Offshore-Leaks:Banken helfen dem roten Adel

China 18th Communist Party Congress

Chinas Parteikongress 2012: Verwandte als Bankmitarbeiter

(Foto: dpa)

Ohne Beziehungen läuft in China gar nichts. Westliche Banken engagieren daher gerne Kinder von Spitzenpolitikern. Eine umstrittene Praxis.

Von Bastian Brinkmann, Christoph Giesen, Frederik Obermaier, Bastian Obermayer und Titus Plattner

Die E-Mail kam nachts und der Inhalt war düster. Ein Angestellter der Bank JP Morgan in Hongkong klagte einem Kollegen sein Leid: "Wir haben einen Geschäftsabschluss an die Deutsche Bank verloren." Der Grund lag für ihn auf der Hand: Der Konkurrent aus Deutschland habe die "Tochter des Vorsitzenden" angestellt - gemeint war offenbar die Tochter eines hochrangigen Parteikaders in China. Im Gegenzug habe die Deutsche Bank den Zuschlag für das Geschäft bekommen. Nicht zum ersten Mal, meinten die JP-Morgan-Leute, und waren sich einig, es müsse sich etwas ändern. Sonst habe man in China dauerhaft das Nachsehen. Nur wie? Notfalls, so heißt es in einer Mail, aus der die New York Times zitierte, müsse man die Tricks der Konkurrenz abkupfern - von der Deutschen Bank also, aber wohl auch von Credit Suisse und UBS, die es nicht viel anders machen.

Alle drei europäischen Institute tauchen in den Offshore-Leaks-Daten auf, alle drei haben zahlreichen Chinesen geholfen, Firmen in Steueroasen zu gründen: auf Samoa im Pazifik etwa, vor allem aber in der Karibik, auf den Britischen Jungferninseln. Die Deutsche Bank allein hat aus ihren Niederlassungen in Singapur und Hongkong eine zweistellige Anzahl an Offshore-Firmen gegründet - Firmen mit vielsagenden Namen, wie Double Fortune Group Limited - die Verdoppel-Vermögen-Gruppe also.

Die Deutsche Bank und ihre Schweizer Wettbewerber sind schon seit Jahrzehnten dabei. Credit Suisse hat Büros in drei Städten der Volksrepublik, die UBS in fünf, die Deutsche Bank in sechs. Ein eigenes Filialnetz, wie es die chinesischen Staatsbanken betreiben, können westliche Institute jedoch nicht einrichten - die Gesetze in China sind strikt. Jedes Jahr dürfen höchstens zwei neue Städte erschlossen werden. Bei mehr als hundert Millionenstädten in China würde es Jahrzehnte dauern, ein dichtes Filialnetz zu errichten. Um in China Geschäfte zu machen, müssen sie sich an einer der mehr als 20 Banken in staatlichem Besitz beteiligen. Und das ist lukrativ.

Zum einen verdienen die westlichen Institute so am chinesischen Sparer mit. Zum anderen können sie das klassische Investmentbanking übernehmen: Börsengänge vorbereiten, Übernahmen finanzieren, Aktiendeals abwickeln. Chinas Staatsbanken fehlen dazu das entsprechende Know-how und die Büros in London, Frankfurt und New York. Aber wie kommen die westlichen Banken an die Kunden? An die Manager der Staatskonzerne oder die lokalen Parteifürsten? Glaubt man den JP-Morgan-Mails, dann geht es nicht ohne besondere Drähte. "Guanxi" nennen die Chinesen das - Beziehungen. Ohne ein Netzwerk, ohne Kontakte, läuft in China nichts.

Und hier kommt der "Rote Adel" ins Spiel: die Nachkommen Chinas politischer Elite. Sie, so die Erfahrung ihrer Arbeitgeber, öffnen Türen, die sonst verschlossen blieben. Anders ausgedrückt: Was Sohnemanns Arbeitgeber will, wird Papi schon hinkriegen. Eine westliche Bank hat dafür extra das interne Programm "Söhne und Töchter" ins Leben gerufen.

Es ist eigentlich egal, auf welche Bank man blickt, ob JP Morgan, Goldman Sachs, Citigroup, Deutsche Bank, Credit Suisse oder UBS, fast alle haben oder hatten sie Parteikinder angestellt. Morgan Stanley etwa heuerte laut Medienberichten die Tochter des chinesischen Entwicklungsbankchefs an, die Deutsche Bank hatte zumindest zeitweise die Tochter des Vize-Premiers Wang Yang auf dem Lohnzettel. Ob sie heute noch dort tätig ist, wollte die Bank nicht bestätigen. Und die Credit Suisse? Für sie arbeitete Wen Ruchun, die Tochter von Ex-Premier Wen Jiabao.

Der Funktionärsnachwuchs ist in der Regel gut ausgebildet. Im Gegensatz zu Bauernkindern aus der chinesischen Provinz, können sie teure Privatschulen und Universitäten im Ausland besuchen. So wie Wen Ruchun, die in den Vereinigten Staaten studiert hat. Und ist sie als Bankerin ungeeignet, nur weil sie die Tochter eines einflussreichen Politikers ist?

China ist nicht Deutschland, aber nur mal angenommen, eine ausländische Firma wollte auf den deutschen Markt, doch der Zugang wird von den Behörden geregelt. Diese können eine Firma zulassen und Milliardenaufträge ohne Ausschreibungen vergeben - oder auch nicht. Und nun stellt diese Firma eine Tochter der Bundeskanzlerin ein. Wenig später bekommt die Firma als erstes ausländisches Unternehmen einen begehrten Marktzugang - und kurz darauf hilft das ausländische Unternehmen dem Sohn der Kanzlerin, eine Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln einzurichten. Eine Firma wohlgemerkt, deren Direktor und einziger Aktionär geheim gehalten wird.

So ähnlich ist es im Fall Credit Suisse geschehen. Das Bankhaus beschäftigte eineinhalb Jahre lang Wen Ruchun in ihrem Pekinger Büro. Drei Jahre später gründete die Credit Suisse mit der chinesischen Staatsbank ICBC ein Joint Venture - und konnte als erste ausländische Bank ins chinesische Vermögensverwaltungsgeschäft einsteigen. Das kann Zufall sein. Oder das Ergebnis einer geschickten Einstellungspolitik. Die Bank äußert sich dazu nicht.

2006, etwa anderthalb Jahre nach dem furiosen ICBC-Deal, gründete Wen Yunsong, Wen Jiabaos Sohn, der Bruder von Wen Ruchun, die Firma Trend Gold Consultants Limited auf den Britischen Jungferninseln. Oft werden solche Firmen ins Leben gerufen, um Zahlungsströme zu verschleiern. Wens Vermittler, der ihm dabei half, die nötigen Dokumente zu bekommen, war die Credit Suisse. Aus welchem Grund richtete Wen Yunsong die Firma Trend Gold ein? Welche Firmen beriet er als "Consultant"? Mehrere Anfragen ließ Wen unbeantwortet. Den beiden Politiker-Zöglingen eilt indes ihr Ruf voraus: Sie könnten gegen Geld "Dinge ermöglichen", notierten US-Diplomaten einmal. Und westliche Banken wollen womöglich oft Dinge in China ermöglicht bekommen.

Die Funktionärskinder sind ein heikles Thema in China, Medienberichte über sie werden in der Regel zensiert. Die betroffenen Firmen geben sich schmallippig. UBS und Credit Suisse etwa wollten sich auf Nachfrage nicht im Detail dazu äußern. Die Deutsche Bank - immerhin zeitweiliger Arbeitgeber von Wang Yangs Tochter und womöglich auch weiterer Kinder des Roten Adels - teilte mit, die Einstellungspraxis werde geprüft. "Nach dem bisherigen Stand der Untersuchungen können wir feststellen, dass wir Mitarbeiter nicht auf der Basis ihres familiären Hintergrunds ausgesucht und eingestellt haben, sondern aufgrund ihrer Fähigkeiten und fachlichen Qualifikation."

Derzeit untersucht laut US-Medienberichten die amerikanische Börsenaufsicht SEC das Gebaren von UBS, Deutscher Bank, Credit Suisse. Aber auch von JP Morgan. Die US-Bank hatte lange Zeit zwar kein Funktionärskind angestellt, dafür jedoch zeitweise eine kleine Beratungsfirma engagiert. Für 900.000 Dollar jährlich, schreibt die New York Times. Sie hieß Fullmark Consultants Limited und dahinter steckten: Wen Ruchun, die Tochter Wen Jiabaos, und ihr Mann. Eine Anfrage blieb unbeantwortet.

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