Bronze für Viktoria Rebensburg:Rechtzeitig elegant und lässig

Lesezeit: 3 min

Ach, was der Matsch: Viktoria Rebensburg raste im Riesenslalom zu Bronze. (Foto: dpa)

Erstaunliches Comeback von Viktoria Rebensburg: Nach einer langen Virus-Infektion kam sie als Außenseiterin nach Sotschi, doch bei schwierigen Bedingungen fährt sie mit einem tollen zweiten Lauf im Riesenslalom auf Platz drei.

Von Jonas Beckenkamp

Ein rechtes Sauwetter hüllte die Bergregion Krasnaja Poljana an diesem Vormittag in tiefes Grau ein, es regnete feine Wasserschnürchen vom Himmel. Wer bei solchen Bedingungen im Ski-Urlaub weilt, würde auf die Piste pfeifen und in die Sauna gehen. Aber bei Olympia gibt es einen Zeitplan - und so mussten die besten Riesenslalom-Fahrerinnen der Welt ein Rennen bestreiten, das eigentlich keinen großen Spaß machte.

Ein wenig Hoffnung hatte ja bestanden, dass die warmen Temperaturen zumindest für alle gleich schlechte Bedingungen bewirken, doch es kam anders. Der matschige Hang in Rosa Chutor entpuppte sich als tiefe Seifenfläche, die mit fortlaufender Wettbewerbsdauer kaum noch zu bewältigen war. So entwickelte sich eine erwartbare Rennlogik und es war schnell klar, dass mit Tina Maze die Frau mit Startnummer eins am besten mit den Verhältnissen zurechtkam. Die Slowenin sicherte sich dank eines unbeschwerten ersten Laufs ihre zweite Goldmedaille bei diesen Spielen. Hinter ihr reihte sich Super-G-Gewinnerin Anna Fenninger aus Österreich ein - doch die eigentliche Story des Tages war Viktoria Rebensburg. Die Frau vom Tegernsee wurde Dritte.

Die Titelverteidigerin hatte nach einer nervenden Virus-Infektion Probleme gehabt in dieser Saison, seit mehr als einem Jahr ist ihr kein Weltcup-Sieg mehr gelungen, zudem fehlte ihr die Rennpraxis. Von diesen Hindernissen ließ sie sich aber nicht aufhalten. Nach Platz sechs im ersten Durchgang kämpfte sie sich bravourös nach vorne und durfte sich schließlich über Bronze freuen. "Ich habe immer daran geglaubt", sagte Rebensburg.

Riesenslalom der Frauen
:Rebensburg fährt mit Aufholjagd zu Bronze

Platz sechs im ersten Durchgang, Platz drei am Ende: Viktoria Rebensburg schafft im Riesenslalom die Überraschung und gewinnt Bronze. Trotz eines wackligen zweiten Durchgangs verteidigt Tina Maze Platz eins.

Bei Schneefall im Startbereich, Tauwetter weiter unten und einem klebrigen Untergrund hatten die viele Starterinnen erhebliche Probleme im siebten von zehn Alpin-Rennen dieser Spiele. Aus deutscher Sicht hatte der Tag ohnehin mit wenig erbaulichen Nachrichten begonnen: Maria Höfl-Riesch verzichtete auf ihren vierten Start in Sotschi, weil ein "Infekt der oberen Atemwege" sie zu sehr plagte. Ernsthafte Chancen dürfte sich die dreifache Olympiasiegerin aber ohnehin nicht ausgerechnet haben: Ihre Stärken liegen eher im Slalom oder in der Abfahrt.

Weil Höfl-Riesch fehlte, freute sich die Lenggrieserin Barbara Wirth über ihr Debüt bei diesen Wettkämpfen. Doch auch sie dürfte sich das Rennen anders vorgestellt haben. Wer im ersten Durchgang früh ins Tal flitzte, war eindeutig im Vorteil. Als Allererste stürzte sich Maze hinunter, die Co-Siegerin der Abfahrt genoss eine zum diesem Zeitpunkt noch unberührte Strecke, was sie zu einer fehlerfreien Fahrt nutzte. Gleich nach ihr gelang der Schwedin Jessica Lindell-Vikarby, Startnummer zwei, ein ähnlich überzeugender Lauf - auch sie ließ sich vom Wetterwechsel auf dem Kurs nicht beirren und lag nur 0,52 Sekunden zurück.

So ging es weiter, beinahe alle Fahrerinnen reihten sich gemäß ihren Startpositionen mit Rückständen ein. Einzig die Italienerin Nadia Fanchini fuhr mit Startnummer zehn auf den dritten Rang. Viktoria Rebensburg passierte bei ihrem Versuch, die Piste zu meistern, im oberen Teil ein Fahrfehler, danach lieferte sie eine vorsichtige Vorstellung ab - wohl auch, weil sie auf dem komplizierten Geläuf lieber sicher ankommen wollte und auf mehr Tempo im zweiten Lauf hoffte.

Platz sechs und über sieben Zehntel bis zum Bronzerang waren das Resultat. An eine Titelverteidigung der 24-Jährigen war da kaum mehr zu denken.

Verletzte Sportler
:Ausgerechnet bei Olympia

Offene Brüche, gerissene Bänder, kaputte Bandscheiben: Nicht nur Felix Neureuther kommt bei den Olympischen Spielen eine Verletzung dazwischen. Eine Auswahl verletzter Sportler.

An eine Besserung der Bedingungen ebenso wenig, weshalb der entscheidende Lauf noch einmal verschoben werden musste. Erst als der dichte Schneefall im Anfangsabschnitt nachließ, konnte es weitergehen. Am besten eingestellt schien zunächst die Italienerin Francesca Marsaglia, der ein flotter Ritt mit neuer Spitzenzeit gelang. Oben griffig, unten schmierig - das blieb auch weiterhin die entscheidende Herausforderung dieser Strecke und weil das Wetter noch nicht genügend Kapriolen geschlagen hatte, zog zusätzlich dichter Nebel auf: Wie gesagt, perfektes Klima zum Daheimbleiben.

Es folgte eine weitere Bestzeit der Französin Anne-Sophie Barthet, ehe Lara Gut den Berg hinabzischte. Die Schweizerin hatte am Vormittag noch arge Probleme gehabt (nur Platz 16), doch nun pulverisierte sie die Versuche der Konkurrenz. Ihre Führung hatte eine Weile Bestand und es brauchte schon zwei entschlossene Auftritte von Anémone Marmottan und Maria Pietilä-Holmner, um Gut von der Spitze zu verdrängen. Dann kam Rebensburg, die bereits im oberen Streckenteil andeutete, dass hier vielleicht doch was ging: Ihr Fahrstil wirkte wie in besten Zeiten lässig, geradezu entspannt, als säße sie daheim auf dem Sofa. Sie ließ den Ski laufen, wie das die Experten sagen.

Es war so, wie das bei Rebensburg oft ist: An guten Tagen ist sie die vielleicht eleganteste deutsche Skifahrererin. Mit neuer Bestzeit führte sie nun plötzlich - wenn auch nur kurz. Anna Fenninger übertrumpfte die Deutsche mit kleinem Vorsprung. Weil mit Jessica Lindell-Vikarby die Zweitplatzierte aus Durchgang eins einen schlechten zweiten Lauf erwischte, hatte Rebensburg Bronze sicher. Dass es weiter wie aus Eimern regnete, störte sie längst nicht mehr.

Karriere von Viktoria Rebensburg
:Weltklasse vom Tegernsee

Als Juniorin gewann Vicky Rebensburg alles, trotzdem taten ihren überraschenden Olympiasieg 2010 manche als Zufall ab. Doch sie etablierte sich in der Weltspitze - und macht nun Schluss. Ihre Laufbahn in Bildern.

Das Rennen hatte damit eine Wendung genommen, an die wohl nur wenige vorher geglaubt hätten. Und oben stand noch Maze. Die 30-Jährige demonstrierte, dass sie pünktlich zum Großevent in Bestform ist. Obwohl ihr Vorsprung von Schwung zu Schwung schmolz, sauste die Slowenin zackig den Berg hinunter. Es wurde knapp, richtig knapp - doch am Ende blieb sie sieben Hundertstel vor Fenninger. Maze vor Fenninger und Rebensburg. Es war die aufregende Pointe eines Rennens, das das Sauwetter so unvorhersehbar gemacht hatte.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: