Fünf Jahre Präsident Obama:Kampf um das eigene Image

Obama bemoans inequality in political comeback bid

US-Präsident Barack Obama bei einer Rede Ende Dezember 2013.

(Foto: AFP)

Raus aus der Defensive: Ein exklusives Interview nutzt Obama zur Selbstinszenierung. Trotz aller Kritik sieht er sich in einer Reihe mit Präsidenten wie Lincoln oder Johnson und kämpft darum, Amerika gerechter zu machen. Ausgerechnet in der Außenpolitik fühlt er sich oft missverstanden.

Von Matthias Kolb

Jeder Schritt, den Barack Obama macht, wird von Amerikas Medien beobachtet. Das Weiße Haus achtet peinlich genau darauf, welche Bilder des US-Präsidenten erscheinen und wer ihn interviewen darf. Immer mehr Journalisten schimpfen über diesen "Kontrollwahn", der manche an Orwell erinnert und Kritik erschwert. Obama kümmert das nicht: Ein Jahr nach seiner Wiederwahl gewährt er dem Chefredakteur des Magazins New Yorker exklusiven Zugang und schildert die Welt, wie er sie sieht.

David Remnick, der bereits 2010 eine Obama-Biographie veröffentlicht hatte, begleitete den US-Präsidenten im Herbst drei Tage an die Westküste. Das letzte Interview für den Artikel führte er im Januar 2014. Für mediales Aufsehen sorgten zunächst "weichere" Erkenntnisse aus dem ellenlangen Text: First Lady Michelle hat mit der Arbeit an ihrer Biographie bereits begonnen, Obama selbst wird für seine Memoiren mindestens 17 Millionen Dollar Vorschuss erhalten und Tochter Malia ist ein Fan der HBO-Serie "Girls". Der wichtigste Termin des Tages, der Obama heilig ist: das tägliche Abendessen um 18:30 Uhr mit der Familie.

Auch dass Obama, der als Schüler auf Hawaii viel kiffte und zur Choom Gang gehörte, erklärte, die Auswirkungen des Konsums von Marihuana seien "nicht gefährlicher als die von Alkohol", machte Schlagzeilen. Seine Einschränkung, dass er Haschisch-Rauchen trotzdem für "eine schlechte Idee" halte und dies seinen Töchtern verboten habe, ging fast unter.

Politisch interessanter ist, wie Barack Obama das Jahr 2013 bewertet, in dem ziemlich viel ziemlich schief lief. Der Demokrat gibt sich im Gespräch mit dem New Yorker-Chef kämpferisch.

  • Er will nach eigenen Aussagen in seiner zweiten Amtszeit nicht das Erreichte verteidigen, sondern offensiv agieren und Akzente setzen. Er glaube weiter an die Themen, die er in der ambitionierten Rede bei seiner zweiten Vereidigung nannte: Einwanderungsreform, Kampf gegen Klimawandel, strengere Waffengesetze, bessere Infrastruktur und Minderheitenschutz.
  • Wie zuletzt verteidigt er die Arbeit der NSA als "verfassungsgemäß" und gibt sich überzeugt, dass der NSA-Whistleblower Snowden dem Land Schaden zugefügt habe. Wenn er 2017 wieder Privatmann werde, hätte er volles Vertrauen, dass ihn die Geheimdienste nicht über die Maßen überwachen würden - so sähen es viele US-Bürger.
  • Er weiß, dass ihn viele Liberale wegen der NSA-Datensammelwut kritisieren und andere Linke wie New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio plötzlich populärer werden. "Es ist normal, dass die Leute irgendwann gelangweilt sind", sagt Obama über sich - schließlich sei er seit sieben Jahren täglich im TV zu sehen.
  • Ihn beschäftigen nach eigener Aussage die großen Linien: Er wolle hart arbeiten, um die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich zu verringern. Es gehe um die lange Geschichte des amerikanischen Volkes - jeder Präsident müsse versuchen, in seiner Amtszeit so viel wie möglich zu erreichen. Schon 2007 sagt er zu einer bekannten Historikerin: "Ich möchte ein Präsident werden, der einen Unterschied macht." Dass Obamas Ego weiterhin riesig ist, zeigt der New Yorker-Artikel: Er sieht sich eindeutig in einer Reihe mit den großen Präsidenten Lincoln, Roosevelt, Johnson.
  • Der Demokrat verwendet dafür im Gespräch mit David Remnick einen Vergleich: "Ich musste erst lernen und verstehen, dass man als Präsident in Wahrheit Teil einer Schwimmstaffel ist und sich durch einen Fluss voller Stromstellen und Strudeln bewegt. Und dieser Fluss ist die Geschichte."
  • Seine Entscheidung, im Syrien-Konflikt nicht stärker militärisch zu intervenieren, verteidigt Obama. Es habe keine Option gegeben, die Lage wirklich zu verbessern. An sich könne er mit Kritik an seiner Syrien-Politik im Besonderen und an seiner Außenpolitik im Allgemeinen leben. Ihn nerve es aber, wenn nicht die Leute denken würden, er besäße einen geheimen "Joystick", mit dem er alles steuern könne.
  • Obama beschreibt sich als "ziemlich pragmatisch", dem es vor allem auf die Ergebnisse ankomme. Allerdings lehnt er es ab, allzu häufig per Exekutivorder Regeln zu erlassen und so das Parlament auszuhebeln. Er begründet dies mit dem Satz "Es gibt keine Abkürzung in der Demokratie" - er müsse weiterhin versuchen, mit den Republikanern und den kritischen Demokraten eine Mehrheit zu finden.

Der Rest des Porträts enthält zwar interessante Details, wiederholt aber doch eher Bekanntes. Sein Widerwille, den politischen Gegner zu becircen oder diese durch persönliche Nähe umzustimmen, existiert weiter: Mehrere Demokraten klagen über zu wenig Kontakt zum Weißen Haus und dass niemand im Kongress Angst vor Obama habe. "Wer ihm auf der Nase herumtanzt, der hat nichts zu befürchten", heißt es.

Dass David Remnick noch immer viel Sympathie für den ersten schwarzen Präsident hat, wird bei der Lektüre spürbar. Barack Obama könne eine "lange Liste an Erfolgen" vorweisen, so Remnick. Er sei in keinen Skandal verwickelt worden, habe zwei Kriege beendet, Amerika nach der Wirtschaftskrise stabilisiert, die Gesundheitsreform durchgesetzt und unterstütze die "historische" Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben in der US-Gesellschaft.

Ob sich Amerika und die Welt an diese Dinge erinnern werden oder eher an die Einschränkungen der Privatsphäre durch die Aktivitäten der NSA und deren negative Folgen für Amerikas Image, wird sich zeigen. Eins darf als gesichert gelten: David Remnicks privilegiertem Zugang zum Weißen Haus wird dieses Porträt sicher nicht geschadet haben.

Linktipps: Der vollständige Artikel von David Remnick ist auf der Website des New Yorker nachzulesen. Ein Porträt von Pete Souza, der als offizieller Fotograf des Weißen Haus über Obamas Image wacht, erschien in der Süddeutschen Zeitung.

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