Kommunalwahl in Freising:Neuer Landrat, alte Sorgen

Wer aus dem Bewerber-Quartett am Ende die Nase vorne haben wird, ist ungewiss. Nur eines steht fest: Der Nachfolger von Michael Schwaiger muss mit wenig Geld viel bewegen. Ein interaktiver Überblick.

Von Peter Becker

Vor einem knappen halben Jahr war die Lage noch überschaubar. Eine Schar gut gelaunter Kreisräte machte sich in zwei Bussen gen Dresden auf. So eine Informationsfahrt des Kreistags findet alle zwei Jahre statt. Sie dient der Bildung und dem besseren Kennenlernen. Die Kreisräte besuchen politische Gremien, in diesem Fall den sächsischen Landtag, und Sehenswürdigkeiten des jeweiligen Ausflugsziels. Natürlich kommt auch die Geselligkeit nicht zu kurz. Mitten unter der ausgelassenen Schar befand sich, wie es sich gehört, Landrat Michael Schwaiger. Kein Mensch konnte ahnen, dass er sich nur Tage später dazu entschloss, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr für eine zweite Amtszeit zu kandidieren.

Die Nachricht, er werde sein Amt nicht verteidigen, schlug eine Woche nach dem Ausflug dann wie eine Bombe ein. Kreisräte berichten fraktionsübergreifend, dass sie vollkommen perplex gewesen seien, als sie Schwaiger nach einer Kreistagssitzung über seinen Entschluss informierte. Spekulationen schossen ins Kraut, ob das ärztliche Bulletin tatsächlich der Grund für einen Verzicht Schwaigers auf eine erneute Kandidatur sei. Dessen ungeachtet: Die Fraktionen mussten sich von diesem Zeitpunkt an neu ausrichten. Denn bis zur Erklärung Schwaigers hatte sich die Situation so dargestellt, dass nur die Grünen in jedem Fall einen eigenen Kandidaten aufstellen wollten.

Andere Fraktionen verhielten sich zögerlich. Sie erwägten, mangels eines eigenen geeigneten Kandidaten, Schwaiger im Falle einer erneuten Kandidatur zu unterstützen. Selbst die CSU hatte, wie es sich eigentlich für die zumindest an Mitgliedern stärkste Partei im Landkreis gehört, offenbar noch keinen passenden Mitwerber auf dem Schirm.

Nacheinander gewannen die potenziellen Nachfolger Schwaigers an Kontur: Die CSU zauberte Josef Hauner aus dem Hut. Rainer Schneider (Freie Wähler) kam der Entschluss Schwaigers zupass. Er schien seinen Chefsessel im Neufahrner Rathaus zuletzt nur noch unwillig verteidigen zu wollen. Der Wahlausgang dort schien völlig offen, angesichts des immer lauter werdenden Gemurres über seinen Führungsstil. Die Grünen nominierten Birgit Mooser-Niefanger. Die Sozialdemokraten entschlossen sich, Martin Bengler ins Rennen zu schicken.

Wer aus diesem Bewerber-Quartett am Ende die Nase vorn haben wird, ist ungewiss. Ein Blick auf die Wählerschaft im Landkreis legt aber die Vermutung nahe, dass Rainer Schneider und Josef Hauner wohl Ende März, zwei Wochen nach dem ursprünglichen Termin der Kommunalwahl, in eine Stichwahl gehen.

Warum ausgerechnet diese Beiden? Für Josef Hauner spricht seine an eine halbe Ewigkeit grenzende kommunalpolitische Erfahrung. Er gilt als verbindlich und genießt über die Parteigrenzen hinweg Sympathien. Hauner wird zugetraut, sogar schon im ersten Wahlgang den Sprung auf den Sessel des Landrats zu schaffen. Unter der Voraussetzung, dass die CSU im Landkreis genauso geschlossen abstimmt, wie sie das bei den Landtags- und Bundestagswahlen getan hat. Als Schulamtsleiter ist Hauner mit einem der großen Themen der Gegenwart und Zukunft des Landkreises vertraut: dem Schulwesen.

Die CSU und die Freien Wähler um Schneider haben es überdies verstanden, rechtzeitig auf den Kurs ihrer Hallertauer Parteigenossen einzuschwenken. Diese wünschen sich eine Realschule in Au. Es muss wohl eine der bittersten Stunden in der Amtszeit von Landrat Schwaiger gewesen sein, als etliche Freie Wähler dem Projekt zustimmten, das er selbst als Luxus empfindet, den sich der Landkreis aufgrund seiner finanziellen Schräglage nicht leisten kann. Letztlich war Schwaiger in dieser Frage bei den Freien Wählern isoliert, abgesehen von den Moosburger Parteifreien, die sich um ihre eigene Realschule sorgten.

Hauner und Schneider haben in dieser Hinsicht Pluspunkte gesammelt. Letzterer kann ebenfalls mit dem kommunalpolitischen Pfund wuchern, lange eine große Gemeinde als Bürgermeister geleitet zu haben. Die Grünen haben sich dagegen mit ihrer ablehnenden Haltung gegen die Hallertauer Realschule insbesondere im Landkreis-Norden viele Sympathien verscherzt. Ohnehin scheinen Vertreter der Umweltpartei oder grüner Listen bei der Landbevölkerung immer noch nicht en vogue zu sein.

Politisches Greenhorn mit Außenseiterchancen

Möglicherweise erhalten die Grünen um Birgit Mooser-Niefanger durch das Urteil im Prozess um das Planfeststellungsverfahren zur dritten Startbahn am Flughafen noch einmal Auftrieb. Die Wahlen im vergangenen Herbst haben aber gezeigt, dass die Flughafenerweiterung eher nicht mehr das große Thema im Landkreis ist. Sie scheint nur noch die Gemüter im exponierten Süden des Landkreises zu bewegen und natürlich in der Stadt Freising. Selbst dort ist die Anti-Startbahn-Stimmung in manchen Gemeinden, wie in Hallbergmoos, nicht so groß, wie sich das deren Gegner wünschen. Andererseits: Eine grüne Landrätin wäre überaus symbolträchtig für den Widerstand.

Was den Kandidaten der SPD, Martin Bengler anbelangt, hat dieser als "politisches Greenhorn" wohl nur Außenseiterchancen. Zwar hat er im vergangenen Jahr für den Bezirkstag kandidiert, doch mit mäßigem Erfolg. Immerhin ist es Verdienst der Sozialdemokraten, zwei weitere Themen aufs Tapet gebracht zu haben: die künftige Versorgung einer immer älter werdenden Landkreis-Bevölkerung. Dazu hat die SPD im Kreistag die Entwicklung eines Seniorenkonzepts angeleiert. Die Sozialdemokraten sind auch nicht müde geworden, immer wieder den Bau erschwinglicher Wohnungen für Geringverdiener einzufordern. Dieser Themen hat sich freilich auch die Konkurrenz bemächtigt.

Zu den dringlichen Aufgaben des künftigen Landrats gehört es, über die eigene Wohnungsbaugesellschaft des Landkreises den Bau von Sozialwohnungen anzukurbeln. Dies kommt freilich einer Quadratur des Kreises gleich. Wie bei vielen Angelegenheiten ist der Landkreis dabei auf die Zusammenarbeit mit den Kommunen angewiesen. Ohne diese geht nichts, allzu gerne verfolgen die aber ihre eigenen Interessen. Gedanken muss sich der neue Landrat mit seinem Kreistag auch über eine Schuldenbremse machen. Ein Erbe aus der kurzen Ära Schwaiger ist ein rasch anwachsender Schuldenberg. Der ist Schwaiger nicht anzulasten. Der Landkreis ist getrieben durch Investitionen, die im Bildungssektor anstehen. Dazu gesellt sich der Anteil an der Westtangente, den zu zahlen er der Stadt Freising versprochen hat.

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