"Zwischen Welten" im Berlinale-Wettbewerb:Schlaflos ist der Racheengel

"Zwischen Welten" mit Ronald Zehrfeld

Ronald Zehrfeld (rechts) mit Mohsin Ahmady in einer Szene von "Zwischen Welten".

(Foto: Berlinale Festival)

Lauter Morde auf Bestellung: Ein norwegischer, ein griechischer und ein deutscher Film berichten vom Töten an den Frontlinien der Gesellschaft. "Zwischen Welten" mit Ronald Zehrfeld zeigt dabei den afghanischen Konflikt, wie man ihn selten gesehen hat.

Von David Steinitz, Berlin

Im Berlinale-Wettbewerb spritzt das Blut: Auftragskiller im norwegischen Schnee, Auftragskiller in der griechischen Großstadt-Tristesse und deutsche Soldaten in der afghanischen Wüste - aus der Sicht vieler Einheimischer auch nur Auftragskiller. Für "Zwischen Welten", die vierte deutsche Produktion im diesjährigen Wettbewerb, hat Regisseurin Feo Aladag, die 2010 für ihr Immigrations-Drama "Die Fremde" bereits den Deutschen Filmpreis gewonnen hatte, über Jahre hinweg immer wieder in Afghanistan recherchiert - und den Film schließlich sogar dort gedreht, mit logistischer und fachlicher Unterstützung durch die Bundeswehr.

Hauptmann Jesper (Ronald Zehrfeld), dessen Bruder bei einem gemeinsamen Afghanistan-Einsatz ums Leben kam, meldet sich ein zweites Mal ins Krisengebiet. Zusammen mit einer Handvoll deutscher Soldaten und dem jungen afghanischen Übersetzer Tarik (Debütant Mohsin Ahmady), sollen sie ein kleines Dorf im Kampf gegen die Taliban unterstützen.

Einheimische und Soldaten im Dauerausnahmezustand

Zwar zeichnet Aladag, die auch das Drehbuch geschrieben hat, die verschiedenen Parteien in ihrem Film - den deutschen Soldaten, der seinen Befehlen gehorchen muss; die Dorfbewohner, die schon viele Besatzer haben kommen und gehen sehen; den kindlichen Übersetzer, der wegen seines Jobs als Verräter angesehen wird und Morddrohungen bekommt - manchmal etwas schablonenhaft antagonistisch. Aber die Dreharbeiten vor Ort - Kunduz und Mazar-i-Sharif - haben ihrem Film doch einen Detailreichtum verliehen, vor allem in der Schilderung des Alltags der Einheimischen und der Soldaten im Dauerausnahmezustand, wie man ihn selten gesehen hat. Dutzende Sicherheitsroutinen, die zu natürlichen Reflexen geworden sind, und die letztlich doch nur dazu dienen, die Illusion einer Schutzmöglichkeit aufrecht zu erhalten.

Zudem greift der Handlungsstrang um Übersetzer Tarik eine Problematik auf, die während der Entstehung des Films immer akuter geworden ist: Da die Bundeswehr sich in diesem Jahr aus Afghanistan zurückziehen wird, werden einige hundert afghanische Mitarbeiter zurückbleiben, die schon jetzt Asylanträge in Deutschland stellen, weil sie und ihre Familien als Kollaborateure in Lebensgefahr schweben.

Ein Krisenfilm ist auch der griechische Wettbewerbsbeitrag "To mikro psari / Stratos" von Yannis Economides, der auch durch deutsche Beteiligung zustande kam. Unter anderem wurde er durch die Filmstiftung Nordrhein-Westfalen gefördert. Stratos (Vangelis Mourikis, der Mann mit den wohl tiefsten Tränensäcken der Filmgeschichte) steht nachts als Billiglöhner in einer Großbäckerei an der Teigmaschine, tagsüber arbeitet er als Auftragsmörder, um eine alte Schuld abzutragen.

Eine Art mediterraner Film noir, und auch ein bitterböser Kommentar zum darbenden Griechenland. Denn der Auftragskiller Stratos ist in dieser Mördergeschichte voller schlafloser Gesichter, in der jeder jeden verkauft, um irgendwie durchzukommen, noch das moralisch integerste Wesen. Ob die blutige Pointe dieses Films, in dem Stratos sich schließlich von seinen Auftraggebern löst und zum gnadenlosen Racheengel mutiert, nicht noch fieser gewesen wäre, wenn Regisseur Economides etwas mehr aufs Tempo gedrückt hätte, fragt man sich während der knapp 140 Minuten Spieldauer dann aber doch.

An der humorvolleren - allerdings nur bedingt kurzweiligeren - Killer-Geschichte versuchte sich schließlich Hans Petter Moland, in der norwegisch-schwedisch-dänischen Koproduktion "Kraftidioten / In Order of Disappearance". Hauptdarsteller ist Stellan Skarsgård, mit dem Moland schon öfters zusammengearbeitet hat und der nach seinem "Nympomaniac"-Auftritt am Sonntag nun ein zweites Mal über den roten Teppich schritt.

"Kraftidioten" hat ein paar sehr skurrile Szenen, die deutlich vom Galgenhumor der frühen Coen-Brüder-Filme beeinflusst sind, die unter skandinavischen Filmemachern offenbar ganz besonders heiß verehrt werden - allen voran natürlich "Fargo". Trotzdem denkt man bei dieser Geschichte um einen braven Schneepflüger (Skarsgård), der in seinem Städtchen gerade zum Bürger des Jahres gewählt wurde, sich dann aber von einer Szene auf die andere in einen brutalen Killer verwandelt, um den Tod seines Sohnes zu rächen, bald an eine Nummernrevue.

Denn die Sketche dieser Gangster-Klamotte scheinen Moland wesentlich wichtiger zu sein, als seine Geschichte als Ganzes halbwegs im Griff zu haben. Zwischendrin verschwindet Skarsgård mal eine halbe Stunde, dafür taucht Bruno Ganz als serbischer Drogenboss auf, und auch ein paar weitere Koks-Killer mischen mit. Bis beruhigende Schneeflocken herabrieseln und das blutige Durcheinander zärtlich bedecken.

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