Mitten in Absurdistan:Auf frischer Tat ertappt

Sicher und fad? In München kann man am eigenen Leib erfahren, dass diese Behauptungen über die bayerische Landeshauptstadt reine Klischees sind. In Kairo merken Fußball-Fans, dass die aufkeimende demokratische Kultur zur Champions League auch Schattenseiten hat.

24 Bilder

481095963

Quelle: Johannes Eisele/AFP

1 / 24

Sicher, fad? In München kann man am eigenen Leib erfahren, dass diese Behauptungen über die bayerische Landeshauptstadt reine Klischees sind. In Kairo merken Fußball-Fans, dass die aufkeimende demokratische Kultur zur Champions League auch Schattenseiten hat. SZ-Korrespondenten berichten Kurioses aus aller Welt

Mitten in ... Kairo

Wenn es dunkel wird, verwandelt sich das alte Börsenviertel in ein großes Freiluft-Café. Und wenn Champions-League-Spieltag ist, regieren hier die Fans des FC Barcelona. Die starke Entwicklung der Bayern ist den jungen Ägyptern nicht entgangen, ihre Liebe gilt aber Messi und Co. Nach langem Suchen findet sich ein Teehaus, dessen Besitzer versichert, heute das Spiel der Bayern gegen Manchester United zu zeigen. Während der Vorberichterstattung nuckeln die Gäste desinteressiert an ihren Wasserpfeifen, als Philipp Lahm zum Münzwurf für die Seitenwahl schreitet, murren sie. Der Besitzer lässt abstimmen, welches Spiel gezeigt werden soll. Atlético Madrid gegen FC Barcelona: 38 Stimmen. FC Bayern gegen Manchester United: zwei Stimmen. Das Aufkeimen der demokratischen Kultur in Ägypten, es hat auch seine Schattenseiten.

Moritz Baumstieger, SZ vom 12./13. April 2014

-

Quelle: AFP

2 / 24

Mitten in ... Chengdu

An einer Kreuzung in Chengdu. Rechts funkelt der Louis-Vuitton-Laden, gegenüber blinkt Dior. Der Freund am Steuer sagt, er kenne eine Sekretärin mit einem Gehalt von 2000 Yuan (umgerechnet 240 Euro), die habe sich soeben eine Louis-Vuitton-Tasche gekauft. "Eine echte." Er schüttelt den Kopf. "So sind wir Chinesen. Dabei denken bei ihr sowieso alle, dass sie ein Fake trägt." Die Bekannte auf der Rückbank fällt ein, erzählt von der Pekinger Krankenschwester, die ihr einst auftrug, aus Europa eine Gucci-Tasche mitzubringen. "Ich sagte ihr: Spar dir das Geld, du fährst doch eh mit der U-Bahn zur Arbeit. Was willst du da mit einer Gucci-Tasche?" Und, nahm sie sich das zu Herzen? "In gewisser Weise schon: Als ich aus Europa zurückkam, hatte sie sich ein Auto gekauft, ein gebrauchtes. Mit ihrem letzten Geld. Extra für die Tasche."

Kai Strittmatter, SZ vom 12./13. April 2014

Polizist verfolgt einen Mann während eines Streiks in San Francisco, 1934

Quelle: Süddeutsche Zeitung Photo

3 / 24

Mitten in ... München

Sicher wie ein Dorf sei München, sagt der Innenminister. Fade wie ein Dorf, sagen Berliner Freunde. Beides gelogen. Ein Donnerstagabend: Fahrt mit dem Bus ans andere Ende der Stadt, zu einem Freund auf ein Gläschen. Kaum in der Wohnung, stehen vier Uniformierte und sechs schneidige Kriminaler an der Tür, suchen einen blonden Mann. Der habe nahe der Starthaltestelle einen Laden überfallen, man habe dann den Bus verfolgt. "Hände hoch!" Es folgt die Suche nach der Beute, auch in der Gastgeberwohnung. "Was haben Sie die letzten Stunden gemacht?" Antwort: Abendessen mit dem hessischen Schulminister, die TV-Serie "Dahoam is Dahoam" (ohne Zeugen), Gang zum Bus. Die heiße Spur erkaltet: zur Tatzeit kein Alibi, doch keine Beute, zudem Schwüre auf die Gesetzestreue. Eine Oma aus dem Haus ermittelt gar mit. Keine Festnahme am Ende. Vorerst?

Johann Osel, SZ vom 12./13. April 2014

-

Quelle: SZ

4 / 24

Mitten in ... Dresden

Vater und Sohn tragen den gleichen Namen, aber während der Jüngere gern von der Öffentlichkeit vergessen würde, erinnert an den Alten schon jetzt nur noch dieses Schild: Cornelius-Gurlitt-Straße, Dresdner Süden. Der alte Gurlitt begründete die Denkmalpflege in Sachsen, das muss man wissen, seine Straße verrät es einem nicht. Fassaden in gewagten Farben, dazwischen Baulücken. Für eine wurde vor Kurzem unter der Chiffre 35011 ein neuer Partner gesucht, im Immobilienteil der Sächsischen Zeitung. Das Grundstück befinde sich in "ruhiger Wohnlage", 610 qm, Mindestgebot 43.000 Euro. Das sind ordentliche Werte in der Bau-Boomtown Dresden. Aber was hilft es, wenn der Schatten von Schwabing bis nach Sachsen reicht? Bei dem Baugrund, so stand es in der Anzeige, handele es sich um eine "Altlastenverdachtsfläche".

Cornelius Pollmer, SZ vom 12./14. April 2014

"Mitten in" samt Detailfoto von dem Ungetüm (bzw. von der Kommandozentrale)

Quelle: Strittmatter

5 / 24

Mitten in ... Taipeh

Meine Toilette lebt. Also die in meinem Hotel. Ich kam ins Bad, da öffnete sie surrend ihre Klappe. Wir starrten uns beide an. Ich sie mit großen Augen, sie mich mit aufgesperrtem Maul, so als wollte sie mich gleich verschlucken. Als ich mich setzte, fing sie an zu gurgeln. Ich erstarrte. Plötzlich wurde es wunderschön warm. Ich entspannte mich. Irgendwann ging es ans Spülen. Bloß wie? An der Wand ein Kommandoterminal. 18 Knöpfe, Touchscreen. Airbuscockpit. Ich angelte mir die Gebrauchsanweisung. "Toilet functions". Zwei Seiten. Hm. "Forward wash"? "Back wash"? Oder doch "Nozzle clean"? Ich drückte "Wisdom electricity saving", das klang beruhigend. Immerhin: Sie schluckte mich nicht. Als ich das Bad verließ, drehte ich mich verstohlen um. Ich wollte sehen, ob sie mir vielleicht folgte. Sie schnurrte, tat, als schlafe sie.

Kai Strittmatter, SZ vom 5./6. April 2014

Wetter App

Quelle: SZ

6 / 24

Mitten in ... Riederalp

Skiurlaub, packen, Verstauungskrise. Diesmal wird es besonders eng, denn Freunde und Verwandte haben gewarnt: Konstant zweistellige Minusgrade hätte das Wallis zu bieten, zieht euch warm an. Die Wetter-App auf dem Smartphone zeigt beständig zwischen minus 14 und minus 18 Grad. Ab wann gibt es eigentlich kältefrei? In den Bergen dann herrlicher Sonnenschein, das Thermometer verkriecht sich nur wenig unter null, Tiefstwert minus fünf Grad. Lange Unterhosen und Windstopper bleiben im Schrank. Die Wirtsleute haben die Auflösung. "Die messen oben auf der Jungfrau, in 4000 Metern Höhe", sagt der Herbergsvater. Ungläubiges Kopfschütteln, wir befinden uns in Südlage, 1900 Meter über null. "Ich habe schon bei denen in Kalifornien angerufen, aber die wollen das nicht ändern. Für die ist die ganze Schweiz nur ein Fleck."

Werner Bartens, SZ vom 5./6. April 2014

Low clouds hover over the Los Angeles downtown skyline in Los Angeles

Quelle: REUTERS

7 / 24

Mitten in ... Los Angeles

Großer Auflauf am Abend vor einer Galerie in Downtown Los Angeles. Vor ein paar Jahren herrschte hier nach Sonnenuntergang Lebensgefahr, jetzt gehört das Stadtzentrum zu den hippsten Stadtteilen. In der Galerie werden Fotos von Leee Black Childers ausgestellt, dem ehemaligen Assistenten von Andy Warhol. Nur zu sehen bekommt man die Fotos von Junkies, Punks, Dragqueens und Studio-54-Gästen nicht, eine scheinbar unendliche Schlange hat sich vor dem Eingang gebildet. Ein Mann im Rollstuhl fährt die Schlange der missmutig Wartenden ab, er steuert auf den Hipster hinter mir zu und fragt: "Warum lächelst du nicht?" Der junge Mann zischt: "Ich habe nichts zu lächeln, ich steh' in der Schlange, wie du siehst." Der Rollstuhl-Mann gibt nicht auf: "Schau mich an", sagt er. "Ich hätte Grund, nicht zu lächeln. Aber ich tu's trotzdem."

Thorsten Schmitz, SZ vom 5./6. April 2014

DCODE MUSIC FESTIVAL

Quelle: picture alliance / dpa

8 / 24

Mitten in ... München

Das größte Schlachtfeld im Kampf gegen das Sich-alt-Fühlen ist das Rockkonzert: Je weiter hinten man dort steht, desto älter fühlt man sich, nicht andersherum. Etwa bei Franz Ferdinand, einer Band, die für Mittdreißiger das ist, was U2 für Fünfzigjährige sind oder die Stones für Leute, die den echten Franz Ferdinand noch kennenlernen durften. Hinten an der Bar stehen die Fußwipper mit Geheimratsecken, vor der Bühne springen die Jungen. Zum Glück gibt es die Zeitmaschine Bier. Langsam trinken wir uns zurück ins Studium und damit nach vorne. Dort hüpfen wir wie einst, zweimal, dreimal - bis der Freund das Gesicht unter der hohen Stirn verzieht: das rechte Außenband zwickt. Rückzug an die traurige Bar, wo die Humpelnden auf die Alten treffen. Die wippen übrigens immer noch mit dem Fuß, und das beneidenswert schmerzfrei.

Martin Wittmann, SZ vom 5./6. April 2014

Baum-Fahrradtour durch das Miesbacher Land, 2010

Quelle: Alessandra Schellnegger

9 / 24

Mitten in ... Schliersee

Auf dem Herrenklo der See-Bar im bayerischen Schliersee werden die Gäste von einer halbnackten Schaufensterpuppe begrüßt. "Ralfis Umarmungspuppe" steht auf ihrem T-Shirt, das so weit ausgeschnitten ist, dass die linke Brust freiliegt. Die Brustwarze hat jemand mit einem Stift angemalt. Ralfi, erzählt die Kellnerin, sei ein Stammgast, der im angeheiterten Zustand zu Zudringlichkeiten neige. Er umarme dann ständig andere Gäste. Irgendwann hätte man ihm deshalb die Puppe gekauft, "als Gag". Ralfi hätte sich total gefreut. Die anderen Gäste auch. Wenn die Bar voll ist, komme die Puppe jetzt immer an die Theke. Dann kriege sie einen eigenen Drink, und jeder könne sie mal anfassen. Am Ende des Abends fehle der Guten manchmal sogar ein Körperteil. So toll ist die Stimmung. In Bayerns traurigster Bar.

Marc Felix Serrao, SZ vom 29./30. März

Mücke beim Stich

Quelle: dpa

10 / 24

Mitten in ... Newcastle

Die Universität wurde in einem australischen Sumpfgebiet erbaut. Schlau war das nicht, auch wenn der Campus nun einem Dschungel ähnelt, was dem Studium einen abenteuerlichen Touch verleiht. Aber hin und wieder wird Giftschlangenalarm ausgerufen, dann darf man bestimmte Wege nicht beschreiten. Die eigentliche Plage allerdings sind die Mücken. Doch die Studenten sind gewappnet. An ihren Rucksäcken stecken hier neben der üblichen Wasserflasche auch Mückensprays. Und der "australische Gruß" - das Wedeln mit der Hand vor dem Gesicht - wird hier ergänzt durch ständiges Einschlagen auf alle möglichen Körperteile. Und als würde den Mücken das Leben nicht schon schwer genug gemacht, steht vor dem Campuseingang nun die Konkurrenz: Das Rote Kreuz wartet dort, mit einem großen Transparent: "Give Blood".

Viola Schenz, SZ vom 29./30. März

Berliner Kellner sind nicht die freundlichsten

Quelle: Marc Tirl/dpa

11 / 24

Mitten in ... Berlin

Berlin und Service, das geht nicht zusammen, wie Schwarz und Weiß, Hölle und Eis. Ein Gast/Kunde/Klient ist in der Hauptstadt erst mal jemand, mit dem es ein Kräfteverhältnis zu testen gilt. Meistens gewinnen die Servicekräfte. Berlins Kellner etwa, die man auf keinen Fall "Bedienung" nennen sollte. "Bedienung", gleichbedeutend mit Unterwerfung, ist in Berlin keine Anrede, sondern eine Beleidigung. Daher erst mal ein untertäniger Blick zu dem Mann, der im Feinkostladen an der Friedrichstraße bedient. Im Laden eine lange Schlange, keiner hat Zeit. Der Mann hinter der Theke hingegen: füllt Salate in Schälchen, gibt ungefragt Brot dazu und begegnet jedem in der Schlange mit der Ernsthaftigkeit eines Priesters. Und wie heißt die einzige zuvorkommende Bedienung Berlins? Auf dem Namensschild an seiner Brust steht: "Herr Kerl".

Verena Mayer, SZ vom 29./30. März 2014

Kerem Shalom Kreuzung an der Grenze zwischen Gaza und Israel

Quelle: AFP

12 / 24

Mitten in ... Gaza

Zwischen Israel und dem Gazastreifen verläuft eine der am besten gesicherten Grenzen der Welt. Zäune, Mauern und Wachtürme trennen die erbitterten Feinde, über dem Grenzgebiet schwebt ein Ballon mit Kameras, die jede Bewegung registrieren. Der einsame Weg von einer Seite auf die andere führt durch eine in die Mauer eingebaute Eisentür, die sich ferngesteuert öffnet und schließt. Doch plötzlich hat sich ein Loch aufgetan in der Mauer, einige der Betonteile sind umgefallen wie Dominosteine. Ist das eine Folge jener Gefechte, die unlängst wieder an der Grenze tobten? Haben palästinensische Kämpfer tatsächlich ein Loch in den Wall gebombt? Der Fahrer aus Gaza lacht ob solcher Spekulationen. Es habe einfach nur geregnet, sagt er. Das Wasser hat die mächtige Mauer unterspült und zum Einsturz gebracht.

Peter Münch, SZ vom 29./30. März

Favelas Rio de Janeiro Brasilien

Quelle: Getty Images

13 / 24

Mitten in ... São Paulo

Langstreckenflug, Economy-Class, zwölf Stunden bis München. Viel Spaß mit unserem Entertainment System, einen angenehmen Aufenthalt an Bord. In São Paulo geht die Sonne unter, jetzt einfach nur schlafen. Der Mann neben mir sieht das anders. "Endlich wieder nach Deutschland", sagt er, zu mir, wie es scheint. Ich nicke. Deutschland, jaja. "Ich lebe jetzt seit sieben Jahren in Brasilien", fährt er fort, "aber ich will weg". "Hmm". Er holt tief Luft und deutet auf seine Brust. "Springmesser, direkt bei mir vor der Haustür." Dann ein Stück tiefer: "Küchenmesser, zweimal umgedreht. Hatte kein Geld dabei." Eine ganz normale Gegend sei das, wo er lebe, "damit musst du hier rechnen". Insgesamt habe er sieben Messerstiche abbekommen, "jedes Jahr einen". Er rückt sein Hemd zurecht, nickt freundlich und sucht sich einen Film aus: "Finsterworld".

