Schwarz-grüner Koalitionsvertrag in Hessen:Einmütig bei Bildung, Schuldenbremse und Flughafen

Bei der Vorstellung des hessischen Koalitionsvertrages liefern Ministerpräsident Bouffier und sein neuer Regierungspartner Al-Wazir von den Grünen eine harmonische Präsentation ab. Beide betonen die Einigung in den Bereichen Finanzen und Bildung. Bouffier gibt aber zu, es sei der CDU schwer gefallen, den Frankfurter Flughafen in die Obhut des Partners zu geben.

Der hessische CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier und der hessische Grünen-Vorsitzende Tarek Al-Wazir haben in Wiesbaden ihren Koalitionsvertrag vorgestellt (hier im PDF-Format). Er sehe ihn als "tragfähiges Fundament" für fünf Jahre Regierungsarbeit, sagte Bouffier. "Wir denken in Werten und nicht in Strukturen."

Bouffier und Al-Wazir betonten bei all ihrer gewonnenen neuen Nähe, dass ihre Koalition kein Modell sein solle. "Wir wollen hier nichts überhöhen", sagte Al-Wazir. Diese Koalition sei nur zustandegekommen, weil das, was beide Parteien vorher gewünscht hatten, nicht möglich war. Er meinte Rot-Grün oder Schwarz-Gelb. Beide Wunschoptionen hatten bei der Wahl keine Mehrheit bekommen. Der Regierungschef sagte: "Das ist eine hessische Lösung."

Der Christdemokrat sprach von einem gemeinsamen Werk, das in einem gemeinsamen Geist geschaffen worden sei. Dennoch würden beide weiter unterschiedliche Parteien führen, sagte Bouffier. "Aber wir haben so viel gemeinsam, dass es sich lohnt." - vor allem in den Bereichen Finanzen, Bildung und Wirtschaft.

Bouffier sagte, die neue Regierung werde die Schuldenbremse einhalten, ab 2020 werde Hessen keine neuen Schulden mehr machen. Dies verlange schmerzhafte Einschnitte beim Personal, sagte er. Ausgenommen seien Kinderbetreuung und Bildung, die beiden Parteien am Herzen lägen. Da die Geburtenrate auch in Hessen zurückgehe, würden aber in Zukunft weniger Lehrer gebraucht. Das so frei werdende Geld werde komplett weiter in die Bildung investiert.

Neben der Schuldenbremse sprach auch der Grüne Al-Wazir vor allem über die Bildungspolitik. Er hob die Betreuungsgarantie für die Grundschule heraus und zeigte sich zufrieden mit der Wahlfreiheit, die die künftige Koalition den Eltern einräumen wolle, zum Beispiel bei der Wahl zwischen acht- und neunjährigem Gymnasium sowie der Entscheidungsfreiheit für ein längeres gemeinsames Lernen.

Al-Wazir wird in der Landesregierung das Ministerium für Wirtschaft und Verkehr übernehmen. In seine Zuständigkeit fällt damit auch der Frankfurter Großflughafen. Der war bis zuletzt einer der größten Streitpunkte gewesen. Bei der heutigen Pressekonferenz blieben die beiden künftigen Koalitionäre bei diesem Thema auch relativ vage. Sie zeigten sich aber zuversichtlich einen Ausgleich zu finden zwischen den Lärmschutzinteressen der Anwohner und den wirtschaftlichen Interessen der Betreibergesellschaft und der Fluggesellschaften. Hier wird es in nächster Zeit vor allem darum gehen, konkrete Flugverbotszeiten auszuhandeln. Im Gespräch sind regelmäßige Lärmpausen von sieben Stunden für die Anwohner durch die abwechselnde Nutzung von Bahnen.

Beim Thema Umweltpolitik sprach Al-Wazir von ehrgeizigen Zielen. Laut Vertrag bekennen sich beide Parteien zu einer 100-prozentigen Energieversorgung aus erneuerbaren Energien bis 2050. Noch in dieser Legislaturperiode soll im Strombereich der Anteil der erneuerbaren Energien verdoppelt werden. Er sei überzeugt, dass dieser Koalitionsvertrag Hessen grüner machen werde, sagte Al-Wazir.

Am Samstag müssen die Parteitage von CDU und Grünen dem Koalitionsvertrag zustimmen. CDU-Vorstand und Landtagsfraktion der Union stimmten dem Abkommen laut Bouffier bereits einstimmig zu. Dies sei auch eine Ermutigung für den Parteitag, sagte der amtierende Ministerpräsident. Al-Wazir sagte, er sei sicher, bei der Mitgliederversammlung eine Mehrheit zu bekommen Sollte es dazu kommen, würde es in Hessen die erste schwarz-grüne Landesregierung in einem deutschen Flächenland geben. Ein solches Bündnis hatte es bislang nur im Stadtstaat Hamburg gegeben. Am 18. Januar soll der Landtag dann zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen, um Bouffier im Amt zu bestätigen.

Sechs schwarze Ministerien, zwei grüne

Die Grünen bekommen neben dem Ministerium für Wirtschaft und Verkehr das Umweltministerium, das die Bundestagsabgeordnete Priska Hinz übernehmen soll. Die restlichen Posten (Finanzen, Inneres, Kultus, Wisschenschaft, Justiz, Soziales) besetzt die CDU. Laut eigener Aussage fiel es der Union vor allem schwer, das umfangreiche Ministerium für Wirtschaft und Verkehr den Grünen zu überlassen. Aber man habe Vertrauen zueinander gefunden, sagte Bouffier.

Der hessische Landtag galt bis zur Landtagswahl als der mit dem härtesten Umgangston in ganz Deutschland - tief gespalten zwischen dem rot-grünen und dem schwarz-gelben Lager. Bouffier und Al-Wazir lobten nun das Ende dieses Zustands. Man werde auch über den 18. Januar hinaus nicht mit Wattebäuschchen werfen, aber es gelte nun, diese neue Kultur zu bewahren, sagte der Grüne. Ähnlich äußerte sich CDU-Mann Bouffier: "Es war erforderlich, diese Lager zu überwinden", um etwas zu schaffen, was sich die hessische CDU vor vier Monaten noch nicht habe vorstellen können.

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