Warnschussarrest für Jugendliche:Ein Schock, der nichts bringt

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Ein Jahr gibt es den Warnschussarrest nun, eine Maßnahme im Jugendstrafvollzug. Im Idealfall sollte ein Verurteilter das erste Mal die Erfahrung machen, eingesperrt zu sein, und daraus für die Zukunft lernen. Doch die Praxis sieht anders aus.

Von Mike Szymanski

Wer in der Jugendarrestanstalt München seinen Warnschussarrest antritt, bekommt schon an der Tür zum Dienstzimmer die Härte der Justiz zu spüren: "Mütze abnehmen", heißt es dort. Dazu der Hinweis: "Bitte und Danke hilft weiter." Knast auf Probe - für den Alltag kann man da ja vielleicht noch was lernen. Der Warnschussarrest aber, vor genau einem Jahr in Kraft getreten und von Hardlinern seit Langem im Kampf gegen Jugendkriminalität gefordert, sollte mehr sein als eine Benimmschule. Der Münchner Jugendrichter Christian Gassner formuliert es so: "Ein kurzer, scharfer Schock."

Ein Jahr nach der Einführung fällt die Bilanz dieser Schocktherapie eher dürftig aus. Noch machen die Jugendrichter nur selten von der Möglichkeit Gebrauch, dem Angeklagten neben einer Jugendstrafe auf Bewährung einen Warnschussarrest aufzubrummen. Eine Umfrage der Süddeutschen Zeitung in den Justizministerien der Bundesländer hat ergeben, dass in Deutschland bislang nur 416 Warnschussarreste vollstreckt worden sind. Die Zahl könnte sich noch um einige wenige Fälle erhöhen, weil den Behörden teilweise nur die Statistiken bis Ende 2013 vorliegen.

Maximal vier Wochen darf der Jugendliche zur Abschreckung eingesperrt werden. Wer mal beim Klauen erwischt wird, muss nicht befürchten, gleich in den Arrest zu kommen. Wenn aber der Richter einen notorischen Straftäter vor sich hat, der sich womöglich unbelehrbar zeigt und vor allem durch Gewalt auffällt, dann könnte er durch das neue Gesetz einen Warnschussarrest in Erwägung ziehen. Die Bremer Justiz verzichtete allerdings ganz darauf, einen solchen zu verhängen. In Berlin wurde er auch nur in einem einzigen Fall vollstreckt. Niedersachsen nennt die Zahl der 39 dort vollzogenen Warnschussarreste "ausgesprochen niedrig". Das Justizministerium in Brandenburg meldet nur zwei Fälle und verweist auf eine Studie aus dem Jahr 2010, wonach die Rückfallquote nach verbüßtem Jugendarrest bei 70 Prozent liege. Solche Zahlen bestärken vor allem die Kritiker des Warnschussarrests in ihrer Auffassung, dass Wegsperren eben auch nicht probeweise das richtige Mittel ist.

Die Schockwirkung bleibt aus

Und von einer abschreckenden Wirkung des Arrests kann auch dort nicht mehr wirklich die Rede sein, wo man große Hoffnungen in das Instrument gesetzt hat - wie in Bayern. Der Freistaat demonstriert ja gerne mal Härte. Justizminister Winfried Bausback (CSU) sagt: "Sie können einem jungen Verurteilten so das Unrecht und die Konsequenzen seines Fehlverhaltens nachdrücklich und spürbar vor Augen führen." 92 Mal wurde im Freistaat der Warnschussarrest vollstreckt - der jüngste Straftäter war erst 14. Er war mehrmals beim Diebstahl erwischt worden und hatte Familienmitglieder und Beamte angegriffen und beleidigt.

Im Idealfall - so schildert es der Münchner Jugendrichter Gassner - würden die zu Warnschussarresten verurteilten Jugendlichen das erste Mal die Erfahrung machen, eingesperrt zu werden. Und, so die Hoffnung, dann daraus für die Zukunft lernen. Die Praxis sieht anders aus: Wer in München seinen Warnschussarrest antritt, kennt in der Regel schon Arrestanstalten aus früheren Urteilen. Die Schockwirkung bleibt aus. In Bayern wollten sie sich eigentlich auch besondere Mühe bei der Erziehung der Straftäter im Arrest geben. Es existiert ein Konzept, das viel Betreuung vorsieht. Die Münchner hätten dazu drei Stellen mehr gebraucht. Die bekamen sie aber bis heute nicht bewilligt. So konsequent waren dann auch die Bayern nicht.

© SZ vom 07.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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