Holger Badstuber beim FC Bayern:Nur nichts überstürzen

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"Ich bin gesund, ich habe wieder ein Kreuzband": Holger Badstuber (Foto: dpa)

Zwei Kreuzbandrisse, 13 Monate ohne Fußball - obwohl Holger Badstuber den Fußball vermisst, ermahnt er sich im Trainingslager des FC Bayern selbst zur Geduld. Sein Trainer Pep Guardiola kann sich diese Zurückhaltung leisten.

Von Philipp Selldorf, Doha

Im Gegensatz zu seinem Schalker Innenverteidiger-Kollegen Kyriakos Papadopoulos ist Holger Badstuber gern bereit, von seiner Krankengeschichte zu erzählen. Papadopoulos, Schalkes Berserker vom Dienst, will nicht mehr an die mehr als ein Jahr dauernde Zeit im Krankenstand erinnert werden.

"Ich möchte nicht darüber sprechen, was war, sondern es geht darum, was jetzt ist", hat er im Trainingslager in Doha amtlich mitgeteilt, und wenn er auch nicht gesagt hat, dass er weiteres Nachfragen mit einer seiner berüchtigten Grätschen bestrafen werde, so hat er doch hinreichend grimmig geguckt. Der griechische Nationalspieler, den eine vielfältige Knieverletzung von seinem Beruf und seiner Leidenschaft ferngehalten hatte, steht jetzt wieder auf dem Platz, das zählt für ihn. "Ich mache die ganze Vorbereitung und bin schmerzfrei, ich fühle mich gut und alles ist super", so redet er, weil er es genauso sehen will.

Badstuber, 24, steht noch nicht auf dem Trainingsplatz, aber er bewegt sich zumindest schon ein wenig drum herum. Damit er sich dabei nicht einsam und verlassen fühlt, ist er mit den Anderen ins Trainingscamp nach Doha geflogen. Zwei Kreuzbandrisse hat er hinter sich, seit 13 Monaten muss er auf Fußball verzichten, das glanzvollste Jahr, das dem FC Bayern in seiner Geschichte widerfuhr, erlebte er als Zuschauer, und die WM in Brasilien wird wohl auch ohne ihn stattfinden; nun aber wähnt er sich auf geradem Weg zurück in die Mitte der Fußballwelt.

Trainingslager in Katar
:FC Bayern gewinnt gegen Sudans Meister

Das erste Spiel 2014 gewinnen die Fußballer vom FC Bayern souverän. 2:0 steht es am Ende gegen den sudanesischen Meister Al-Merrikh. Trainer Guardiola nutzt das Testspiel für Experimente.

"Ich bin gesund, ich habe wieder ein Kreuzband", rief er am Donnerstag im Mannschaftshotel "Grand Heritage" aus, so dass es noch die bengalischen Gärtner draußen in den Blumenbeeten hören konnten, und auch er möchte mit einer Deklaration wie dieser die Zweifel unterdrücken - auch und besonders die eigenen.

Badstuber, der immer ein außerordentlicher ehrgeiziger Spieler war, muss sich zur Geduld ermahnen, er vermisst Ball und Rasen sehnsüchtig, doch er möchte von sich glauben: "Man ist vielleicht nicht mehr so verbissen, relaxter, man schätzt, was man hat". Sami Khedira, seinem ebenfalls kreuzbandversehrten Mitspieler aus dem Nationalteam, hat er während der Reha in Donaustauf geraten, nichts zu überstürzen. Mit Erfolg, wie er meint: "Er ist ein guter Junge", sagt Badstuber. Es klingt gönnerhaft, aber es ist solidarisch und aufmunternd gemeint.

Bayern-Trainer Pep Guardiola kann sich Geduld mit seinen Verletzten leisten. Bastian Schweinsteiger und Arjen Robben drehen in Doha ihre Runden um die makellos gepflegten Trainingsplätze, bald werden sie sich wieder in den Kader einreihen, und dann wird Badstuber der einzige sein, der noch fehlt.

Nebenan, nicht weiter entfernt als anderthalb Manuel-Neuer-Abschläge, würde Jens Keller gern ebenso geduldig sein wie sein spanischer Kollege. Mit Keller kann man hervorragend über Verletzungen reden, er kennt sich aus. Aus eigener Erfahrung, weil er in seiner aktiven Zeit selber wegen eines Kreuzband- und eines Knorpelschadens jeweils ein Jahr außer Dienst war; und aus der Erfahrung, die er nun als Coach in Schalke gemacht hat.

Kurz vor dem Start nach Doha erfuhr er, dass ihn Klaas-Jan Huntelaar, Julian Draxler und Leon Goretzka aus medizinischen Gründen nicht begleiten würden, und das Versprechen, dass der an den Mandeln operierte Goretzka hinterher reisen könnte, erfüllte sich ebenso wenig wie die Hoffnung, dass Draxler zum Rückrundenstart wieder mitspielen könnte. Stattdessen musste die Diagnose beim Nationalspieler modifiziert werden, nun ist er wegen seines Sehnenrisses im Oberschenkel komplett stillgelegt worden, an Bewegung geschweige denn Training ist noch mindestens zwei Wochen nicht zu denken.

Auch Kellers Freude über den neuen Mittelfeldspieler Jan Kirchhoff wich schnell der Trübsal: Nach einem Zusammenstoß mit dem Nachwuchsspieler Marcel Sobottka in der zweiten Trainingseinheit war der 22-Jährige unglücklich gestürzt. Zunächst hatte Kirchhoff verkündet, er habe nur eine Prellung, am nächsten Tag musste er dann doch noch mal untersucht werden, am übernächsten flog er heim nach Deutschland zur Operation, und nun fehlt er sechs Wochen. Das klingt nach einer irgendwie typischen Schalke-Geschichte.

Selbst die Torhüter fielen aus

Es würde zu lange dauern, die Verletzungen aufzuzählen, die sich in Schalke im Laufe dieser Saison ereigneten. Selbst die drei Torhüter hatten ihre Zwangspausen. Einfacher ist es, diejenigen zu nennen, die immer gesund waren: Der eine ist Roman Neustädter, der andere Joel Matip.

"Wenn man die Liste kennt, verzweifelt man und fragt sich: Was habe ich denn eigentlich verbrochen?", sagt Keller. Kreuzbandrisse (Höger, Aogo), Bänderrisse (Huntelaar), Brüche (Szalai) Muskelverletzungen (u.a. Höwedes, Farfán, Clemens), langwierige Hals-Entzündungen (Goretzka) - es gibt kein Verletzungsmuster, aber viele Gründe, warum Keller bisher nur ein einziges Mal zwei Spiele hintereinander dieselbe Startelf aufbieten konnte.

"Entweder ist es Pech oder Unglück - ich weiß nicht, wie man's sonst nennen soll", sagt er. Kellers Pech ist, dass die Anhänger trotzdem gute Spiele und gute Ergebnisse erwarten. Weitere Wintereinkäufe will Schalke auch deshalb nicht ausschließen.

© SZ vom 10.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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