Kombinierer Eric Frenzel:Olympia ist Olympia

Weltcup Nordische Kombination Oberstdorf - Einzelwettkampf

Wieder ein Erfolg: Eric Frenzel am Wochenende beim Weltcup in Oberstdorf

(Foto: dpa)

Kombinierer Eric Frenzel hat in den vergangenen Wochen fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Gold bei Olympia ist somit sicher, nicht wahr? Wenn es nur so einfach wäre.

Von Thomas Hahn

Dieser Ruhe vor den Spielen ist nicht zu trauen. Im Gegenteil, in ihr liegt die nächste große Herausforderung für den Kombinierer Eric Frenzel, bevor die olympischen Wettkämpfe in Sotschi beginnen. Am Wochenende war der letzte Weltcup vor dem großen Ereignis in Oberstdorf. Danach hat Bundestrainer Hermann Weinbuch Frenzel und die anderen Kaderkollegen nach Hause geschickt, damit sie dort mit leichtem Training und etwas Freizeit ihre Kräfte hegen. Ab diesem Donnerstag sind sie wieder nach Oberstdorf einbestellt, um auf der Schanze am Schattenberg an der Skisprung-Form zu feilen, dann dürfen die Männer noch mal nach Hause zur aktiven Erholung mit Lauf-Einheiten vor der Reise nach Russland.

Entspannen, ohne loszulassen, das ist das Gebot dieser Tage, besonders für Frenzel, den zweimaligen Weltmeister. Seine Stärke war beträchtlich zuletzt, er müsste sie eigentlich nur noch in Watte packen und nach Sotschi tragen, um einen sicheren Olympiasieg einzufahren, nicht wahr? Wenn es nur so einfach wäre.

Das hat Eric Frenzel jetzt davon, dass er in dieser Saison schon sieben Siege errungen hat und die Weltcup-Gesamtwertung mit kaum noch einholbaren 352 Punkten Vorsprung auf den zweitplatzierten Japaner Akito Watabe anführt. Er hat einen Status erlangt in der öffentlichen Wahrnehmung, der Segen und Fluch zugleich ist.

Die deutsche Mannschaft für Sotschi hat gute Medaillenperspektiven, klare Sieganwärter dagegen nicht so viele, weshalb viel Aufmerksamkeit auf die paar Hochbegabten fällt, die am besten ins Profil eines Goldsammlers passen. Auf die Skirennfahrerin Maria Höfl-Riesch vor allem, auf den Rodler Felix Loch. Oder eben auf Eric Frenzel, 25, aus Geyer in Sachsen, der sich als einer der zuverlässigsten deutschen Wintersportler etabliert hat.

Für die Kombinierer ist das grundsätzlich toll. Sie gelten eher als Randsparte im Repertoire des Deutschen Skiverbandes (DSV). Dass einer von ihnen jetzt so hoch gehandelt wird, ist eine Form der Anerkennung und bringt viel Zuspruch. Aber ein bisschen schwingt schon auch die Befürchtung mit, der schmale Mann könnte den hohen Erwartungen nicht gewachsen sein, wenn der Bundestrainer Weinbuch vorsichtig und abwägend zur Lage seines Frenzel spricht. "Man muss es nehmen, wie es ist", sagt er, als wäre es ein Schicksal, nach einer tadellosen Bilanz von vier Siegen in Serie zu Olympia zu reisen.

Wie bewahrt man Frenzels Hochform? Wie schützt man ihn vor dem Stress, dem ein Favorit ausgesetzt ist? Wie verhindert man, dass sich in sein Unterbewusstsein ein ungesunder Müßiggang schleicht? Das sind die Themen, die Weinbuch umtreiben, wenn es um seinen besten Mann geht. "Wir müssen weiterhin ein Ziel haben, wir müssen versuchen, die zwei, drei Punkte zu verbessern, die noch zu verbessern sind", sagt Weinbuch und greift nach jedem Detail, in dem Frenzel gerade nicht perfekt ist. "Zum Beispiel beim Aufsprung, bei sehr großen Weiten, da ist er noch nicht so entschlossen und bombensicher."

"Wurscht, was vorher oder danach ist"

Eric Frenzel selbst wiederum wirkt so seelenruhig und seriös in dem ganzen Trubel um seine Person, als könne ihm keiner was. Er ist in jeder Beziehung ein Frühberufener. Er wurde mit 18 Vater, er startete mit 18 zum ersten Mal bei einer großen WM, er war Junioren-Weltmeister, er gewann mit 19 seinen ersten Weltcup, mit 22 sein erstes WM-Gold bei den Erwachsenen. Als die Aktiven-Karriere des viermaligen Weltmeisters Ronny Ackermann auslief, konnte er sich gut behütet an die Spitze pirschen. Er weiß aus seinem Privatleben, was echte Verantwortung ist.

Und jetzt, da er oben ist, weiß er, was er zu tun und zu denken hat: "Ich habe ein bisschen Erfahrung und Sicherheit, das lässt einen alles etwas leichter verarbeiten." Er nimmt Siege nicht so wichtig, er nimmt Niederlagen nicht so wichtig - und jeden Wettkampf als neue Chance. Vor seinem ersten WM-Sieg 2011 in Oslo galt er als Außenseiter, jetzt ist er der starke Mann im Feld. Der Unterschied? Keiner, sagt Frenzel: "Ich bin ein Typ, der sich auf seine Wettkämpfe in dem Moment konzentriert, da ist es fast wurscht, was vorher oder danach ist."

Der französische Olympiasieger und Weltmeister Jason Lamy Chappuis spricht mit so hohem Respekt über den Deutschen, dass man ihn fast für einen Frenzel-Fan halten könnte, wenn man nicht wüsste, dass er in Sotschi selbst gerne Gold gewinnen würde. Vor allem aber lehrt Lamy Chappuis aus seiner Erfahrung als Meister seines Fachs: "Das Wichtigste ist, dass du immer demütig bleibst." Und das tut Frenzel.

Weinbuch hat schon im vergangenen Jahr berichtet, was Frenzel den entscheidenden Impuls zum Gipfelsturm verschafft hat: Beim Skispringen war er lange etwas steif um die Hüfte, deshalb bekam er eine umfassende Dehngymnastik verschrieben, die er seitdem jeden Tag nach dem Abendessen zuverlässig absolviert, gerne vor dem Fernseher. Und zwar immer noch. Nervig? "Sicherlich ist es für einen einfacher, sich nach einem Wettkampf und den vielen Terminen, die man danach mittlerweile hat, einfach mal hinzulegen", sagt Frenzel, "aber wenn ich das mache, habe ich relativ schnell die Rechnung dafür."

Wie oft hat er wohl mittlerweile die Frage zu seiner olympischen Favoritenrolle gehört? Frenzel lacht. Oft, natürlich. "Aber ich hab' eigentlich auch immer die gleiche Antwort: Olympia ist Olympia. Bloß weil ich in den letzten Wochen was gewonnen hab, heißt das nicht, dass mir da irgendwas hinterhergeworfen oder geschenkt wird." Die Antwort ist nicht besonders spektakulär. Aber das ist Eric Frenzel egal. Er weiß, dass es die richtige ist.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: