Feldafing:"Alles Schmu"

Bei der Diskussion um die städtebauliche Entwicklung von Feldafing kochen die Emotionen hoch. Vor allem der Klinikneubau auf dem nördlichen Teil des Bundeswehrgeländes kritisieren die Bürger vehement

Von Otto Fritscher

Feldafing Ortsplanung

Feldafing Ortsplanung Feldafing, Bürgersaal RH, Ortsplanung, das Publikum. Foto: Georgine Treybal

(Foto: Georgine Treybal)

Es ist ein ganzer "Schwall von Vorwürfen", der sich über ihn und die anderen Referenten ergießt. So empfindet es zumindest Stadtplaner Hartmut Schließer, der am Montagabend im überfüllten Feldafinger Bürgersaal seine Vorstellungen zur städtebaulichen Entwicklung Feldafings darlegt. Er erklärt, so könnte man seinen Vortrag zusammenfassen, dass der Ort insgesamt in den vergangenen Jahren sicher nicht schöner geworden ist. Schließer kann dies auch mit Fotos belegen. Es bestehe Sanierungsbedarf an vielen Ecken und Enden.

Doch das ist es nicht, was in den kommenden Viereinviertel Stunden die Atmosphäre im Saal immer mehr aufheizen wird. Die Emotionen kochen besonders dann hoch, wenn es um den geplanten Neubau der Benedictus-Klinik auf dem nördlichen Teil des Bundeswehrgeländes geht. Die Planungen sind, das wird bei den Wortmeldungen deutlich, vielen Bürgern zu massiv, zu hoch, zu groß. So sieht das auch Joachim Rhaden, Vorsitzender der neu gegründeten Bürgerinitiative "Pro Feldafing": "Ich bin nicht zufrieden. Alles Schmu. Es wird mit falschen Zahlen operiert", sagt Rhaden in der Pause.

In der Zwischenzeit werden die schriftlich eingereichten Fragen gebündelt. Bürgermeister Bernhard Sontheim soll beantworten, warum die Gemeinde das Kasernengelände noch nicht gekauft hat. "Weil es ihr noch nicht angeboten worden ist", sagt er. Das ruft Ute Eiling-Hütig, CSU-Gemeinderätin und Landtagsabgeordnete, auf den Plan. Sie springt auf und wirft Sontheim vor, "vor einer Woche noch genau das Gegenteil gesagt zu haben". Eigentlich sollen nur schriftlich gestellte Fragen beantwortet werden, doch das Ganze gerät Versammlungsleiterin Andrea Roever etwas außer Kontrolle, und ein Handmikrofon macht im Saal die Runde. Von nun an kann munter hin- und herdiskutiert werden.

Yasmine Blütling, zweite Vorsitzende der BI, will den städtebaulichen Vertrag einsehen, den die Gemeinde mit Klinikbetreiber Artemed geschlossen hat. "Der wird offengelegt", kündigt Sontheim an. Worauf wiederum Eiling-Hütig anspringt: "Heute Nachmittag habe ich noch eine E-Mail von der Gemeinde bekommen, in der drin steht, dass das nicht geht." Sontheim sagt, "erst heute um 18.45 Uhr" habe Artemed einer Offenlegung zugestimmt. Immer wieder wird Kritik an den Ausmaßen des geplanten Krankenhauses laut. Ein Diskutant stört sich sogar an dem kreuzförmigen Grundriss, in dem er "ein Hakenkreuz" zu erkennen glaubt, "wenn man von Mallorca aus über Feldafing in Richtung München fliegt". "Sie haben aber eine Phantasie", kontert Andrea Roever. Zur Beruhigung hilft auch der Hinweis von Architekt Georg Stahl nichts, die Klinik-Planung sei "bereits mehrfach eingedampft" worden. Artemed-Geschäftsführer Clemens Guth ergreift spontan das Mikrofon, um zu versichern, das Krankenhaus sei mit seinen 210 Betten keineswegs überdimensioniert. Und Artemed, der Betreiberkonzern der Krankenhäuser in Feldafing und Tutzing, habe auch nicht die Absicht, die Personalwohnungen, die neben dem 120 Meter langen, bis zu 20 Meter hohen Komplex geplant sind, auf dem freien Markt zu verkaufen, um Rendite zu machen - ein Befürchtung, die manche Feldafinger offenbar hegen.

Und Guth räumt mit Gerüchten auf, die am Ort die Runde machen. "Dreimal Nein", ruft er in den Saal, "es wird beim Neubau keinen Hubschrauber-Landeplatz geben, keine häufigen Notarzteinsätze und auch keine riesige Ambulanz, das wird eine Reha-Einrichtung." "Es geht darum, das Krankenhaus am Ort zu behalten, wir können froh sein, dass wir in Feldafing so eine Top-Einrichtung haben", versucht Sontheim die Gemüter zu beruhigen. Doch einen Bürger stört es mehr, "dass man den riesigen Bau vom anderen Seeufer ganz sicher sehen kann".

Die Analyse von Stadtplaner Hartmut Schließer zur städtebaulichen Entwicklung Feldafings geht an diesem Abend fast unter. Als Kerngebiete hat er das Ortszentrum und die Fernmeldeschule ausgemacht. Im Ortszentrum hat er eine Verschlechterung der baulichen Gestaltung festgestellt, durch die "der Charakter und die Atmosphäre in Feldafing leiden". Er plädiert dafür, bei jedem Bauvorhaben künftig einen externen Berater für die gestalterischen Dinge hinzuziehen. Und er beklagt die Gestaltung der öffentlichen Räume, sie seien dem motorisierten Verkehr geopfert worden.

Schließer legt sodann seinen "Masterplan" für Feldafing vor, eine Prioritätenliste der Sanierungsmaßnahmen und Neugestaltungen, beginnend mit dem Bahnhofsumfeld, dann die Bahnhofstraße, das Areal um das alte Rathaus, das Sportstadion und schließlich das Starzenbachtal. "Das wird zehn oder zwanzig Jahre dauern", erklärt Schließer. Und ganz erhebliche Kosten aufwerfen. Aber die Gemeinde könne mit Zuschüssen von 60 Prozent für die Aufhübschung des Ortszentrums und gar von 80 Prozent bei der Entwicklung des Kasernenareals rechnen. Landschaftsarchitektin Barbara Baumann widmet sich vor allem den Sichtachsen, die wieder hergestellt werden müssten. Und das löcherige Fußwegesystem müsse zu einem richtigen Netz ausgebaut werden. Ein Entwicklungsprozess, der insgesamt "Vertrauen, Kontinuität, konstruktive Diskussionen und einen langen Atem" erfordert, sagt Hartmut Schließer. An diesem Abend sieht es aber eher nach Wahlkampf aus.

Das Fazit zieht Anton Maier, Bürgermeister-Kandidat der Grünen: "Das ist ja unglaublich, diese Aggressivität bei den Fragen. Das habe ich nicht erwartet." Aber auch Maier kann sich einen Seitenhieb dann nicht verkneifen. "Mit mir als Bürgermeister wäre das nicht passiert, weil ich die Bürger schon viel früher miteinbezogen hätte."

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