"Meinungsfern" im BR:Auf ein Bierchen mit Herrn Lammert

Lesezeit: 2 min

Meinungsfern, weil entfernt von Meinung? Oder doch Meinungsfernsehen? David Reinisch im Gespräch mit Norbert Lammert. (Foto: BR/Simon Janik)

Austauschbare Phrasen von Gästen in Polit-Talkshows hat David Reinisch satt. Lieber trifft er sich mit dem Bundestagspräsidenten am Tresen und plaudert da über Politik, wo es die meisten Bürger tun. Das Konzept seiner Sendung "Meinungsfern" überzeugt.

Von Carolin Gasteiger

Was hält Norbert Lammert von der vielbeschworenen Politikverdrossenheit? Wie erklärt sich der Bundestagspräsident den Mitgliederschwund der Parteien? Und wie steht es mit der Glaubwürdigkeit von Politikern?

In einschlägigen TV-Talkshows würden diese Fragen im Sich-gegenseitig-Phrasen-an-den-Kopf-Werfen der eingeladenen Politiker untergehen - so sieht es zumindest David Reinisch. Der promovierte Volkswirt stellt sie lieber am Tresen einer Münchner Kneipe. Da, wo seiner Meinung nach die meisten Menschen über Politik diskutieren.

Mit seiner Sendung Meinungsfern will Reinisch jüngeren Zuschauern politische Inhalte vermitteln, fundiert, aber zugleich unterhaltsam. Also sind in der Pilotfolge, die am Montagabend im Bayerischen Rundfunk lief, junge Leute zu sehen (neben Reinisch gehören Franziska Litschel und jetzt.de-Mitarbeiter Christian Helten zum Team, die während der Sendung hinter der Bar stehen) und ein sichtlich entspannter Politiker.

Einfach, klar - und mit Augenzwinkern

Aber kann das funktionieren? Und ob! Die Unterhaltung geschieht zwar in lockerer Atmosphäre, ist aber fundiert. Reinisch formuliert keine banalen Fragen, verliert sich aber auch nicht in hochtrabendem Polit-Sprech, sondern bricht sein Gespräch mit Lammert auf alltägliche, bewegende Fragen herunter. Einfach, klar verständlich - und mit einem Augenzwinkern.

Lammert wirkt auf der anderen Seite unverkrampft und ungleich sympathischer als seine in Talksesseln wie Meinungen gefangenen Kollegen. Die Bereitschaft zum Engagement habe sich in der Bevölkerung verändert und die Parteien hätten diesen Trend verpennt, gibt er unumwoben zu. Allerdings ist das eine seiner wenigen knackigen Aussagen zwischen den vielen, sehr ausführlichen Antworten. An manchen Stellen wünscht man sich noch mehr Nachhaken, ein bisschen mehr Biss. Vielleicht ist eine halbe Stunde Sendezeit doch etwas knapp für Politik am Tresen.

Zumal da noch die kurzen Einspieler wären. Vor zehn Jahren spielte Reinisch in einer TV-Soap mit - nun überträgt er den Vertrauensverlust in die Parteien auf ein Telenovela-Skript. Als belebendes Element sollen die Filmchen die besprochenen Inhalte reflektieren, Unterhaltung sind sie allemal. "Es ist zumindest mal anders", so Reinisch.

Fast wie zu Hause

Meinungsfern ist nicht das erste Format, das jungen Menschen Politik wieder näherbringen will. Auch das Youtube-Projekt Jung & Naiv , in der Nachwuchsjournalist Tilo Jung keine politische Frage zu doof ist, Richard Gutjahrs Rundshow-Experiment, das an den technischen Vernetzungen scheiterte und Stefan Raabs Möchtegern-Talkshow-Alternative Absolute Mehrheit haben sich das zum Ziel gesetzt. Durchgesetzt hat sich nur Raabs Sendung, die inzwischen aber auch eine Talkshow unter vielen ist. Und kein Vorbild für Reinisch: "Telefonvotings sind auch nicht das Originellste." Er hatte das Gefühl, ein bisschen Abwechslung in den gewohnten Einheitsbrei bekannter Polittalks bringen zu müssen, sagt Reinisch zu SZ.de. "Unser Ziel war eine Politiksendung, die ein bisschen anders daherkommt."

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Allerdings muss sich sein Team mit der Planung der nächsten Episode gedulden, bis der BR das Projekt in Auftrag gibt. "Auch wenn wir letztlich viele Indikatoren erfüllen, müssen wir auf den gnädigen Finger von oben warten", sagt der 32-Jährige. Der könnte sich bald erheben, wenn die Programmverantwortlichen sich nicht nur an der mauen Einschaltquote orientieren, sondern erkennen, dass Politik für Jüngere auch unterhaltsam sein kann. In welcher Talksendung bekennt der Gast schon, dass er sich fast wie zu Hause fühle? Dazu hat bestimmt auch das extra eingeflogene Bochumer Pils beigetragen.

Wer die Sendung verpasst hat, findet sie hier in der BR-Mediathek.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: