Prozess um Hypo Real Estate:Frei und doch gefangen

Hauptversammlung Hypo Real Estate

Der frühere HRE-Vorstandschef Georg Funke tritt am Donnerstag vor dem OLG München auf, wo Altaktionäre ihn und die Bank verklagen. Funke wird weiter alle Schuld von sich weisen.

(Foto: dpa)

Georg Funke, Ex-Chef der vom Staat geretteten Hypo Real Estate, muss wohl nicht ins Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft wird den Vorwurf, er habe riesige Beträge verzockt, wohl fallenlassen. Trotzdem leidet Funke darunter, dass viele ihn für einen Schurken halten.

Von Klaus Ott

Wenn der nach Mallorca ausgewanderte Ex-Banker Georg Funke diese Woche nach Deutschland zurückkehrt, hat er nicht sehr viel zu befürchten. Der gescheiterte Vorstandschef der Hypo Real Estate (HRE) bekommt es mit Altaktionären des Immobilien- und Pfandbriefinstituts zu tun, die beim Oberlandesgericht (OLG) München auf Schadensersatz in Milliardenhöhe klagen.

Der Prozess beginnt an diesem Montag, die Vorwürfe sind heftig, und was am Ende herauskommt, ist ungewiss. Aber das Schlimmste hat der einstige Finanzstratege, der hoch hinaus wollte und tief fiel, schon hinter sich. Der Exilant muss sich keine Sorgen machen, dass die Handschellen klicken. Es muss keine große Angst mehr haben vor der Münchner Staatsanwaltschaft, die seit dem Zusammenbruch der HRE im Herbst 2008 gegen ihn ermittelt.

Die Strafverfolger werden ihren Verdacht, Funke habe mit riskanten Geschäften in Milliardenhöhe Bankvermögen veruntreut, wohl fallenlassen. So ist es aus Justizkreisen zu hören, und dafür finden sich auch Anhaltspunkte in den Ermittlungsakten. Es wird voraussichtlich keine große, sondern höchstens eine kleine Anklage gegen den alten HRE-Vorstand um Funke geben. Zum Beispiel wegen Manipulation von Aktienkursen. Es gilt als ausgeschlossen, dass der Exilant von der Sonneninsel im Mittelmeer noch ins Gefängnis kommt.

Gefängnis? Gilt als ausgeschlossen!

Hinter Gittern hatten ihn einst viele Leute sehen wollen. Aus Wut und Zorn über die HRE, die Deutschlands Steuerzahler mehr Geld gekostet hat als jede andere Bank. Nach dem Debakel des Immobilien- und Pfandbriefinstituts waren bei der Justiz zahlreiche Strafanzeigen gegen den von der HRE hinausgeworfenen Vorstandschef eingegangen. Funke habe mit seiner Expansionsstrategie die Existenz der HRE riskiert und müsse dafür büßen, stand in den Eingaben. Eine energische Oberstaatsanwältin nahm sich des Falles an. Sie soll dem Banker sinngemäß gesagt haben: Sie glauben doch wohl nicht, dass Sie ungeschoren aus der Sache herauskommen? So steht es in einem Schreiben eines Funke-Anwalts an das OLG.

Jetzt aber sieht es so aus, als käme Funke bei der Staatsanwaltschaft halbwegs glimpflich davon. Wer aber von all den von der Justiz verfolgten Bankern bei der BayernLB und der SachsenLB, bei der LBBW, der HSH und anderswo soll überhaupt noch mit Gefängnis bestraft werden, wenn nicht einmal der frühere HRE-Chef?

Sein Fall zeigt einmal mehr, wie schwer sich die Strafjustiz damit tut, die Verwerfungen bei den Banken zu ahnden. Staatsanwälte sind nicht die Rächer der Nation, sie müssen sich an die Paragrafen halten, und die geben keine einfachen Antworten her. Nicht einmal bei der einst aus der Hypo-Vereinsbank hervorgegangenen Hypo Real Estate, obwohl das Versagen des alten Managements bestens dokumentiert ist.

In einer E-Mail vom 19. März 2008 hatte sich Funke gesorgt, der Bank könne irgendwann das Geld ausgehen. Man müsse hohe Beträge "wie einen Schneeball" neu refinanzieren, schrieb der damalige Bank-Chef einem Kollegen und dem Aufsichtsratsvorsitzenden.

Ein Schneeballsystem wird irgendwann zu einer Lawine, die alles unter sich begräbt. Diese Mail und zahlreiche weitere entlarvende Dokumente hatte der von der HRE eingesetzte Sonderprüfer Wolfgang Russ ausgegraben. Die Altaktionäre der längst verstaatlichten Bank und der Bundestag warten seit Jahren sehnlichst, aber bisher vergeblich auf Ergebnisse von Russ. Immerhin hat sein Untersuchungsteam dem früheren Bank-Vorstand um Funke in einem Entwurf für den Prüfbericht schon heftige Vorwürfe gemacht.

Riskante Strategie

Eine neue, aktuelle Stellungnahme von Russ für die Münchner Staatsanwaltschaft enthält weniger, aber immer noch deutliche Kritik. Vor allem zur Art und Weise, wie die HRE finanziert worden war. Das Immobilien- und Pfandbriefinstitut hatte Staaten und anderen Kreditnehmern langfristige Milliardendarlehen gewährt, zum Teil auf Jahrzehnte hinaus, und sich das Geld dafür meist kurzfristig an den Finanzmärkten besorgt. Eine riskante Strategie, die immer gefährlicher wurde, als 2008 immer mehr Banken nach wilden Zockereien vor dem Kollaps standen und das globale Finanzsystem in Schieflage geriet.

Um in dieser Lage den Geldbedarf der HRE zu sichern, wären ab April 2008 "ergänzende Maßnahmen zur Liquiditätssicherung ... geboten" gewesen, schreibt Russ. Das hätte bis zum Zusammenbruch der Bank im September 2008 das Ausmaß der Geldlücke unter Umständen verkleinert. Auf diese Weise wären laut Russ weniger staatliche Garantien notwendig gewesen. Mit solchen Bürgschaften war die HRE von der Bundesregierung gerettet worden, um eine Pleitewelle in der Finanzbranche zu verhindern. Mit anderen Worten: Hätten Funke & Co. seriöser gewirtschaftet, dann wären Staat und Steuerzahler billiger weggekommen.

Hochriskante Geschäfte zu bestrafen, ist aber gar nicht so einfach. Erstens muss den Verantwortlichen nachgewiesen werden, dass sie vorsätzlich Schäden in Kauf genommen haben. Und zweitens muss das veruntreute Vermögen konkret beziffert werden. So verlangt es das Bundesverfassungsgericht.

"Beleidigende Polemik"

Einen genauen Schaden bei HRE und Staat zu ermitteln, ist nach Ansicht von Sonderprüfer Russ aber so gut wie ausgeschlossen. Es sei nicht möglich, genau zu beziffern, wann und bis zu welchem Grad es damals noch möglich gewesen wäre, die Geldpolitik der HRE zu ändern. Das ginge laut Russ in den Bereich der Hypothese. Auf der Basis von Hypothesen kann aber niemand wegen Untreue angeklagt und verurteilt werden. Auch nicht Georg Funke.

Der kurzfristige Geldbedarf der HRE sei zu groß und der noch vorhandene Zeitraum für eine neue Strategie zu kurz gewesen, um noch etwas zu retten, schreibt Russ. Als im September 2008 die US-Großbank Lehman Brothers spektakulär pleiteging und die Finanzmärkte weltweit verrücktspielten, war auch die HRE am Ende. Russ glaubt, Lehman sei der Grund für den Zusammenbruch der HRE gewesen. Was Funke und seine Leute getrieben haben, das hat vermutlich alles noch schlimmer gemacht. Es ist aber schwierig zu ahnden.

Am Donnerstag will sich Funke beim OLG den Altaktionären stellen, die sich von ihm und der Hypo Real Estate getäuscht sehen und 1,1 Milliarden Euro Schadensersatz verlangen. Zahlen müsste der Staat, dem die HRE ja gehört. Der einstige Bank-Boss wird sich äußern wie immer. Die Umstände seien schuld gewesen, nicht er. Seine Anwälte haben dem OLG schon viele Schriftsätze geschickt mit vielen sachlichen Entgegnungen zu den vielen Vorwürfen und einigen deutlichen Worten. Manche Anschuldigungen, so die Anwälte, enthielten "beleidigende Polemik" und seien "geradezu absurd". Das passt zu Funke, der sich als Opfer sieht und nicht als Täter. Er kann nach seinem OLG-Auftritt wieder zurück nach Mallorca, auf die Sonneninsel, als freier Mensch, aber doch gefangen.

Funke mache sich Tag und Nacht Gedanken, warum er als Hauptschurke unter den Bankern gelte, obwohl das nicht stimme. Das sagt einer, der ihn gut kennt. Funke lebe in einer Art innerem Gefängnis.

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