Charlotte Theile, SZ vom 22./23. März 2014

Nachrichtensendung USA KTLA Chris Schauble Megan Henderson

Quelle: KTLA

14 / 24

Mitten in ... Los Angeles

Der Auftritt der Moderatoren vom kalifornischen Nachrichtenkanal KTLA wirkt rückblickend wie ein Sketch über schreckhafte Journalisten. Die Erde beginnt an diesem Tag, wie so oft in L.A., zu wackeln - und Chris Schauble und Megan Henderson flüchten sogleich unter ihren Schreibtisch. Danach schalten sie live nach Downtown, wo ein Reporter berichtet, wie "heftig" das alles gerade war - während im Hintergrund in aller Ruhe ein Bus vorbeifährt. Wer als Zuschauer alarmiert ins Kinderzimmer läuft, findet den Nachwuchs sanft schlummernd vor. Auch bei den Nachbarn herrscht Ruhe. Offenbar kennen gebürtige Kalifornier den Unterschied zwischen Medienpanik und echter Gefahr. Oder, wie die 84-Jährige von nebenan meint: "Das war ein Babypups!" Man solle mal abwarten, was passiert, "wenn es wirklich wackelt". Wie beruhigend.

Jürgen Schmieder, SZ vom 22./23. März 2014

Altbauwohnung Wohnung Altbau München Deutschland

Quelle: Frank Leonhardt/dpa

15 / 24

Mitten in ... München

In der Anzeige klang alles noch so gut. Vielleicht zu gut: 3,5-Zimmer-Wohnung in der Innenstadt, Altbau, vor gerade mal vier Jahren renoviert, erster Stock, Fischgrätparkett. Entsprechend groß ist der Andrang beim Besichtigungstermin. Der Vormieter kommt schnell zum Punkt. Er spricht vom "Ebay-Prinzip". Wer ihm am meisten für seine Möbel biete, bekomme die Wohnung. Dann legt er eine Liste mit den Neupreisen der abzulösenden Möbel auf den Tisch. Schnell wird klar: Wer allzu weit davon abweicht, ist raus. Ein Blick also auf die Wunschliste des Herren: 12 000 Euro hätte er gerne für seine Küche, 3200 Euro für seinen Tisch, 3200 Euro für den Kleiderschrank. Insgesamt kommt man auf mehr als 30 000 Euro Wunschablöse. Miete und Kaution sind da noch nicht inbegriffen. Willkommen auf dem Münchner Wohnungsmarkt.

Frederik Obermaier, SZ vom 22./23. März 2014

Gosenschenke Leipzig

Quelle: Gosenschenke

16 / 24

Mitten in ... Leipzig

Leipzig bietet viel historisches Inventar. Große Sehenswürdigkeiten wie das Völkerschlachtdenkmal, aber auch Kleinodien wie das älteste im Originalzustand erhaltene Lichtspieltheater Deutschlands. Oder die traditionsreiche "Gosenwirtschaft" namens "Ohne Bedenken". Das war mal die Stammkneipe von Wladimir Putin, als er hier von 1985 bis 1990 als KGB-Agent stationiert war. Bei Gose, dem leicht säuerlichen Bier, vertiefte er seine Deutschkenntnisse. Der Gedanke an Putin lässt in diesen Tagen manche Besucher der Schenke erschaudern. Aber Krim-Krise hin oder her - die Bedienung beantwortet die Fragen der Gäste so routiniert wie immer. Putin, sagt sie, habe gerne "Cajaris Liebling" bestellt, ein Schweinesteak mit heißer Leberwurst und Bratkartoffeln. Außerdem habe er immer hinten auf dem Podest gesessen. Links außen.

Michael Kuntz, SZ vom 22./23. März 2014

-

Quelle: AFP

17 / 24

Mitten in ... Paris

Die Dunstglocke lastet seit Tagen über der "Stadt der Lichter", seit Mitte der Woche ist der Eiffelturm in einem Nebel aus Feinstaub verschwunden. Smog-Alarm wie in Peking, Paris leidet unter der Dreckluft. Wir auch. Der Sohn hat Kopfschmerzen, die Frau verspürt's im Hals und schwächelt. Also gehen Vater und Tochter einkaufen. Im Supermarkt laufen die Fernseher. Wir sehen Bürgermeister Bertrand Delanoë, wie er vor seinem prächtigen Rathaus steht und erzählt was er tut, um seinen Bürgern Atem zu verschaffen: Metro und Vorortzüge rollen kostenlos, Leihfahrräder und Elektro-Mietautos stehen mit Rabatt bereit. Und so weiter. Plötzlich reißt der Wortschwall ab, Monsieur le Maire muss kräftig husten. Tochter Lea versteht zwar wenig Französisch, aber das hat sie kapiert. Sie lacht den Mann aus. Und reibt sich die geröteten Augen.

Christian Wernicke, SZ vom 15./16. März 2014

Eine ausführliche Bildergalerie zum Smog in Paris finden Sie hier.

Jonas Kaufmann als  ´Werther" an der New Yorker Met

Quelle: dpa

18 / 24

Mitten in ... New York

Metropolitan Opera. Das Orchester schrammelt sich warm für Massenets "Werther". 4000 Leute nehmen geräuschvoll ihre Plätze ein. Auf den billigeren Rängen haben die meisten ihre Mäntel auf dem Schoß, die Taschen zwischen den Beinen, selbst im Flugzeug sitzt man bequemer. Eine Stimmung wie im Baseball-Stadion. Kommt jetzt gleich noch der Hotdog-Verkäufer? Neben mir diskutieren zwei New Yorkerinnen über den "deutschen Wundertenor" Jonas Kaufmann: "Oh, yeh, he's a great guy!" Die Mittsechzigerinnen tragen geräumige Sackkleider und scannen mit ihren Operngläsern Parkett und Boxen. Alles total relaxed hier. "Die Leute hier werden ja immer schicker", murmelt die eine. "Scheußlich, früher wäre das nicht vorgekommen", knarzt die andere. In der Pause nehme ich sicherheitshalber meinen Schmuck ab.

Jutta Czeguhn, SZ vom 15./16. März 2014

Drehort für den neuen James Bond Film "Spectre" mit Daniel Craig, Rom, Vatikan

Quelle: AFP

19 / 24

Mitten in ... Rom

So trocken der Winter in Deutschland war, so nass geriet er in Rom. Eine anrüchige, lehmbraune Flut wälzt sich durch die Stadt, beladen mit Unmengen Unrat. Müll, Balken, losgerissene Bötchen und entwurzelte Bäume verfangen sich an den Pfeilern der Engelsbrücke, der Ponte Vittorio Emanuele II. oder der Ponte Principe Amedeo. Zerfetzte Plastiktüten garnieren das Chaos und lassen die Baumgerippe wie apokalyptische Christbäume wirken. An etlichen Stellen ist das Gehölz mit Seilen an den Brücken festgebunden. "Warum macht man denn das?", frage ich einen Straßenkehrer. "Damit es nicht weiter abtreibt und noch mehr Schaden anrichtet." - "Und warum holt die Stadtreinigung das ganze Zeugs nicht gleich aus dem Wasser?" Der Mann sieht mich an wie einen Einfaltspinsel. Dann zuckt er die Achseln: "Sie wissen doch - die Krise."

Stefan Ulrich, SZ vom 15./16. März 2014

Logo Russische Post

Quelle: SZ

20 / 24

Mitten in ... Moskau

Russland ist nicht mehr die Sowjetunion, aber in Freilichtmuseen kann man sie noch erleben. Sie sind mit blauen Schildern markiert, auf denen steht: Postamt. Gut meinende Menschen haben mir ein Päckchen geschickt. Drei Wochen später konnte ich es abholen. Am Samstag hatte ich Zeit, aber da war zu, es war Internationaler Frauentag. Am Montag war auch zu, denn wenn ein Feiertag auf das Wochenende fällt, wird er am nächsten Arbeitstag nachgeholt. Dienstag war geöffnet. Nachdem sich eine halbe Stunde nichts bewegt in der Schlange, erfahre ich, dass die Dame am Schalter erst den Rechnungsabschluss von den Tagen davor macht, denn da war ja zu. Das ging bis mittags, erzählen mir die Veteranen der Schalterschlange, als ich am Mittwoch wiederkomme. Sie zitieren eine sowjetische Weisheit: "Darum leben wir so, wie wir leben".

Julian Hans, SZ vom 15./16. März 2014

Iris Berben Holocaust-Mahnmal Berlin

Quelle: dpa

21 / 24

Mitten in ... Berlin

Am Holocaust-Mahnmal beugen Journalisten und Fotografen ihre Köpfe über 23 internetfähige Pflastersteine, die eben gerade in den Bürgersteig eingelegt wurden. Die von einer Berliner Bank gesponsorten Pflastersteine sind sozusagen die digitale Version der messingbeschlagenen Stolpersteine. Die Bank hat Schauspielerin Iris Berben für die Präsentation gewonnen. Die Idee: Hält man sein Smartphone auf das QR-Raster der Steine, hört man ein Konzert, das 2008 im Stelenwald des Mahnmals stattfand. Problem an diesem Vormittag: Es will sich kein Ton einstellen. Iris Berben lächelt trotzdem. Kniet sich hin, nimmt einen Stein, tut so, als verlege sie ihn. Doch jede Inszenierung hat auch Grenzen. "Hören Sie endlich auf, mich ständig von unten zu fotografieren", maßregelt Berben eine Fotografin, "da sieht man nicht gut aus."

Thorsten Schmitz, SZ vom 8./9. März 2014

Fauchender Tiger

Quelle: DPA

22 / 24

Mitten in ... Khao Sok

Nachtsafari im thailändischen Dschungel. Unser Guide Jah sagt, an den Augen eines Tieres erkenne man, ob Gefahr droht: Fleischfresser-Augen reflektierten das Licht seiner Lampe grün, Vegetarier-Augen rot. Zu fünft schleichen wir durch den dusteren Wald - immerhin leben hier wilde Tiger, Bären, Elefanten sogar. Die erste Ausbeute ist allerdings mau: Eine Katze, eine Baby-Schlange und zwei Beine einer Tarantel, die sich in ihrem Loch versteckt. Plötzlich hält Jah inne, legt den Finger an die Lippen und löscht das Licht. Angespanntes Lauschen. Dann: Lautes Trompeten direkt neben uns! Jah hat einen Elefanten nachgeahmt und lacht die erst verschreckten und jetzt angefressenen Touristen aus. Für einen Moment wünschen wir ihm für seine nächste Tour mehr Erfolg beim Augensuchen. Mögen ihn viele grüne Lichter finden.

Karoline Meta Beisel, SZ vom 8./9. März 2014

Polizisten

Quelle: dpa

23 / 24

Mitten in ... Düsseldorf

Karneval, in Düsseldorf ist die Hölle los. Es ist schon spät am Abend. Das Taxi nähert sich dem Hotel, einige Straßen von der Innenstadt Düsseldorfs entfernt. Schon von weitem sind die sechs Mannschaftswagen der Polizei zu sehen, die auf der Straße direkt vor dem Eingang parken. Durch die großen Hotelfenster sieht man in die Lobby, überall Polizisten in Kampfmontur. Die schätzungsweise 30 Beamten sind voll ausgerüstet, an ihrer Seite baumeln Waffen und Kabelbinder. Worum geht es? Rauschgift, Mord? Der freundliche Taxler bietet noch an, ein anderes Hotel anzufahren. Doch die Neugier siegt. Der Mann an der Rezeption lacht. Die Bundespolizisten, Mitglieder einer Spezialeinheit, haben eine Übung in der Stadt, sind Hotelgäste. Er sagt: "Keine Sorge. Sie wohnen heute im wahrscheinlich sichersten Hotel von ganz Düsseldorf."

Caspar Busse, SZ vom 8./9. März 2014

Stau Los Angeles Highway USA

Quelle: AFP

24 / 24

Mitten in ... Los Angeles

Natürlich, mal wieder im Stau. Freeway 405 wird umgebaut. Wer in dieser Stadt lebt, hat sich daran gewöhnt, dass der Verkehr einfach nur schrecklich ist - doch der Stau hier ist besonders schlimm, man hat ihm sogar einen Namen gegeben: Jamzilla. Wir stehen. Im Auto nebenan flucht einer ins Telefon. Ein anderer streitet mit dem Beifahrer. Doch die zwei Frauen im Hybridauto scheinen bestens gelaunt zu sein, aus dem Fenster dringt "Happy" von Pharell Williams. Warum sie so bloß so unverschämt gut drauf sind in diesem Inferno? Vielleicht deshalb: Jamzilla wird ihr letzter Stau auf dieser Straße sein. Denn bei dem Umbau wird eine eigene Spur für Fahrgemeinschaften und für umweltfreundliche Autos errichtet. Die dürfen dann am Stau einfach so vorbeirauschen. Grandiose Idee! Na dann: Auf welchem Sender läuft "Happy"?

Jürgen Schmieder, SZ vom 8./9. März 2014

© SZ/cag
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: