Journalismus-Projekt "The Intercept":Reicher Mann gesucht

Ebay-Gründer Pierre Omidyar will mit Snowden-Freund Glenn Greenwald 250 Millionen Dollar investieren

Pierre Omidyar macht sich für investigative Journalisten stark - mit 250 Millionen Dollar.

(Foto: Brian Harkin/AFP)

Dank der Millionen von Ebay-Gründer Pierre Omidyar nimmt das ambitionierte investigativjournalistische Online-Projekt "The Intercept" Fahrt auf. Er ist nicht der einzige Milliardär, der in Medien investiert - und dessen Motivation unklar ist.

Von Michael Moorstedt

Der Mann hat ja auch leicht reden. Dave Pell machte während der Boomzeit der New Economy sein Geld, seit jener Zeit investiert er hier und da in vielversprechende Start-ups und schreibt jeden Tag einen gut gelaunten Newsletter, in dem er merkwürdige Neuigkeiten sammelt. Ein Medienunternehmer in eigener Sache also. Jener Pell jedenfalls schrieb im Herbst vergangenen Jahres süffisant: Das neue Geschäftsmodell der leidenden Verlage sei es wohl, sich einen richtig reichen Typen zu angeln, der auf das Nachrichtengeschäft abfahre.

Anlass war die Ankündigung des Ebay-Gründers Pierre Omidyar, ein neues Medienunternehmen zu gründen, an dessen Spitze der im Zuge der Snowden-Affäre bekannt gewordene Guardian-Journalist Glenn Greenwald stehen werde. Mindestens 250 Millionen US-Dollar wolle Omidyar in die First Look Media genannte Firma investieren. Mitte Februar ist "The Intercept", das erste Magazin, das aus der Zusammenarbeit entstanden ist, online gegangen. Knapp zwei Wochen später gab First Look Media gleich die Verpflichtung des nächsten Spitzenjournalisten bekannt. Matt Taibbi, der zuvor beim Rolling Stone beschäftigt war und sich als passionierter Kritiker des Bankensektors einen Namen gemacht hat, werde schon bald ein weiteres Magazin starten. Zu einem Namen oder einem Erscheinungsdatum wurde jedoch noch nichts bekannt.

Aggressiv und unabhängig

"The Intercept" jedenfalls werde "aggressiv und unabhängig" arbeiten, hieß es. Was hat sich nach einem Monat getan? Es gibt eine schick-reduzierte Website und Büros in New York, Washington und San Francisco. Das Impressum zählt zwölf Mitarbeiter, und die Schar der Twitter-Follower ist mittlerweile auf mehr als 50 000 angewachsen. Knapp zwei Dutzend Artikel sind im ersten Monat erschienen. Nicht gerade viel in einer Zeit, in der das oberste Credo des Online-Journalismus noch immer die Output-Optimierung ist.

Zu Beginn gab es gleich einen Aufreger: Das US-Militär starte Drohnenangriffe nur anhand der Metadaten, die die NSA zuliefere. Vergangene Woche griff Greenwald einmal mehr in das Füllhorn der Snowden-Dokumente und machte mit ziemlich spitzer Feder öffentlich, wie die NSA plane, Millionen von Computern mit sogenannter Malware zu infizieren, Trojanern etwa, die dazu dienen, den Datenverkehr zu überwachen. Die Entscheidung, welcher Rechner angegriffen werde, so heißt es, solle wiederum selbst einem Computerprogramm überlassen werden.

Der Ton der Texte ist schneidend, Mission: Aggressivität ist also erfüllt. Das mit der Unabhängigkeit ist dagegen so eine Sache. Immerhin scheint sich Greenwald vollkommen dem Wohlwollen von Omidyar auszusetzen. Wie nachhaltig ist dessen Interesse?

Mächtige Medienmäzene

Ein Blick auf andere Neu-Medienmäzene gibt vielleicht Aufschluss. Bei den Mitgliedern der Forbes-Liste scheint ein Engagement in der Medienbranche in letzter Zeit ja beinahe schon zum guten Ton zu gehören. Da ist natürlich der Amazon-Gründer Jeff Bezos, der im August 2013 die Washington Post für 250 Millionen Dollar übernommen hat, die zuvor auch Omidyar im Auge hatte. Im Jahr zuvor war es der Facebook-Mitgründer Chris Hughes, der einen Mehrheitsanteil am altehrwürdigen Magazin The New Republic erwarb und sich prompt zum Herausgeber und Chefredakteur ernannte. Außerdem auf der Liste der Neuverleger:

Der frühere KGB-Agent und heutige Oligarch Alexander Lebedew, der zuerst den Evening Standard übernahm und dann für die symbolische Summe von einem Pfund den ebenso traditionsreichen wie darbenden The Independent. Ebenfalls investitionsfreudig zeigt sich der Milliardär John Henry, der sein Geld sonst eher mit Sportteams wie den Boston Red Sox oder dem FC Liverpool verdient. Henry kaufte den moribunden Boston Globe für 70 Millionen Dollar von der New York Times. Die wiederum ist selbst schon auf der Liste möglicher Anlageobjekte aufgetaucht: Der chinesische Unternehmer Chen Guangbiao kündigte Ende 2013 an, dass er sich die Zeitung sehr gerne einverleiben würde. Forbes schätzt das Vermögen des laut Selbsteinschätzung "charismatischsten Philanthropen" Chinas auf etwa 400 Millionen Dollar.

Plutokraten als Publizisten

Doch warum wollen die Plutokraten auf einmal Publizisten werden? Die Aussicht auf große Gewinne kann es ja kaum sein. Ist es die Sehnsucht nach Meinungsmacht? Die Befriedigung des eigenen Egos durch einen PR-Stunt? Was etwa Jeff Bezos mit der Washington Post vorhat, ist immer noch nicht klar. Zwar sagte der Amazon-Chef, die "Werte der Post bedürfen keiner Änderung". Doch ob redaktionelle Unabhängigkeit nach der Übernahme noch das oberste Gebot ist, bleibt fraglich. Immerhin benutzte Bezos die Titelseite der Zeitung schon als günstige Werbefläche, als sie im Dezember 2013 meldete, dass Amazon seine Päckchen bald per Drohne ausliefern werde. Vom Evening Standard dagegen ist zu hören, dass sich Lebedew aus dem Tagesgeschäft raushält und keinen Einfluss auf die redaktionelle Linie nimmt. Trotzdem hat er die Zukunft der Zeitung fundamental verändert. Seit seinem Einstieg ist sie ein Gratisblatt.

Auch die anderen Juniorverleger blieben nicht untätig. Chris Hughes zog im Blog der New Republic zuletzt ein durchweg positives Zwischenfazit. Anzeigeneinnahmen, Auflage, Webtraffic? Seien seit seinem Einstieg durchweg gestiegen. Es gibt eine neue App, der Website und dem Magazin wurden neue Designs verpasst, die Redaktion wurde um das Doppelte aufgestockt. Die Entwicklungen in der Branche seien zwar furchteinflößend, doch er glaube an die Zukunft von gutem Journalismus. Und auch wenn der 64-jährige John Henry einer anderen Unternehmergeneration als Hughes entstammt, so klingt es doch bei ihm ganz ähnlich. Der Boston Globe solle zu einem "gigantischen Labor" für modernen Journalismus werden, sagte er im Februar.

Und Pierre Omidyar? Es ist davon auszugehen, dass es dem Mann tatsächlich um die Stärkung einer unabhängigen Zivilgesellschaft im Netz geht. "Jeder Mensch hat die Macht, etwas zu verändern", heißt es auf der Website des Omidyar Network, jenes Unternehmens, in dem Omidyar Philanthropie mit klugen Investments bündelt. Der Ebay-Gründer hält Streubesitz an Start-ups, die Mikrokredite gewähren, ebenso wie er an die Online-Bürgerrechtsbewegung change.org und viele weitere Nichtregierungsorganisationen spendet. Auch eine Online-Zeitung findet sich übrigens schon in seinem Portfolio. Bereits 2010 gründete Omidyar die "Honolulu Civil Beat", eine Lokalnachrichtenseite für Hawaii. In den Anfangstagen, so heißt es, habe man ihn oft in den Redaktionsräumen gesehen. Er habe geholfen, die Website zu programmieren.

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