Städtisches Klinikum:Noch tiefer in den roten Zahlen

Operation im Harlachinger Krankenhaus in München, 2012

Eine Herzoperation im Krankenhaus Harlaching. Auch diese Klinik leidet unter dem Finanzdesaster.

(Foto: Robert Haas)

Chaos am städtischen Klinikum: Das Defizit wächst auf 41 Millionen Euro, die entmachteten Geschäftsführer ernten harsche Kritik für ihre "übersichtlichen" Sanierungspläne. Und Bürgermeister Monatzeder muss seinen bisherigen Posten räumen.

Von Dominik Hutter

Die finanzielle Lage des städtischen Klinikums verschlechtert sich offenbar weiter. Laut dem Quartalsbericht, der an diesem Donnerstag in nicht-öffentlicher Sitzung dem Gesundheitsausschuss des Stadtrats vorgestellt wird, soll das Defizit für 2013 nicht bei 38,5 Millionen Euro, sondern bei etwa 41 Millionen Euro liegen - trotz diverser Sondereffekte, die sich einmalig positiv auf die Bilanz auswirken. In dem Bericht stellt die Kämmerei den Sanierungsbemühungen der Geschäftsführung erneut ein schlechtes Zeugnis aus. Hauptproblem: die niedrigen Einnahmen.

Im Rathaus wird die Lage des Konzerns als sehr ernst eingestuft. "Wir müssen erstmals von einer Insolvenzgefahr ausgehen", erklärte Oberbürgermeister Christian Ude am Mittwoch - allerdings nicht akut, sondern erst Mitte 2015. Der SPD-Politiker nimmt daher nun sämtliche Zügel selbst in die Hand: Ude will künftig nicht nur die Geschäftsführung per Lenkungskreis kontrollieren, sondern auch den Vorsitz im Aufsichtsrat übernehmen.

In das Gremium, dessen Chef bislang Bürgermeister Hep Monatzeder (Grüne) war, rückt zudem Alexander Reissl, der Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion, nach - für die SPD-Stadträtin Ingrid Anker, die bei den Kommunalwahlen im März ohnehin nicht mehr antreten will.

"So viel Gas geben wie überhaupt möglich"

Den Wechsel an der Spitze des Aufsichtsrats begründeten Ude und Monatzeder mit einer "Bündelung der Verantwortlichkeiten", die der angespannten Lage angemessen sei. Monatzeder hat Ude nach eigener Aussage selbst diesen Schritt empfohlen. "Wir wollen so viel Gas geben wie überhaupt möglich", verspricht der Oberbürgermeister, der bereits die nächste Aufsichtsratssitzung am 29. November leiten und außerdem den Vorsitz des Gesundheitsausschusses im Stadtrat übernehmen will. Ude bemühte sich, den Eindruck einer Entmachtung Monatzeders zu vermeiden. "Ich habe keinerlei Zweifel an seinen Entscheidungen", sagte der SPD-Politiker.

Würde ein Privater noch investieren?

Auch im Lenkungskreis, der am Mittwoch das erste Mal zusammenkam, soll nun alles ganz schnell gehen. Man habe sich darauf verständigt, in der nächsten Sitzung am 28. November ein externes Sanierungsgutachten auszuschreiben, das bis Ende Februar erstellt wird. Das Papier soll neben einem Maßnahmenkatalog auch einen sogenannten "Private-Investor-Test" beinhalten, also die Frage klären, ob ein Privater noch Geld in das Unternehmen investieren würde.

Der Test gilt als Voraussetzung für mögliche weitere Finanzspritzen der Stadt, die nicht gegen das EU-Beihilferecht verstoßen darf. Ude zufolge besteht immerhin keine akute Insolvenzgefahr - die Kämmerei dürfe daher die dritte und letzte Tranche des bereits 2012 beschlossenen 200-Millionen-Zuschusses auszahlen: 60 Millionen Euro. Dieses Geld reiche aus, dass das Klinikum die laufenden Kosten bis Mitte 2015 decken kann.

Von den Geschäftsführern gibt es bislang keine öffentliche Reaktion auf die Neuerungen, die die Selbständigkeit der Klinik-GmbH empfindlich beschneiden und das Unternehmen schon fast wie einen politisch geführten Eigenbetrieb erscheinen lassen. Ude zufolge soll das Trio um Elizabeth Harrison die Änderungen als Chance zur Beschleunigung des Sanierungsprozesses bezeichnet haben. Der Ärger über die Geschäftsführung ist aber nach wie vor groß.

Nach Darstellung Reissls sind deren Sanierungs-Ideen "sehr übersichtlich. Das passt auf wenig Papier". Andererseits bezeichnete Ude die Klinik-Bosse ausdrücklich als kompetent. Man werde keine Vergangenheitsbewältigung betreiben, sondern nach vorne schauen.

FDP verlangt nach einem Fachmann

In den Augen von FDP-Fraktionschef Michael Mattar kommt das Eingreifen Udes reichlich spät. Besser wäre es zudem, einen ausgewiesenen Fachmann in Gesundheitsökonomie an die Spitze des Aufsichtsrats zu stellen, "und das ist Ude sicher nicht".

Auch die CSU findet, dass ein Machtwort mehr als überfällig war - die Forderung, Ude müsse in den Aufsichtsrat, erhebt Fraktionschef Josef Schmid schon seit Jahren. Allerdings gibt es im Rathaus Zweifel, ob Ude in der kurzen Phase bis zum Ende seiner Amtszeit viel bewegen kann. Zumal der OB vor einigen Monaten schon einmal die Schlagkraft des Aufsichtsrats verstärken wollte. Dafür aber hätte man die paritätische Mitbestimmung abschaffen müssen - eine heilige Kuh der Gewerkschaften. Ude, damals im Landtagswahlkampf, knickte ein.

Ein Klinikum am Tropf

Das städtische Klinikum, das aus den Krankenhäusern Schwabing, Bogenhausen, Harlaching, Neuperlach und Thalkirchner Straße besteht, schreibt schon fast traditionell rote Zahlen - früher, als der Konzern noch ein städtischer Eigenbetrieb war, war das Defizit sogar noch höher.

Für die Stadt ist das ein teurer Spaß: Erst 2012 hat der Stadtrat beschlossen, das Eigenkapital um 200 Millionen Euro aufzustocken. Das Geld, das in drei Tranchen ausbezahlt wird, dürfte bereits Mitte 2015 aufgebraucht sein. Dann könnte erneut ein Nachschlag in dreistelliger Millionenhöhe fällig werden.

Noch dramatischer ist die Situation bei den Gebäuden. Um den aktuellen Sanierungsstau aufzulösen, so haben Experten errechnet, benötigt der Konzern rund 1,5 Milliarden Euro.

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