Geschlechterkampf ums Auto:Frau am Steuer

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Auch wenn Männer das selten wahrhaben wollen: Die Beziehung von Frauen und Autos geht meist weit über das Dekorative hinaus.

(Foto: Harmen Piekema)

Männer und ihre Autos verbindet oft eine unzertrennliche Beziehung, in der für das weibliche Geschlecht wenig Platz bleibt. Dabei gehen viele automobile Pionierleistungen auf Frauen zurück. Jetzt greifen sie eine der letzten Männerbastionen an.

Von Alexandra Felts

Es fing alles so verheißungsvoll an. Nur es und er. Aber schon musste sie sich einmischen. Die Frau. Und aus dem hoffnungsvollen Bund fürs Leben zwischen Auto und Mann wurde schlagartig ein Dreiecksverhältnis: Schlampig und schwierig wie diese gerne sind, gab es fortan immer wieder Anlässe zu Eifersucht, Missgunst und Spott. Es gab aber auch Phasen der Toleranz, gar der Annäherung. Denn seit das Auto erfunden wurde, melden Männer und Frauen gleichermaßen Besitzansprüche an. Manche Männer mögen das weibliche Geschlecht zwar noch immer als Fremdkörper hinterm Steuer betrachten. Aber sie war tatsächlich von Anfang an mit dabei bei der Entdeckung der individuellen Mobilität.

Die Pionierarbeit der Madame de Mortemart

Wenig ist leider über den Herzog d'Uzès überliefert, aber der Aristokrat muss ein für die damalige Zeit sehr liberaler Ehemann gewesen sein, schließlich legte seine Gattin Anne de Mortemart im Frühling 1898 in Paris erfolgreich die Fahrprüfung für den selbstbewegenden Wagen ab. Die 51-jährige Frauenrechtlerin am Steuer ihres Zweizylinder-Delahaye war nicht nur die erste Französin, sondern der erste Mensch überhaupt, dem die Fahrerlaubnis erteilt wurde. Elf Jahre später erwarb dann Frau Amalie Hoeppner aus Leipzig den ersten offiziell ausgestellten Führerschein des deutschen Kaiserreichs. Auch hier gab es einen Herrn Hoeppner, der sein Plazet zur Pioniertat gab.

Es sollte in Deutschland tatsächlich bis 1958 dauern, bevor sich Frauen ohne Einverständnis von Vater oder Ehemann zur Fahrschule anmelden durften. Heute läuft laut Kraftfahrt-Bundesamt jeder dritte Pkw auf den Namen einer Frau, jeder zweite Führerschein trägt eine weibliche Handschrift (eine Entwicklung, von der bekanntlich die Frauen in Saudi-Arabien noch träumen). In den frühen Jahren war die Freiheit, individuell mobil zu sein, vor allem ein Privileg der Adligen und Industriellentöchter. Sie konnten sich das neue Luxusaccessoire Auto leisten und sich auch lässiger über gesellschaftliche Konventionen hinwegsetzen.

Das erste Auto: Carl baute, Bertha fuhr

In den Annalen der Automobilgeschichte wird die Herzogin d'Uzès übrigens in bemerkenswerter Personalunion auch als erster Verkehrssünder geführt. Knapp zwei Monate nach ihrer Fahrprüfung brauste sie mit angeblich fünfzehn Kilometern pro Stunde an einem Polizisten vorbei. Da nur zwölf km/h innerorts erlaubt waren, wurde sie aufgeschrieben. Daraus lernen wir vor allem zwei Dinge: Frauen waren die ersten amtlich erfassten Raser und, zweitens, kaum waren Autos und Führerscheine erfunden worden, hatte ein Spielverderber auch an Tempolimits gedacht. Madame gründete übrigens in den Zwanzigerjahren auch den ersten Automobilklub für Frauen in Frankreich.

Aber wer hat's erfunden, das Auto? Natürlich die Deutschen. Und wer hat die erste Probefahrt absolviert? Natürlich eine Deutsche. Bertha Benz, die Stammmutter aller Frauen, die den Ruf des Benzins in sich spüren, konnte sich glücklich schätzen. Obwohl sie vermutlich nicht ahnte, dass es der Atem der Geschichte war, der sich in Form von Gestank in der Werkstatt ihres Gatten Carl ausbreitete, war sie hautnah dabei, als der Patent-Motorwagen Gestalt annahm. Man sagt Frauen nach, dass sie im Gegensatz zu Männern rationaler und pragmatischer mit dem Thema Auto umgehen. Also packte Bertha ihre beiden Söhne in das dreirädrige Cabrio und fuhr im Jahre 1888 schlicht von A nach B. Aber kaum, dass eine zarte Hand ans Steuer griff, gab es auch schon die ersten Skeptiker, die bezweifelten, dass sie überhaupt dazu in der Lage gewesen wäre - Frauen und Technik. Sie übersahen dabei, dass Frau Benz vorher viel Zeit in der Werkstatt ihres Mannes verbracht hatte. Vermutlich konnte sie auch einparken.

