Deutsche Bischofskonferenz:Zeit, die Sprache wiederzufinden

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Die Bischofskonferenz muss sich für einen neuen Vorsitzenden entscheiden. (Foto: dpa)

Schlechte Entscheidungen, falsches Personal, unterirdische Kommunikation - keine Institution steckt so tief in der Vertrauens- und Legitimationskrise wie die katholische Kirche. Darum ist die Wahl des neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz so wichtig.

Ein Kommentar von Matthias Drobinski

Entscheidende Tage stehen der katholischen Kirche in Deutschland bevor: Ihre Bischofskonferenz, eine Truppe mitten im Generationenwechsel, sucht einen neuen Vorsitzenden. Ist der gewählt, wird wohl auch endlich eine Entscheidung fallen, was mit Franz-Peter Tebartz-van Elst geschieht, dem Bischof von Limburg, um dessen Amtsführung es so viel Streit gibt. Und während der Versammlung jährt sich der Tag, an dem die Kardinäle der Welt jenen Jorge Mario Bergoglio zum Oberhaupt ihrer Kirche wählten, der seitdem als Papst Franziskus die Institution öffnet, die verriegelt und verrammelt zu sein schien.

Als Robert Zollitsch, der nun scheidende Bischofskonferenzvorsitzende, vor sechs Jahren ins Amt kam, da hatte der noch nicht zurückgetretene Papst Benedikt XVI. noch keinen holocaustleugnenden Bischof der Piusbruderschaft begnadigt, die Opfer von sexueller Gewalt in der Kirche schwiegen oder wurden nicht gehört, Tebartz-van Elst war ein wenig bekannter Weihbischof in Münster. Institutionen haben es im Zeitalter der Individualisierung alle schwer, aber keine ist in Deutschland in den vergangenen Jahren derart in die Vertrauens- und Legitimationskrise geraten wie die katholische Kirche, die größte Institution im Land.

Sie hat sich redlich bemüht, aus dem Vertrauensloch herauszukommen, vergebens. Zu sehr ist diese Kirche sprachlos geworden. Sie ist im Inneren zerrissen zwischen einer Mehrheit, die dringend Reformen will, und einer Minderheit, die in der Änderung Glaubensverrat sieht. Es geht ihr inzwischen, wie es Menschen in Albträumen geht: Sie möchten etwas sagen, aber sie können es nicht, und wenn es doch herausbricht, verstehen es die Anderen gar nicht oder falsch. So hat diese katholische Kirche viel Zorn auf sich gezogen: Sie hat in Floskeln geredet, von Menschenliebe, und ist den Menschen nicht gerecht geworden. Sie hat sich aufs höchste Ross des moralischen Anspruchs gesetzt - und ist herabgefallen.

Das Land wäre ärmer ohne die Einspruchskraft der Kirche

Dabei hätte sie tatsächlich viel zu sagen, gerade in Deutschland, gerade diese katholische Kirche mit ihrer Tradition und Beharrungskraft, ihrem konservativen Grundimpuls. Sie kann von Gott reden gegen die Herrschaft des Nächstliegenden, Wahrheitsfragen stellen gegen die achselzuckende Gleichgültigkeit. Sie kann vom Geheimnis reden gegen die totale Transparenz des veröffentlichten Lebens, vom Wert des Menschen jenseits aller Nützlichkeitskategorien. Der Mensch ist nicht verfüg- und verwertbar: Aus diesem Konservatismus und nicht aus dem Marxismus kommt des Papstes Kapitalismuskritik, stammt sein Zorn über die "Globalisierung der Gleichgültigkeit" angesichts des Flüchtlingselends - und der über die Abtreibungen; aus diesem Konservatismus stammt die strikte Gegnerschaft zu jeder Tendenz, den Anfang und das Ende des Lebens zu bestimmen, zu planen - und auch zu designen.

Nicht alles davon ist mehrheits- und politikfähig, das wird die katholische Kirche in Deutschland in den kommenden Jahren schmerzhaft zu spüren bekommen. Und doch wäre das Land ärmer ohne diese Einspruchs- und Unbehagenskraft; vor allem wäre es ärmer ohne die Millionen Christen, die dafür sorgen, dass Menschen Menschen sein können. Es hat in jüngster Zeit viel Häme auf die katholische Kirche geregnet - diese Christen hat sie zu Unrecht getroffen.

Gesucht: ein bescheidener Prophet der Sache Jesu

Deshalb sollte man dieser tief gefallenen Kirche wünschen, dass sie die Sprache wiederfindet. Sie wird dazulernen müssen, weniger um sich zu kreisen und mehr Kirche für Andere zu werden, wird das Wohnzimmer der Behaglichkeit verlassen und an die Ränder der Existenzen gehen müssen, zu den Armen, Zweiflern, Verzweifelten, sie wird lernen müssen, die Welt mit deren Augen zu sehen. Sie wird sich auch der Frage stellen müssen, wie es um die eigene Glaubwürdigkeit bestellt ist, etwa wenn sie gelebte Homosexualität für sündhaft hält, aber überdurchschnittlich viele Priester schwul sind, wenn sie Frauen fördern will, sie aber vom Priesteramt ausschließt. Sie wird einen Weg finden müssen zwischen dem reaktionären Rückzug auf den Kern der Überzeugten und die Auflösung der Tradition im Unbestimmten.

Allseits beliebt wird sie sich damit nicht machen können. Und wer immer Vorsitzender der katholischen Bischofskonferenz werden sollte, er sollte dies auch nicht anstreben. Er sollte bescheidener Prophet der Sache Jesu sein und, mindestens genauso, ein aufmerksamer Zuhörer in die Welt hinein. In einer Angelegenheit könnte ihm Papst Franziskus helfen: Käme Bischof Tebartz-van Elst tatsächlich nach Limburg zurück, könnte die katholische Kirche im Land das Projekt Sprachfähigkeit gleich beenden.

© SZ vom 10.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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