Kontrolle der Nachrichtendienste:Bundestagsverwaltung sucht fünf Trüffelschweine

Mit einer "operativen Einheit" will die Koalition die Kontrolle der Geheimdienste im Bundestag stärken. Unklar ist, was die mit fünf Leuten ausrichten soll. Linke und Grüne fordern darüber hinaus eine Gesetzesänderung.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Es ist nur eine Floskel. Aber sie ist bezeichnend für das, was die große Koalition unter "Schlagkraft erhöhen" versteht. Die Floskel lautet: "Ein Stückchen weit". Burkhard Lischka von der SPD benutzt sie gerne. Er stellt an diesem Vormittag im Reichstag zusammen mit seinem CDU-Kollegen Clemens Binninger die Reform des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) vor.

Das ist jenes Gremium, das im Auftrag des Bundestages die deutschen Geheimdienste kontrollieren soll. Also den Bundesnachrichtendienst (BND), den Militärischen Abschirmdienst der Bundeswehr (MAD), und das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Lischka ist Obmann der SPD in dem Gremium, Binninger dessen Vorsitzender.

Überall humpelte das PKGr hinterher

Eine Reform ist überfällig. Das wird in allen Fraktionen so gesehen. Egal wo die Geheimdienste ihre Finger im Spiel hatten: Von Pannen und Skandalen haben ihre Kontrolleure im Bundestag meist erst aus den Medien erfahren. Der ganze NSA-Skandal. Die Erkenntnis, dass selbst das Handy von Kanzlerin Angela Merkel abgehört wurde. Art und Umfang der Zusammenarbeit zwischen BND und NSA. Oder das Behördenversagen im Fall der Rechtsterroristen vom Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) - überall humpelten die Mitglieder des PKGr meilenweit hinterher.

Das soll sich jetzt ändern, oder wie Lischka es formuliert: "Keines der neun Mitglieder will sich nach vier Jahren sagen lassen, ihr habt alles aus der Zeitung erfahren und habt nur dumm hinterher gefragt."

Das ist allerdings ein hoher Anspruch, den die Koalition jetzt "ein Stückchen weit" erfüllen will. Als oberstes Problem haben Binninger und Lischka die Personalnot erkannt. Das Gesetz erlaubt den Abgeordneten zwar schon heute Akten anzufordern, die Gemeindienste in ihren Zentralen und Außenstellen zu besuchen, Mitarbeiter zu befragen, vom Chef bis zum Sachbearbeiter. Nur: diese Instrumente hat bislang kaum ein Abgeordneter genutzt. Aus Zeitmangel, sagt Binninger. Und zuckt mit den Achseln. Er weiß wohl selbst, dass das eine unbefriedigende Antwort sein muss.

Jetzt aber wollen sie es anpacken, wollen möglichst schnell das PKGr handlungsfähig machen. Ein neues Referat soll im Bundestag geschaffen werden. Eine "operative Einheit", wie Binninger es nennt. Deren Mitarbeiter sollen im Auftrag des PKGr losziehen und in den Geheimdiensten recherchieren. Ausgestattet mit den gleichen Rechten wie ein Abgeordneter. Das ist die Theorie. Ob die Geheimdienste aber die Position der Bundestagsmitarbeiter anerkennen, muss sich erst noch erweisen.

Im besten Fall ist das ein Anfang. Also nur "ein Stückchen weit" ein großer Wurf, mit dem das PKGr schlagkräftiger werden kann. Dass lässt sich auch an der Zahl der Mitarbeiter ablesen, die die "operative Einheit" bilden sollen. Drei neue Stellen sind dafür bewilligt. Zwei weitere Stellen werden in das neue Referat verschoben. Insgesamt sollen sich fünf Mitarbeiter um die Geheimdienstkontrolle im Auftrag des PKGr kümmern. Plus im besten Fall drei Verwaltungskräfte.

"Mischung aus Trüffelschwein und Spürhund"

Fünf Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung stehen also 10 500 Geheimen gegenüber: 6500 Mitarbeitern im BND, 1200 Mitarbeitern im MAD und 2800 Beschäftigten im Bundesamt für Verfassungsschutz.

Noch ist auch nicht klar, wie das PKGr an gute Leute kommen kann. Lischka von der SPD will Mitarbeiter haben, die "eine Mischung aus Trüffelschwein und Spürhund" sind. Eine Qualifikation, die von der Bundestagsverwaltung sonst eher nicht nachgefragt wird.

Offiziell hat das PKGr auf die Auswahl der Mitarbeiter keinen Einfluss. Dafür ist die Bundestagsverwaltung allein zuständig. Die Kontrolleure hoffen aber, dass sie zumindest ein paar Kriterien für die Stellenausschreibung bestimmen dürfen.

Enthaltung bei Linken und Grünen

Die neuen Regeln sind ein Kompromiss. Die beiden Abgeordneten der Opposition im PKGr, Hans Christian Ströbele für die Grünen und André Hahn von der Linken, haben sich enthalten, als im PKGr die neue Geschäftsordnung verabschiedet wurde.

Dabei gibt es einige Verbesserungen: Ab sofort könne einzelne Sitzungen des PKGr auf Tonband aufgezeichnet werden. Das Instrument soll zunächst getest werden. Die Abgeordneten der Opposition dürfen in den Arbeitsberichten des PKGr künftig ihre Sicht der Dinge darstellen. Das war bisher nicht möglich. Jeder Abgeordnete soll die operative Einheit mit Recherchen beauftragen dürfen.

Linke und Grüne aber wollen darüber hinaus auch das Gesetz ändern. "Die Geschäftsordnung des Gremiums zu ändern ist aus unsere Sicht nur die zweitbeste Lösung", sagte Hahn gegenüber Süddeutsche.de.

Es geht um heikle Fragen. Bisher darf ein Mitglied im PKGr niemanden außerhalb des PKGr über das informieren, was dort besprochen wurde. Hahn und Ströbele aber sitzen für ihre Fraktionen jeweils alleine im PKGr. Über brisante Vorgänge können sie noch nicht einmal ihre Fraktionschefs unterrichten. Das verbietet das Gesetz.

Außerdem wollen sie, dass Beschlüsse des PKGr nur gefasst werden können, wenn mindestens ein Oppositionspolitiker anwesend ist.

Immerhin: Binninger und Lischka haben zugesagt, in eineinhalb Jahren zu prüfen, ob es noch eine Gesetzesänderung braucht. Die Möglichkeit, ihre Fraktionchefs zu informieren, wollen sie auch haben. Zumindest dafür, müssten sie das Gesetz aufschnüren.

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