Papst auf Titelseite des "Rolling Stone":Im Namen der Popkultur

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"Bemerkenswert stilbewusst." Der Reporter des Rolling Stone über Papst Franziskus. (Foto: dpa)

Diese Premiere ist Francesco gelungen: Als erster echter Papst lächelt er selig vom Titel des US-Musikmagazins "Rolling Stone". Und das obwohl die meisten Katholiken in Amerika bestimmt nicht der Lektüre dieses Blattes frönen, das beizeiten Drogenkonsum, den Nießbrauch von Groupies und irdische Tonfolgen pries.

Von Willi Winkler

Im Unterhaltungsgewerbe, das weiß jeder picklige Teenager, gibt es nichts Größeres als das Cover der Zeitschrift Rolling Stone. Die sträflich unterschätzte Band Dr. Hook and the Medicine Show führte 1972 in einem Song die Kriterien an, die es dafür braucht: blauäugige, aber minderjährige Groupies, Drogen, ausverkaufte Konzerte, auch das vorgeschriebene Gitarrensolo spielten sie bei der Bewerbung. Das Magazin verstand den Witz und nahm die Band wenigstens als Karikatur auf den Titel.

Seit Rolling Stone 1967 gegründet wurde, zierten Musiker, Schauspieler und gelegentlich Präsidenten den Titel, aber noch nie war da ein echter Papst.

Francesco ist diese Premiere gelungen; mit einem bemerkenswerten Kinn grüßt er im pontifikalen Ornat von der Ausgabe, die nächste Woche in den Handel gelangt. Die Sensation ist umso größer, als die Katholiken in den USA eine (wenn auch einflussreiche) Minderheit bilden und bestimmt nicht der Lektüre dieses Blattes frönen, das beizeiten Drogenkonsum, den Nießbrauch von Groupies und irdische Tonfolgen pries.

Die katholische Mission von Rolling Stone widmet dem Nachfolger Benedikt XVI. auch ein Porträt. Reporter Mark Binelli war in Rom und notiert befriedigt, dass ihm der Papst trotz Verzichts auf sartorialen Schnickschnack "bemerkenswert stilbewusst" gegenübertritt.

Heiligsprechung zu Lebzeiten

Seinen Zauber vergleicht er mit dem Charme Bill Clintons und setzt ihn gegen den "grantelnden Gelehrten", der ihm im Amt voranging und der den Reporter aus unerfindlichen Gründen an eine Art Edward Scissorhands erinnert, der "Teenagern in ihren Alpträumen drohen" würde.

Binelli analysiert auch die Reaktionen in den USA auf Francescos marktkritische Äußerungen. Für Rush Limbaugh, den berüchtigten Radio-Hetzer, ist der Papst ein "Marxist". Sarah Palin fürchtete um ihre evangelikalen Fans, während sonst alle Welt den Mann feiert, der seiner Kirche ein Armutsgelübde auferlegt.

Das Cover des Rolling Stone, das ausführliche Porträt: es ist zumindest nach diesseitigen Begriffen eine Heiligsprechung zu Lebzeiten. Die Engel im Himmel haben übrigens blaue Augen.

© SZ vom 30.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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