Proteste in Kairo:Ägyptische Polizei geht gewaltsam gegen Islamisten vor

Sicherheitskräfte setzen Tränengas ein, Anhänger der Muslimbrüder werfen Steine: In Ägypten ist es einen Tag vor der Abstimmung über die Verfassung wieder zu heftigen Zusammenstößen gekommen. In der Nacht wurde ein bekannter Blogger von der Polizei verhaftet.

Die ägyptische Polizei ist am Freitag in Kairo und anderen Städten des Landes gewaltsam gegen islamistische Demonstranten vorgegangen. Diese protestierten gegen ein neues Gesetz zum Demonstrationsrecht, das nicht genehmigte Kundgebungen verbietet.

Wie Sicherheitsbeamte mitteilten, setzten Polizisten Tränengas gegen Anhänger des Anfang Juli vom Militär gestürzten islamistischen Regierungschefs Mohammed Mursi ein. Demonstranten warfen Steine und setzten Autoreifen in Brand. Die Muslimbruderschaft, der auch Mursi entstammt, hatte zu Protesten nach dem wöchentlichen Freitagsgebet aufgerufen.

Das neue Gesetz untersagt Demonstrationen, die an Andachtsorten stattfinden oder dort beginnen. Außerdem müssen Kundgebungen und Umzüge spätestens drei Tage im Voraus schriftlich bei den Behörden angemeldet und vom Innenministerium genehmigt werden.

Die Staatsmacht, die sich seit Monaten in einer Kraftprobe mit den Islamisten befindet, wendet das neue Demonstrationsrecht verstärkt auch gegen die Demokratiebewegung an. In den vergangenen Tagen wurden bereits etwa 60 Menschen aufgrund der neuen Bestimmungen festgenommen. Zum Teil wurden sie nach Aussagen von Angehörigen schlecht behandelt und mitten in der Nacht in einsamen Gegenden ausgesetzt.

In der Nacht verhaftete die Polizei den bekannten Blogger Alaa Abdel Fattah alias Sandmonkey in dessen Wohnung. Ihm wird nach Angaben von Sicherheitskräften vorgeworfen, er habe diese Woche zu einer illegalen Protestaktion aufgerufen. Die Polizei habe bei der Verhaftung Gewalt eingesetzt, hieß es aus dem Umfeld des Bloggers.

Tote bei Gewalt zwischen Christen und Muslimen

Am Donnerstag war während einer Demonstration gegen Haftstrafen für Anhängerinnen der Muslimbruderschaft ein Student von der Polizei getötet worden. In dem oberägyptischen Dorf Naslet Abied starben bei gewaltsamen Zusammenstößen zwischen koptischen Christen und Muslimen drei Männer durch Schussverletzungen. Was die Gewalt in dem Fall ausgelöst hat, war zunächst unklar.

An diesem Samstag soll das Verfassungskomitee über die geänderte Verfassung abstimmen. Der Entwurf sieht im Gegensatz zu der unter Präsident Mursi verabschiedeten Verfassung keine Rolle für die islamischen Religionsgelehrten in der Gesetzgebung vor.

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