Stefan Kretzschmar in Leipzig:Noch einmal zurück in die Elite

Stefan Kretzschmar in Leipzig: Stefan Kretzschmar (li.): In Leipzig auch mal als Co-Trainer dabei

Stefan Kretzschmar (li.): In Leipzig auch mal als Co-Trainer dabei

(Foto: imago sportfotodienst)

Stefan Kretzschmar ist auch nach seiner Profikarriere die schillerndste Person im deutschen Handball. Neben seinem Job als TV-Experte versucht er, Männerhandball in Leipzig wieder populär zu machen. Mit seinen Methoden macht er sich aber nicht nur Freunde.

Von Saskia Aleythe, Leipzig

Stefan Kretzschmar ist noch immer etwas sauer. Tagelang konnte er nicht mit Trainer Christian Prokop sprechen, so sauer war er zuerst. Im DHB-Pokal hat sein SC DHfK Leipzig das Achtelfinale knapp verpasst, nun darf Konkurrent Eintracht Hildesheim die Bundesligahandballer der Füchse Berlin empfangen. "Das hätte einfach Geld in unsere Kassen gespült", sagt Kretzschmar. Und dem Zweitligisten Zuschauer gebracht.

Und doch tut sich etwas nach langem Stillstand in Sachen Bundesligasport in Leipzig. 2009 endete Kretzschmars Zeit beim SC Magdeburg, nach elf Jahren als Spieler und zwei Jahren im Management. Hamburg wollte ihn als Sportdirektor haben, Berlin und Mannheim auch. Doch der schillerndste Handballer Deutschlands entschied sich für ein Engagement beim damaligen Viertligisten SC DHfK Leipzig.

"Ich kann nicht als Spieler jahrelang sagen: HSV mag ich nicht, Rhein-Neckar Löwen, Flensburg oder Kiel finde ich nicht gut und dann arbeite ich für sie", sagt Kretzschmar. Dass es dann Leipzig wurde, war auch eine emotionale Sache.

Seine ersten fünf Lebensjahre hat Kretzschmar in Leipzig verbracht, der Name Kretzschmar war da schon längst mit der Stadt verwoben. Mutter Waltraud steht noch heute in sämtlichen Bestenlisten, mit dem SC Leipzig war sie eine der besten Handballspielerinnen der DDR. Vater Peter hatte Erfolge im Feldhandball gefeiert, war anschließend Trainer beim SC und der Nationaltrainer der Frauen.

Die Frauen des HC Leipzig wurden seit 1998 sechs Mal deutscher Meister, von den Männern jedoch in erster und zweiter Liga keine Spur. "Der Männerhandball in Leipzig war tot", sagt Kretzschmar und blickt aus dem Café-Fenster. Ein alter Kollege aus Magdeburger Zeiten läuft vorbei und grüßt ihn per Handzeichen. Kretzschmar lacht auf und grüßt zurück.

"Er passt mehr zu jedem Ostverein als jeder andere"

Das Gefühl, in dieser Stadt wieder etwas aufbauen zu können, entstand vor allem bei den ersten Treffen mit Wirtschaftsvertretern. "Das waren Menschen, wo nicht nur die Tür aufging, wenn mein Name fiel, sondern die die Idee und Vision von Handball in Leipzig geil fanden", sagt Kretzschmar.

Formal ist der heute 40-Jährige lediglich ein Mitglied im Aufsichtsrat, faktisch ist Kretzschmar der Garant für erfolgreiche Sponsorengespräche. "Es ist ganz wichtig für unsere Gaubwürdigkeit", sagt Geschäftsführer Karsten Günther, "dass da eine Gallionsfigur im Handball gekommen ist und an einen Viertligisten in Leipzig geglaubt hat. Er passt mehr zu jedem Ostverein als jeder andere." Ohne ihn stünde der Verein nicht wo er heute ist, sagt Günther. Seine Fachkompetenz mache ihn auch in sportlichen Belangen zum wichtigen Ansprechpartner.

"Als ich hier hergekommen bin, ging es nicht nur darum, mal was auszuprobieren", sagt Kretzschmar. "Ich wollte es allen beweisen, dass ich auch nach der Karriere als aktiver Handballer noch was bewegen kann. Wenn man den eigenen Namen dazu nutzen kann, muss man das tun." Und Kretzschmar tat es.

Der ehemalige Linksaußen verschafft den Handballern Sponsoren, die in einer Stadt wie Leipzig rarer sind als in Industrie-Hochburgen. So konkurrieren die Handballfrauen vom HCL, Volleyballer, Basketballer und unterklassige Fußball-Klubs gegenseitig um Unterstützer. "Es ist ein harter Kampf um Sponsoren, da wird auch mal gegen einen gearbeitet", sagt Kretzschmar.

Aufwärts durch Kontakte

Nicht nur bei Wirtschaftsvertretern ist sein Name ein Türöffner. Wer wie Stefan Kretzschmar jahrelang mit den besten Handballern der Welt zu tun hatte, hat meist viele alte Bekannte. Und Kretzschmar kennt einige, die im deutschen Handball heute Entscheidungsträger sind. "Man hat in seinem Leben einen gewissen Gefallen-Katalog. Man hilft sich gegenseitig, je nachdem wer bei wem noch was offen hat", sagt er. "Momentan bin ich noch im Plus. Ich habe mehr Gefallen getan als eingefordert."

Was sich mit Kontakten alles erreichen lässt? Zweimal bekam Leipzig schon den Zuschlag für das Allstar Game, ein Zuschauergarant, über 7000 Menschen strömen dann in die Halle. Die Juniorennationalmannschaft kam für ein Länderspiel gegen Frankreich vorbei, Trainer: Kretzschmars alter Teamkollege Christian Schwarzer. Die Pokalspiele gegen den THW Kiel und die Füchse Berlin wurden live bei Sport 1 übertragen, dem Sender, für den Kretzschmar seit geraumer Zeit als Experte arbeitet. Als in den Relegationsspielen um den Aufstieg die Personalnot plagte, unterstützten den SC DHfK die ehemaligen Bundesligaspieler Joël Abati und Goran Stojanovic. Im Abstiegskampf der vergangenen Saison setzte sich Michael Biegler, Kretzschmars Trainer aus Magdeburger Zeiten, für zwei Spiele auf die Bank. Natürlich ärgert das die Konkurrenten, Kretzschmar weiß das. "Aber wenn die Regularien das zulassen, finde ich es legitim. Das würden die anderen auch machen, wenn sie könnten", sagt er.

Für den sportlichen Erfolg war die Insolvenz von Concordia Delitzsch im Jahr 2010 ein Glücksfall, einige Spieler wechselten dann nach Leipzig. "Ohne Delitzsch hätten wir den Aufstieg nie geschafft", sagt Kretzschmar, "das waren Leute mit Zweit- und sogar Erstliga-Niveau."

Der SC DHfK hat seinen Etat kontinuierlich gesteigert, von anfangs 50.000 Euro auf mittlerweile 1,4 Millionen Euro und ist in der Liga konkurrenzfähig. Auch die Zuschauer honorieren das. Natürlich dürften es gerne mehr sein, aber im Schnitt pilgern etwa 2000 Leipziger in die Arena. "Es ist schön, sein eigenes Ding aufzubauen", sagt Kretzschmar, "aber es ist auch hart."

Gespräche mit einem Geldgeber aus Katar habe es schon mal gegeben. "Wenn das Angebot langfristig angelegt ist und die eigene Identität und Selbstbestimmung nicht verloren geht, würde ich ernsthaft darüber nachdenken", sagt er. Dass Red Bull in Leipzig derzeit tatkräftig an einem eigenen Verein in der Fußball-Bundesliga werkelt, sieht Kretzschmar positiv. "Für den ganzen Osten ist das super. So eine Firma geht normalerweise nach Hamburg oder München. Es ist ein familienfreundliches Projekt und es kann kaum Randale wegen der Historie geben. Ob man emotional als Fan eine Verbindung dazu aufbauen kann, weiß ich nicht."

Für die vier Jahre in Leipzig zieht Kretzschmar ein positives Fazit. "Wir sind zweimal aufgestiegen, haben Sponsoren, die Halle gewechselt und regelmäßig Zuschauer", sagt er, muss aber auch zugeben: "Ich bin zu ungeduldig und ehrgeizig. 2015 wäre ich schon gerne in der Bundesliga."

Es ist auch der alte Ehrgeiz, der ihn wehmütig auf die aktuellen Entwicklungen in der Nationalmannschaft blicken lässt. "In der Qualifikation von zwei der letzten drei Turniere zu scheitern, ist das denkbar schlimmste, was passieren kann", sagt er. Dass die WM 2019 in Deutschland und Dänemark stattfinden wird, wird der Nationalmannschaft seiner Meinung nach wieder einen Schub geben. Ob dann auch Leipzig Austragungsort sein wird? "Ich glaube nicht", sagt Kretzschmar, "dafür fehlt in meinem Gefallen-Katalog die Spalte DHB".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: