Konferenz des Chaos Computer Clubs:Assange-Kritiker stören Video-Übertragung

30. Chaos Communication Congress

Julian Assange spricht auf dem Kongress des Chaos Computer Clubs

(Foto: Angelika Warmuth/dpa)

Er feiert sich als Held der Informationsgesellschaft. Doch der Wikileaks-Frontmann Julian Assange ist in der Hacker-Szene umstritten. Während seiner Video-Botschaft auf einer Konferenz des Chaos Computer Clubs fiel das Bild aus - wohl nicht zufällig.

Von Hakan Tanriverdi, Hamburg

Julian Assange lacht. Er weiß nicht, ob es dieses Mal klappen wird. Das Ziel ist, ihn per Videokonferenz nach Hamburg zu schalten, aber die Technik streikt offensichtlich. Kaum ist Assange länger als fünf Sekunden zu sehen, kommt es zu technischen Problemen. Es wird kein Audiosignal übertragen. Die Besucher der Konferenz des Chaos Computer Clubs sehen, wie sich der Mund von Assange bewegt, aber sie hören nicht, was er sagt. Oder die Verbindung bricht gleich komplett zusammen und das Bild von Assange verschwindet von der Leinwand in dem Saal.

Es läuft nicht wie geplant, so viel ist klar. Assange ist per Skype zugeschaltet. Microsofts Chatprogramm überträgt Videos mal mehr, mal weniger stabil. Als das Bild ausfällt, scherzen Zuschauer, dass hier wohl der US-Geheimdienst NSA seine Finger im Spiel habe.

Doch der Grund dafür, dass die Verbindung zu Assange kontinuierlich unterbrochen wird, hat wenig zu tun mit den Interessen eines Geheimdienstes oder dem Programm, das Assange nutzt. Es ist ein Zeichen des Protests einiger anwesender Hacker.

Was ist passiert? Ein Account des Chaos Computer Clubs twittert: "Die Backbone-Box in Halle 1 wurde manipuliert :(". Die technische Sprache beschreibt eine kleine Sabotage: Jemand hat einen Stecker gezogen und so die Internetverbindung unterbrochen.

Erst gefeiert, jetzt kritisiert

Noch vor wenigen Jahren wurde Assange auf der Jahrestagung des Chaos Computer Clubs gefeiert. Deutsche und internationale Hacker lauschtem dem Wikilekas-Frontmann. Jetzt gibt es auch Kritik. "Wir wollten diesem Arschloch keine Bühne bieten", sagt einer, der über die Aktion Bescheid wusste.

Offiziell bestätigt der Chaos Computer Club nicht, dass jemand auf der Konferenz den Auftritt Assange gestört hat. Constanze Kurz, Sprecherin des Clubs, spricht auf Nachfrage nur von einer "kurzfristigen technischen Schwankung."

Die Entscheidung, dass Assange auf der Konferenz namens Chaos Communication spricht, passt vielen Menschen vor Ort nicht. Gegen den Mann hinter Wikileaks wird in Schweden ermittelt. Der Vorwurf: Vergewaltigung. Seit Juni 2012 hält sich Assange in der ecuadorianischen Botschaft auf. Der oberste britische Gerichtshof hatte kurz zuvor entschieden, dass Assange nach Schweden ausgeliefert werden darf. Assange wiederum glaubt, Schweden wäre nur der erste Stopp einer Reise, die in den Vereinigten Staaten enden könnte - im Gefängnis. Bis heute liegt in den USA keine Anklage gegen Assange vor - laut Washington Post sei auch in der Zukunft nicht damit zu rechnen.

Vorwurf: Vergewaltigung - passt das zum Chaos Computer Club?*

Assange misstraut diesen Botschaften und entzieht sich dem Prozess in Schweden. Der soll klären, ob er mit einer Frau Geschlechtsverkehr hatte, während sie schlief. Eine zweite Frau hat angegeben, dass Assange beim Sex mit ihr auf ein Kondom verzichten wollte - daraufhin habe sie ihre Beine zusammengepresst und versucht, nach einem Kondom zu greifen. Assange habe ihre Arme festgehalten und versucht, sie ohne Kondom zu penetrieren.

Diese Vorwürfe und Assanges Umgang mit ihnen passen für manche Mitglieder des Chaos Computer Clubs nicht zur Haltung der Hackervereinigung. Der Club tritt als moralische Instanz auf, kritisiert etwa die Übergriffe durch Geheimdienste auf die digitale Privatsphäre. Er ist parteipolitisch ungebunden und versucht, so neutral wie möglich aufzutreten. Alles soll inhaltlich begründet werden, und nicht durch andere Interessen.

Wer auf dem Kongress spricht, dessen Ansehen steigt in der Szene. Assange darf auf der prominentesten Bühne sprechen. Saal 1 ist komplett überfüllt, die Brandschutzregeln, nach denen sich keiner auf dem Boden sitzend die Fluchtwege blockieren darf, werden ignoriert.

Clubsprecherin Kurz betont, dass die Entscheidung für Assange eine inhaltliche gewesen sei: Thematisch habe das, was er und sein Mitredner Jacob Appelbaum angekündigt haben, gut auf den Kongress gepasst. Über die Vorwürfe hätten sich die Organisatoren kein Urteil anmaßen wollen. "Mag sein, dass wir mehr diskutieren hätten sollen, aber für uns war das in der Planung ein Vortrag von vielen", so Kurz. "Das kann man uns zum Vorwurf machen."

Applaus für Snowdens Begleiterin

Die Rede trägt den Titel "Systemadministratoren aller Länder, vereinigt euch." Sie sind Assange zufolge eine Klasse für sich, die besonders nahe an der Quelle sitze, an Geheiminformationen. Sie sollten sich dieser Macht bewusst werden und sich dafür entscheiden, Geheimnisse zu veröffentlichen. So wie es Edward Snowden getan hat, oder die Wikileaks-Informantin Chelsea Manning, die die US-Botschaftsdepeschen und Protokolle aus dem Irak- und Afghanistan-Krieg an die Plattform weitergegeben hatte.

Und doch gibt es Beifall für Wikileaks. Allerdings nicht, während Assange oder Appelbaum reden, sondern als Überraschungsgast Sarah Harrisson die Bühne betritt. Sie hatte den Whistleblower Snowden während seiner Flucht begleitet. Dafür stehen die 3000 Menschen auf und klatschen.

*In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass Julian Assange in Schwedern angeklagt sei. Dies ist nicht der Fall. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

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