2018 sei von der S-Bahn unterstützt worden.

Was die Spiele bringen? Noch unklar

Marketing-Lautsprecherdurchsage habe es damals allerdings nicht gegeben, das sei tatsächlich neu. Doch das sei bei weitem noch nicht alles, was die S-Bahn für einen Erfolg der Olympia-Befürworter tue. So würden auch Flächen für Großplakate und Anzeigen auf Flatscreens zur Verfügung gestellt, heißt es aus der S-Bahn-Zentrale.

Und dass obwohl selbst dort niemand zu sagen wagt, was denn Spiele in Oberbayern für den Nahverkehr in der Region genau bringen könnten. Denn der Ausbau des S-Bahn-Netzes hängt vor allem davon ab, wie viel Geld Bund und Länder generell für den Ausbau der Infrastruktur zur Verfügung stellen werden. 2019 läuft das entsprechende Finanzierungsgesetz aus, weit vor Olympia 2022 muss also eine Lösung her. Die Münchner S-Bahn könnte also allenfalls von einem Sonderetat für die Spiele profitieren, den der Bund aber erst noch erfinden müsste.

Einen "kausalen Zusammenhang von Olympia zu einem rascheren Bau einer zweiten Stammstrecke" wolle man daher auch gar nicht herstellen, heißt es bei der S-Bahn. "Aber es werden viele Gäste aus aller Welt kommen, die dann auch öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Das ist gut für den Nahverkehr und unser Beitrag für ökologische Spiele", so ein Bahnsprecher.

Noch bis Freitag, 20 Uhr, werden die Werbe-Durchsagen in der S-Bahn gesendet, gesteuert von der Zentrale am Ostbahnhof. Und wenn die Fahrgäste sie hören, dürfen sie sich wirklich freuen. Denn die Marketing-Ansage komme nur dann, so die Bahn, wenn es nun wirklich keine Störungsmeldung gebe.

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