Skifahrerin Maria Höfl-Riesch:Abhaken, weiterpudern

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Zwei verkorkste Rennen: Maria Höfl-Riesch in St. Moritz (Foto: dpa)

Maria Höfl-Riesch erlebt in St. Moritz ein ernüchterndes Wochenende. Doch das nächste Rennen ist bereits am Dienstag - und die 29-Jährige will zügig zu ihrer bislang guten Form zurückfinden. Sogar Chancen auf den Gesamtweltcup rechnet sie sich aus.

Von Michael Neudecker, St. Moritz

Gleich neben der Ziellinie haben sie einen weißen Container aufgebaut, eine Art Truck, drinnen ein Tischchen, ein Spiegel, die Pflanze steht so, dass ihre Blätter einladend aus der Tür herausschauen. Eine schlanke Dame mit Gürteltäschchen steht in dem Container, sie ist Visagistin, die Organisatoren des Ski-Weltcups in St. Moritz haben sie engagiert, denn St. Moritz ist ja nicht Zwiesel.

Die Siegerinnen der Rennen bekommen eine Louis-Vuitton-Tasche im Wert von knapp 1000 Euro, und dazu sind die Organisatoren auf diese innovative Idee gekommen: Wenn die Biathleten schon ihren Wachstruck haben, dann bekommen die Skirennfahrerinnen in St. Moritz ihren eigenen Schminktruck.

Der Schminktruck war ein Thema am Wochenende, aber die Athletinnen haben das mit Humor genommen, das Pudern vor den Interviews könne ja nicht schaden, sagte die Liechtensteinerin Tina Weirather nach ihrem Sieg im Super-G am Samstag; Mädchen wollten eben immer schön sein, sagte Maria Höfl-Riesch. Veronique Hronek aus Unterwössen, einem Dorf in Oberbayern, sagte: "Für mi' is' des nix."

Hronek, 23, ist ein sympathisch natürlicher Typ, und sie ist eine von den jungen Fahrerinnen, denen sie im Deutschen Skiverband (DSV) noch manches zutrauen für die Zukunft, wenngleich sie das in St. Moritz nicht bestätigen konnte. Im Super-G wurde sie 19., beim Riesenslalom am Sonntag schied sie im ersten Lauf aus. Letzteres war allerdings nicht völlig tragisch, es war ein tückisches Rennen, der Hang mit einer Eisschicht überzogen, die Kurssetzung anspruchsvoll, weshalb Hronek eine von 18 Läuferinnen war, die im ersten Lauf ausschieden (es gewann die Französin Tessa Worley).

Maria Höfl-Riesch schied nicht aus, das machte es für sie aber kaum besser. Sie wurde Elfte, "der erste Durchgang zum Abhaken, der zweite solide", das war ihr Fazit, knapp gehalten. Schlechte Laune kann man nicht wegschminken.

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Deutschlands bester Skifahrer geht in Val d'Isère trotz Verletzungen an den Start - und wird Zehnter. Maria Höfl-Riesch enttäuscht in St. Moritz auch im Riesenslalom. Kombinierer Eric Frenzel holt den dritten Saisonsieg. Bamberger Basketballer verlieren, deutsche Schwimmer mit zwei EM-Medaillen.

Im Super-G am Samstag war Höfl-Riesch Achte, sie erlebte also, wie Alpindirektor Wolfgang Maier formulierte, "ein ernüchterndes Wochenende". Aber Sport ist auch eine Aneinanderreihung von Momentaufnahmen, und da liegt nun die Hoffnung für Maria Höfl-Riesch: Dass dieses Wochenende nichts ändert an ihrer grundsätzlichen Situation. Es sah ja bislang so aus, als sei ihre Chance auf Siege und Titel so groß wie lange nicht mehr.

Im vergangenen Jahr hatte Höfl-Riesch im Gesamtweltcup keine Chance gegen Tina Maze, die Jahre davor hatte sie keine Chance gegen Lindsey Vonn, aber Maze kam mit dem dritten Platz am Sonntag nun erst zum zweiten Mal in dieser Saison auf das Podium, sie kämpft noch mit einem Wechsel in ihrem Trainerteam, und was Vonn angeht: Sie wird noch länger mit den Folgen ihrer Verletzung zu tun haben.

Maria Höfl-Riesch liegt jetzt in der Gesamtwertung auf Rang zwei, knapp hinter der Schweizerin Lara Gut, und weil sowohl Gut als auch die bisherige Gesamt-Zweite Tina Weirather am Sonntag ausschieden, konnte sie sogar Punkte gutmachen.

"Letztes Jahr waren nicht die Knaller dabei", sagt Höfl-Riesch, "dieses Jahr scheint der Gesamtweltcup realistischer zu sein." Aber eigentlich will sie gar nicht darüber reden, der Gesamtweltcup ist im Dezember noch weit weg, und Olympia kommt vorher. Aber, das könne man schon sagen: "Ich fühle mich besser als letztes Jahr."

Er finde, sagt Cheftrainer Tom Stauffer, sie sei "noch fokussierter und professioneller heuer", achte mehr auf die Details. Er wolle damit nicht sagen, dass sie das bislang nicht getan habe, betont Stauffer, aber es stimmt schon: Maria Höfl-Riesch wirkt in diesem Jahr ehrgeiziger als bisher. Sie hat ihr Athletiktraining verändert, sie war beim Österreicher Heinrich Bergmüller, dem sog. Schinderheini, der schon mit Hermann Maier zusammengearbeitet hat, "der Sport ist bei ihr wieder voll im Vordergrund", sagt Alpinchef Maier.

Diese Saison ist eine Olympia-Saison, die Spiele in Sotschi werden ihre letzten sein, das hat sie bereits angekündigt, denkbar ist gar, dass sie 2014 aufhört. "Wahrscheinlich hängt es damit zusammen", sagt Stauffer. "Sie steht prinzipiell schon sehr gut auf dem Ski diese Saison", findet er.

Bei der Nordamerika-Tour gewann sie beide Abfahrten in Lake Louise, den Super-G hätte sie womöglich auch noch gewonnen, wenn sie nicht an einem Tor vorbeigefahren wäre. Sie hat sich danach öffentlich beschwert, dass "ein Trainer" ihr eine falsche Anweisung für die Anfahrt auf dieses Tor gegeben habe - der Trainer, der an jenem Tor positioniert war, war Stauffer.

"Ein Missverständnis" sei das gewesen, sagt Höfl-Riesch jetzt, sie habe Stauffer falsch verstanden oder er habe sich falsch ausgedrückt, wie auch immer, "wir haben uns ausgesprochen". Das Thema sei erledigt, sagt auch Stauffer. Eine Athletin, bei der ein einziger Torfehler viel Wut auslöst, ist für einen Trainer ja nur gut.

Zumal auch Stauffer weiß, unter welchem Druck eine Athletin wie Maria Höfl-Riesch steht, allein dadurch, dass sie in allen Disziplinen fährt. Derzeit ist es wieder mal besonders heftig: Am Sonntagnachmittag ist sie, um Zeit zu sparen, mit dem Helikopter nach Courchevel geflogen, am Montag absolviert sie dort ein Slalomtraining, am Dienstag schon findet das Rennen statt. Am Mittwoch ist dann das erste Training für die Abfahrt am Samstag in Val d'Isère angesetzt, weshalb sie nun tatsächlich in fünf Tagen in vier verschiedenen Disziplinen an drei Orten fährt.

Nur schlecht muss das allerdings nicht unbedingt sein: Jedes neue Rennen bietet die Chance, das letzte zu vergessen.

© SZ vom 16.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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