Das T-Wort: Waffe im Geschlechterk(r)ampf

Seit Frauen hinterm Lenkrad Platz nehmen, begleitet sie das T-Wort. Es erwies sich als eine der wirksamsten Waffen im Geschlechterk(r)ampf ums Auto. Erst kürzlich bekannten Frauen in einem Werkstatttest des Bayerischen Rundfunks ihre Ängste im Umgang mit dem mehrheitlich männlichen Personal der Garage, ihre Sorge, die technischen Begriffe nicht zu verstehen und bei der Rechnung übers Ohr gehauen zu werden. Ob sie sich vom Waschmaschinen-Kundendienst oder vom Mobilfunkanbieter auch so schnell ins Bockshorn jagen ließen? Vorurteile bedient man aber leider, in dem man sie bestätigt. Zwar versteht auch nicht jeder Mann intuitiv den Begriff der Zylinderkopfdichtung, aber er hat meist gelernt, technische Kompetenz wenigstens zu simulieren.

Diese Einstellung wäre für Dorothy Levitt nie in Frage gekommen. Die Engländerin, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts selbst den schönen Namen Motorina gab und als erste Rennfahrerin gilt, fand neben ihren Rekordfahrten Zeit, ein Handbuch für die automobile Frau zu schreiben. In "The Woman and the Car: A Chatty Little Handbook for All Women Who Motor or Want to Motor" gab sie nicht nur pfiffige Ratschläge zur Pannenhilfe. 1914 griffen Hersteller ihre Idee auf, das Spiegelchen aus der Handtasche zu benutzen, um den rückwärtigen Verkehr im Auge zu behalten. So war der Rückspiegel geboren.

Weibliche Schrauberlehrlinge

Die verwegene Mrs. Levitt hätte ihre Freude an dem "Grease Girl" gehabt . In ihrem gleichnamigen Blog erzählt die Amerikanerin Kristin Cline begeisternd, wie sie zur Zeit an ihrem restaurationsbedürftigen 1955er-Studebaker selbst Hand anlegt. Längst gibt es aber auch hierzulande Frauen, die in wachsender Zahl Werkstätten Gleichgesinnter besuchen, um in die einst eifersüchtig gehüteten Geheimnisse des Autos eingeführt zu werden.

Wohin soll das noch führen, mag sich manch ein männlicher Zeitgenosse fragen, wenn Frauen jetzt auch noch die Bastion Schrauben und die gepflegte Fachsimpelei für sich entdecken? Das schwache Geschlecht hat doch lackierte Fingernägel, die außerdem beim Erstkontakt mit einer Sportwagentür sofort brechen. Diese zarten Wesen hatten doch früher nicht wirklich die Kraft, eine Kurbel anzuwerfen, umständlich Reifen zu wechseln oder den Fliehkräften eines Rennwagens in der Kurve Stand zu halten. Schlimmstenfalls würden Mannweiber aus ihnen werden.

Frauenversteher in den Vorstandsetagen

Diese Litanei begleitet Frauen, seit sie das Automobil auch für sich erobert haben. Warum aber haben Männer so oft mit Häme und Hohn reagiert? Weil das ewig Weibliche, das ebenfalls dem Lustobjekt Auto erlegen ist, irgendwie immer noch ein Tabubruch ist? Es sei denn, ein schönes Model schmiegt sich ohne Besitzansprüche dekorativ ans begehrte Auto.

Interessanterweise wirkt die Werbung der Hersteller vor dem Zweiten Weltkrieg oft sehr viel fortschrittlicher als heute, weil sie gezielt die Frauen als Fahrerinnen und Käuferinnen in Szene setzte. Damals gab es sicher auch schon selbsternannte Frauenversteher in den Vorstandsetagen, aber dieses rätselhafte Ding namens Frauenauto wurde erst sehr viel später erfunden. Natürlich waren auch früher schicke Damen zum Shoppen und zum Freundinnentreff mit dem eigenen Gefährt in die City. Aber ihr Frauenauto wog durchschnittlich drei Tonnen, verfügte kaum über technische Hilfsmittel wie Servolenkung oder einem durchgängig synchronisierten Getriebe, und es war nicht knuffig.

Frauen im Motorsport: Licht und Schatten

Man muss nur einmal in einem so spannenden Buch wie "Fast Ladies" von Jean-Ferancois Bouzanquet lesen, um zu erfahren, wie viel schnelle Frauen es auch gegeben hat. Von den ersten blaublütigen Rennfahrerinnen bis zu den wenigen Formel-1- und Rallye-Pilotinnen späterer Jahre sieht man bildschöne, charmant wirkende Frauen für die das Beherrschen der Maschine und der Wille zum Sieg so selbstverständlich zu sein schienen, wie der Griff zu Lippenstift und Puder. Was man auf den Bildern natürlich nicht sieht: Die Rückschläge und Enttäuschungen beim Versuch, sich in einer Männerdomäne zu etablieren.

Und jetzt steht mit der Ingenieurin Mary Barra die erste Frau an der Spitze eines Autoherstellers. General Motors wagte das Unerhörte. Das Car Girl hat übrigens lackierte Fingernägel.

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