Check-Ups beim Arzt:Wenn Vorsorge nur dem Arzt nutzt

Prostata-, Haut- oder Brustkrebs: Millionen Deutsche gehen regelmäßig zur Vorsorge zum Arzt. Doch Deutschlands oberster Medizinkontrolleur stellt den Sinn mancher Untersuchungen infrage. Bei vielen Vorsorge-Checks gehe es auch um die finanziellen Interessen der Ärzte.

Der oberste deutsche Medizinkontrolleur Jürgen Windeler hat den Sinn vieler Vorsorgeuntersuchungen in Arztpraxen infrage gestellt. Nach wissenschaftlichen Kriterien seien unter anderem die Tastuntersuchung nach Prostatakrebs, der regelmäßige allgemeine Check-up und das Hautkrebs-Screening fragwürdig, sagte der Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) der Berliner Zeitung.

Die Patienten müssten sich darüber im Klaren sein, dass es bei den Vorsorgeuntersuchungen auch um handfeste ökonomische Interessen der Ärzte gehe. Windeler verlangte eine nüchterne Debatte über Sinn und Zweck der Angebote sowie eine bessere Information über Vor- und Nachteile. "Den Versicherten wird mit einigen Kampagnen ja geradezu ein schlechtes Gewissen eingeredet, wenn sie nicht zu einer Früherkennung gehen.

Schaden und Nutzen dicht beieiander

"Prominente, die vermutlich nicht wissen, was sie da tun, werden für Werbung eingespannt", so Windeler. Nutzen und Schaden derartiger Untersuchungen lägen jedoch häufig dicht beieinander. Konkret begründete Windeler seine Warnung nicht. Das IQWiG ist ein unabhängiges wissenschaftliches Institut und untersucht den Nutzen und den Schaden medizinischer Maßnahmen für Patienten. Es arbeitet im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses und des Gesundheitsministeriums.

Kritiker argumentieren immer wieder, dass es bei Vorsorgeuntersuchen auch zu Fehldiagnosen komme, im schlimmsten Falle auf Grund einer Fehldiagnose sogar operiert werde, sich die Gesundheitskosten langfristig aber dennoch nicht senken ließen.

Das Bundesgesundheitsministerium verwies am Samstag darauf, dass der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Kassen und Kliniken entscheidet, welche Leistungen von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden. Dies geschehe auf wissenschaftlicher Grundlage. Ein Sprecher der Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen sagte, der Leistungskatalog der Kassen umfasse ein breites Spektrum an Vorsorgeuntersuchungen. "Das Problem bei vielen darüber hinausgehenden Zusatzleistungen von Ärzten ist, dass sie mehr dem Portemonnaie des Arztes dienen als der Gesundheit des Patienten", so der Sprecher.

Nutzen ist Ansichtssache

Die gesetzlichen Kassen übernehmen eine Reihe von Vorsorgeuntersuchungen, darunter diverse für Kinder und Jugendliche, alle zwei Jahre ein Hautkrebsscreening für Männer und Frauen ab 35 sowie verschiedene andere Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung. Anspruch auf einen allgemeinen Check-up haben Patienten ab einem Alter von 35 Jahren alle zwei Jahre. Darüber hinaus bieten viele Ärzte sogenannte individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) an, die Patienten selbst zahlen müssen. Dazu zählen Ultraschalluntersuchungen der Brust zur Krebsvorsorge, Untersuchungen zur Früherkennung von Grünem Star (Glaukom) oder die Professionelle Zahnreinigung bei Erwachsenen, die nicht an Paradontitis leiden.

Nach Einschätzung der gesetzlichen Kassen bringen die meisten solcher Angebote keinen erwiesenen Nutzen, die Ärzte sehen das anders. Erklärtes Ziel der Politik ist mehr Gesundheitsvorsorge. Nach dem Scheitern eines Präventionsgesetzes in der letzten Legislaturperiode im Bundesrat plant die schwarz-rote Koalition nun einen neuen Anlauf. Im Koalitionsvertrag verständigten sich CDU, CSU und SPD darauf, die Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern und die ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen bei Erwachsenen zu stärken. Die Kassen sollen deutlich mehr für Vorsorge ausgeben als bisher.

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