Offshore-Leaks:Chinas mächtigste Industriebosse nutzen Briefkastenfirmen

A woman walks past a poster showing an offshore work platform from CNOOC in Beijing

Der Ölkonzern CNOOC wirbt in Peking für seine Offshore-Bohrungen - über die finanziellen Offshore-Geschäfte reden die Konzerne nicht

(Foto: REUTERS)

Ihre Firmen gehören zu den größten Konzernen der Welt - und haben Verbindungen in Steueroasen. Doch die Macht der chinesischen Ölindustrie gerät ins Wanken.

Von Bastian Brinkmann, Christoph Giesen und Alexa Olesen

Es ist das schlichte Büro seines Anwalts in Kalifornien, in dem Sun Tiangang nun sitzt. Im Konferenzraum steht ein heller Tisch, darauf ein Kaffeeservice, alles sehr funktional, kein Protz, kein Prunk wie in den Bauten der chinesischen Ölindustrie. In den Hallen der Konzerne in Peking sind die Tische manchmal fast 50 Meter lang, die Stühle aus edlen Hölzern gefertigt, und sobald man an seinem Tee nur nippt, schenkt eine hilfsbereite Dame heißes Wasser nach.

Sun Tiangang lebte lange in der Welt des Prunks und des Reichtums der Ölindustrie. Nun ist er in dieses einfach ausgestattete Büro gekommen, die Schwester an der Seite. Er erzählt auf Chinesisch seine Geschichte, vom Öl, den Offshore-Konten und der ungezügelten Macht.

Unter Chinas Ölbaronen war Sun einer der kleineren, vielleicht sogar der kleinste. Aber er kennt sich bestens aus im Geschäft der großen Konzerne. Und in deren Netz von Offshore-Firmen.

Vor etwa 15 Jahren baute er tief im Westen Chinas gemeinsam mit einem kleineren staatlichen Ölunternehmen Pipelines für ein abgelegenes Ölfeld. Die großen Konzerne hatten dort sechs Jahre lang vergeblich gebohrt. "Es lag mitten in der Wüste", sagt Sun. Doch wider Erwarten hatte er Erfolg. Schon nach einem Jahr machte er etwa sieben Millionen Dollar Gewinn.

2001 brachte er in Hongkong seine Ölfirma an die Börse - durch die Hintertür. Weil die Auflagen für eine Neulistung sehr streng waren, übernahm er einfach 60 Prozent der Aktien eines kleinen Lebensmittelunternehmers. Als Mehrheitseigentümer widmete er dann den Geschäftszweck um und gab der Firma einen neuen Namen. Aus PNF Food Holdings Limited wurde das Ölunternehmen Geo Maxima (HK) Holdings Limited. "Das war sehr einfach und sehr bequem", sagt Sun. "Das Modell haben unsere Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und Berater entwickelt."

Das Geld und vor allem seine Firmenanteile bunkerte er in einer Offshore-Gesellschaft. "Warum auch nicht?", fragt er. Ein Unternehmen auf den Britischen Jungferninseln zu gründen, koste nur ein paar hundert Dollar. Aber der Schutz könne Millionen wert sein. "Wenn es ein Problem gibt, können Sie einfach so tun, als hätten Sie mit dem Unternehmen nichts zu tun", sagt er. "Etliche Menschen in China machen das so."

Der Ölmanager Sun Tiangang spricht offen über seine Offshore-Geschäfte, das macht ihn zur Ausnahme. Viele aus der Branche, auch die Bosse ganz oben, haben geheime Briefkastenfirmen gegründet, das zeigen die Offshore-Leaks-Unterlagen - doch sie schweigen. In den offiziellen Geschäftsberichten sind nur wenige der Briefkastenfirmen aufgelistet. Einige der Gründungen scheinen mit dem Ölgeschäft nichts zu tun zu haben.

Die Ölbranche ist milliardenschwer - und mächtig

Drei Konzerne kontrollieren im Wesentlichen das chinesische Ölgeschäft. Da ist zum einen die China Petroleum and Chemical Corporation, meistens nur Sinopec genannt. Nach Shell, Wal-Mart und Exxon ist Sinopec das viertgrößte Unternehmen der Welt, der Umsatz liegt bei weit über 400 Milliarden Dollar - das entspricht etwa der jährlichen Wirtschaftsleistung Österreichs. Kaum weniger setzt jährlich die China National Petroleum Corporation (Petrochina) um - der fünftgrößte Konzern der Erde. Die China National Offshore Oil Company, CNOOC abgekürzt, ist Chinas drittgrößter Ölkonzern. Er macht 80 Milliarden Dollar Umsatz im Jahr und liegt damit in einer Gewichtsklasse mit Boeing oder Sony.

Aus den Chefetagen dieser Unternehmen führen Spuren in Steueroasen. Da ist zum Beispiel Yang Hua, Vorstandschef des Ölkonzerns CNOOC: Er war laut Offshore-Leaks-Daten Direktor und Anteilseigner der Briefkastenfirma Garland International Trading Company Limited. Oder Fang Zhi, der Vizepräsident von CNOOC: Er besaß ebenfalls zwei Offshore-Firmen. Und schließlich noch Zhang Bowen. Erst vor wenigen Wochen wurde er als Chef einer Petrochina-Tochter berufen. Er war Geschäftsführer und Gesellschafter einer Firma auf den Britischen Jungferninseln.

Wofür brauchen die Ölmanager diese Briefkastenfirmen? Was war ihr Zweck? Waren sie Teil des Firmenimperiums oder handelt es sich um private Firmen? Sollten gar Vermögen versteckt werden? Oder dienten die Unternehmen als Geldspeicher, der sicherer erschien als ein Konto bei einer chinesischen Bank? Trotz zahlreicher Anfragen wollte sich keiner der Betroffenen äußern.

Ein Mann klagte gegen einen Ölkonzern - und wurde verhaftet

Die Welt von Chinas Ölkonzernen ist eine ganz spezielle. Eine Welt des großen Geldes. Und der großen Macht. Das bekam auch Sun Tiangang zu spüren. Kurz nachdem er mit seinen Pipelines Geld verdiente, übernahm Sinopec den kleinen staatlichen Konkurrenten, Suns Partner. Und so begann sein Abstieg. Obwohl er einen Vertrag für 20 Jahre abgeschlossen hatte, wollte Sinopec offenbar den gesamten Umsatz für sich - der Konzern baute eine eigene Pipeline und begann, das Öl umzuleiten. Suns Öl.

Der reichte deshalb Klage ein. Zunächst in Hongkong, dann in Peking. In der Zentrale von Sinopec sagte ihm ein Anwalt des Konzerns: "Überlegen Sie sich genau, was Sie da tun. Sie versuchen, die Kommunistische Partei Chinas vor ein Gericht der Kommunistischen Partei zu bringen. Glauben Sie wirklich, Sie können das gewinnen?"

Er verlor: Im August 2005 wurde Sun festgenommen. Seine Teilhaber zogen prompt die Klage gegen Sinopec zurück und teilten das verbliebene Vermögen unter sich auf. Sun behauptet, sie hätten Unterschriften und Dokumente gefälscht, um seine Immobilien zu verkaufen und die Offshore-Firmen zu kapern.

Und tatsächlich finden sich Suns Firmen in den Offshore-Leaks-Daten: Die Datensätze zeigen, dass während Suns Untersuchungshaft die Ehefrau eines seiner Angestellten den Namen einer Offshore-Gesellschaft änderte.

Nach fünf Jahren in einem Provinzgefängnis in Nordostchina wurde Sun 2010 schließlich entlassen und für zwei Jahre unter Hausarrest gestellt: Rund-um-die-Uhr-Überwachung in einer angemieteten Wohnung in Peking, ohne Telefon. Seine Frau durfte ihn ab und zu besuchen. Im März 2012 wurden die Ermittlungen eingestellt. Seitdem kämpft Sun in den Vereinigten Staaten für sein Recht und gegen Chinas Ölkader. Er hat Klage in Los Angeles eingereicht. Sinopec äußert sich auf Anfrage nicht.

Sein Angriff erwischt die Branche in einem kritischen Moment. Seit wenigen Monaten ist die Vorherrschaft der Ölindustrie unter Druck. Die neue Führung um Staatschef Xi Jinping will den Einfluss der Ölbarone zurückdrängen. Denn die geplanten Wirtschaftsreformen greifen die Macht der Ölkonzerne an. Parteichef Xi Jinping will die Staatsunternehmen wettbewerbsfähiger machen und den Mittelstand stärken. Chinas Industrie soll innovativer werden und die gesamte Wirtschaft künftig vielleicht sogar etwas grüner wachsen. All das passt nicht zum Milliardenmoloch Ölindustrie.

Dabei hat die Branche lange Zeit mitbestimmt, was Recht und was Gerechtigkeit in China ist. Bis zum Herbst 2012 hatte die Industrie ihren eigenen Mann in der Machtzentrale des Landes. Zhou Yongkang war einer der einflussreichsten Männer der Volksrepublik. In der internen Parteihierarchie war er die Nummer vier, zuständig für die Polizei und den Geheimdienst des Landes - ein Hardliner. Er war es, der die Verhaftung des Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo anordnete. Unter seiner Führung wurde der Etat für innere Sicherheit massiv aufgestockt, seitdem gibt China mehr Geld für die interne Kontrolle aus als für die Volksbefreiungsarmee.

Bevor Zhou 2007 in den Ständigen Ausschuss des Politbüros aufrückte, hatte er Karriere in der Ölindustrie gemacht. 30 Jahre arbeitete er in der Branche. Im November 2012 wurde er pensioniert. Seitdem geht die politische Führung Chinas allmählich gegen Zhous alte Weggefährten vor. Fünf hochrangige Manager wurden bereits geschasst.

Nun haben zahlreiche Ölkader auch noch ein Offshore-Problem. Sun Tiangang freut das sehr, auch wenn er selbst einmal mehrere Offshorefirmen besaß. Für ihn ist das aber offenbar kein Widerspruch. Er kooperierte ja früher auch mit dem chinesischen Staat.

Die Zeiten sind vorbei. Nun spendet er Geld für Lobby-Organisationen, die sich gegen die Macht der Kommunistischen Partei engagieren - 250.000 Dollar zahlte er alleine im vergangenen Jahr, geht aus öffentlichen Daten hervor.

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