Neutrinos:Weltraum-Signale aus dem Eis

IceCube's Laboratory at the South Pole

Wie eine Raumstation ragt die Kommandozentrale des Teilchenforschungsdetektors "Ice Cube" aus dem Eis der Antarktis. Der eigentliche Detektor ist darunter verborgen, bis zu 2450 Meter tief im Eis eingeschmolzen.

(Foto: dpa)

Mit einem riesigen Teilchendetektor in der Antarktis haben Physiker energiereiche Neutrinos aus weit entfernten Winkeln des Weltalls aufgefangen. Diese Elementarteilchen könnten in Zukunft als Zeugen kosmischer Großereignisse dienen.

Von Patrick Illinger

Sie sind die perfekten Raumschiffe. Mit nahezu Lichtgeschwindigkeit durchfliegen sie interstellare Staubschichten ebenso mühelos wie ganze Sterne und Planeten. Auch auf elektrische und magnetische Kräfte reagieren sie nicht. Neutrinos sind die vielleicht faszinierendsten Bausteine in der Welt der Elementarteilchen.

In unvorstellbarer Menge rasen sie durch den Weltraum und reagieren fast nie mit anderer Materie. Entsprechend bekommen wir Menschen auch nichts davon mit, dass sekündlich Milliarden Neutrinos durch unsere Körper hindurchrasen.

Nur sehr, sehr selten treffen die Teilchen auf einen anderen Materiebaustein, dem sie ihre Energie übertragen und dadurch einen messbaren, manchmal sogar leuchtenden Schauer anderer Elementarteilchen erzeugen.

Illustration - Grafik - IceCube-Sensoren im ewigen Eis

5160 "IceCube"-Sensoren ("Digital Optical Modules") hängen an 86 Stahltrossen in insgesamt einem Kubikkilometer Eis

(Foto: dpa/ Jamie Yang/The IceCube Collaboration)

Um den Rätseln rund um Neutrinos auf den Grund zu gehen, haben Teilchenphysiker sieben Jahre lang einen Detektor in das ewige Eis der Antarktis gebaut.

Das einen Quadratkilometer große und bis in 2450 Meter Tiefe ins Eis eingeschmolzene Neutrino-Observatorium namens "Ice Cube" hat nun erste Ergebnisse geliefert: 28 äußerst spezielle Neutrinos will die 250-köpfige Wissenschaftlergruppe aufgefangen haben (Science, Vol. 342, S. 947, 2013). Neutrinos, die wahrscheinlich aus weit entfernten Tiefen des Universums stammen.

Neutrinos: Eines der "Digital Optical Modules" (DOM) vor seinem Einsatz

Eines der "Digital Optical Modules" (DOM) vor seinem Einsatz

(Foto: AFP)

Solche Messungen sind äußerst kompliziert, denn die meisten auf der Erde messbaren Neutrinos stammen schlicht aus der Erdatmosphäre. Sie sind Folgeprodukte der normalen kosmischen Strahlung, meist geladene Partikel, die permanent aus dem All auf die Lufthülle prasseln.

Andere Neutrinos stammen aus der Sonne, die diese Elementarteilchen massenweise als Abfallprodukt ihrer inneren Fusionsprozesse ausspeit. Neutrinos aus entfernten Winkeln des Alls müssen daher sorgfältig von der hunderttausendfach höheren Zahl sozusagen lokal erzeugter Neutrinos unterschieden werden.

Neutrinos: Über ein Bohrloch wird ein Modul in die Tiefe hinabgelassen

Über ein Bohrloch wird ein Modul in die Tiefe hinabgelassen

(Foto: AFP)

Doch die Ice-Cube-Physiker sehen Indizien dafür, dass 28 ihrer in der Antarktis gemessenen Neutrinos von weit entfernten kosmischen Objekten stammen, zum Beispiel aus der Umgebung schwarzer Löcher oder aus Supernovae, im Todeskampf berstende Riesensterne. Auch Pulsare, extrem schnell rotierende Sternenreste, könnten eine Quelle sein, ebenso wie aktive Kerne frisch entstehender Galaxien.

Vor allem ihre erstaunlich hohe Energie ist das Aushängeschild solcher extragalaktischen Neutrinos. Sie sind Hunderttausende Mal so energiereich wie Neutrinos aus dem Glutofen der Sonne, und mehr als tausendmal so energiereich wie jedes Neutrino, das in menschengemachten Teilchenbeschleunigern entsteht. Die interessanten, interstellaren Neutrinos aus Hunderttausenden anderen Ereignissen herauszuschälen, bei denen der Ice-Cube-Detektor anschlägt, ist die größte Herausforderung bei dieser Forschung.

Illustration - Grafik - Detektorspur eines Neutrinos

Eine Illustration der Detektorspur des energiereichsten Neutrinos, das jemals gemessen wurde. Die Physiker haben das kosmische Teilchen "Ernie getauft. Es hatte eine Energie von rund 1,14 Peta-Elektronenvolt und wurde am 3. Januar 2012 in der Antarktis aufgezeichnet.

(Foto: dpa)

"Für uns öffnet sich damit die Tür zu einer völlig neuen Art der Astronomie", freut sich Elisa Resconi, Physikerin an der Technischen Universität München und Mitglied der Ice-Cube-Forschergruppe.

Die Hoffnung ist, in Zukunft den Weltraum nicht mehr nur nach elektromagnetischer Strahlung abzusuchen, also nach Licht, Infrarot- oder Röntgenstrahlen, die aus dem All eintreffen und mit Teleskopen observiert werden, sondern auch mithilfe von Neutrinos. Die schwer fassbaren Teilchen können wertvolle Zeugen kosmischer Großereignisse sein.

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