Hoeneß' hinterzogene Millionen:"Die Herkunft ist restlos aufgeklärt"

Hoeneß' hinterzogene Millionen: Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher: Die Herkunft des Geldes von Hoeneß ist geklärt.

Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher: Die Herkunft des Geldes von Hoeneß ist geklärt.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die Münchner Staatsanwaltschaft verwahrt sich gegen den Vorwurf, sie habe im Hoeneß-Prozess nicht alles so genau wissen wollen. "Wir haben lückenlos recherchiert", sagt Sprecher Heidenreich. Belege für den Vorwurf einer schwarzen FC-Bayern-Kasse finden sich bislang nicht.

Von Annette Ramelsberger

Am Donnerstag, den 13. März um 14.09 Uhr, wurde das Urteil über Uli Hoeneß gesprochen. Der Richter verurteilte ihn wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro. Dafür muss Hoeneß für dreieinhalb Jahre in Haft. Hoeneß zog am Tag darauf die Konsequenzen und trat als Präsident des FC Bayern und als Aufsichtsratsvorsitzender zurück.

Doch was so klar zu sein scheint, wird von Tag zu Tag stärker in Frage gestellt. Warum war das ein so kurzer Prozess - während im Prozess gegen den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff monatelang verhandelt wurde, wegen 700 Euro? Sollte etwas unter den Teppich gekehrt werden? Wollte die Justiz gar nicht alles wissen? Hat man einen Informanten gar nicht hören wollen? Geht Hoeneß lieber in den Knast, als den FC Bayern zu verraten?

Schon Richter Rupert Heindl hatte in einem kurzen Vorspruch zu seinem Urteil erklärt, der Prozess wäre genauso abgelaufen, wenn der Angeklagte nicht Uli Hoeneß, 62, gewesen wäre, sondern "irgendein unbekannter Einkommensmillionär". Nun verwahrt sich auch die Staatsanwaltschaft gegen den Vorwurf, sie habe gar nicht alles so genau wissen wollen.

Keine Anonymität für Informanten

Der wichtigste Vorwurf lautet: Auf dem Geheimkonto von Hoeneß bei der Schweizer Vontobel-Bank sei viel mehr Geld hin und her geschoben worden als bekannt. So berichtet das auch ein ungenannter Informant im Stern. Mit dem hat die Staatsanwaltschaft München II auch geredet, doch man wollte ihm für den Fall der Aussage keine Anonymität zusichern, vielleicht auch deswegen, weil seine Informationen nicht wirklich überzeugend waren.

Aber weil immer neue Einzelheiten bekannt werden, entsteht der Verdacht, dass es sich bei Hoeneß' Konto um eine schwarze Kasse des FC Bayern gehandelt haben könnte. Die Staatsanwaltschaft hält nun dagegen: "Wir haben durch die erst im Februar gelieferten Daten der Bank nun einen vollständigen Überblick über die Vermögensentwicklung auf diesem Konto", sagt Ken Heidenreich, der Sprecher der Staatsanwaltschaft München II, im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. "Auch die Herkunft der Mittel ist restlos aufgeklärt. Wir haben lückenlos recherchiert, woher das Geld kam." Aber, sagt Heidenreich: "Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich um ein FC-Bayern-Konto handelt." Weil alles nun so offen zutage liegt, konnte das Gericht den Prozess auch in nur vier Tagen durchziehen.

Ein Teil des Geldes kam von Hoeneß selbst: circa zehn Millionen D-Mark, die er von seinem legalen Konto bei der Reuschel Bank über sein legales Konto bei der Graubündner Kantonalbank auf sein Spielkonto bei der Bank Vontobel transferierte.

Hinzu kam 2001 das Geld vom früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus: fünf Millionen D-Mark, zudem eine Bürgschaft in Höhe von 15 Millionen D-Mark. Sonst kam nichts. Von niemandem. Sagt die Staatsanwaltschaft. Vor dem Jahr 2001, bis zu dem zurück die Fahnder das Konto überprüften, lagen dort nur ein paar Hunderttausend Franken - zumindest für Hoeneß eine kleine Summe. Das Konto selbst bestand bereits seit den Siebzigerjahren. Was zuvor war, kann die Staatsanwaltschaft nicht ermitteln - das ist verjährt und entzieht sich der Nachforschung. Eine Staatsanwaltschaft kann ohne Anhaltspunkt nicht das komplette Finanzleben eines Menschen durchleuchten.

Waren die Millionen des 2009 verstorbenen Dreyfus aber nicht nur eine Gefälligkeit für einen Freund, "zum Zocken", wie das Hoeneß sagte, sondern ein Geschäft mit Dreyfus? Wollte der einstige Adidas-Chef eventuell Hoeneß bestechen, um den wertvollen Ausrüstervertrag für den FC Bayern zu behalten, obwohl die US-Firma Nike damals um den FC Bayern rang?

Belege für Rückzahlung des Darlehens an Dreyfus

"Wir haben Belege dafür, dass Hoeneß das Darlehen und die Bürgschaft ein Jahr später und zu den marktüblichen Zinsen an Dreyfus zurückgezahlt hat", sagt Staatsanwalt Heidenreich. "Wir benötigen für Ermittlungen einen ausreichend tragfähigen Anfangsverdacht und können nicht einfach aufgrund von Spekulationen ins Blaue hinein ermitteln, zumal die Vorgänge und alle möglichen Straftaten verjährt sind. Dasselbe gilt für die vorhandenen Mutmaßungen zu einem für den FC Bayern nachteiligen Engagement eines Sponsors." Natürlich bleibt ein Geschmäckle. Aber nichts, was strafrechtlich relevant ist.

Hoeneß hatte also nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft seine eigenen zehn Millionen und die 20 Millionen von Dreyfus. Mit den insgesamt rund 30 Millionen konnte er später durchaus Gewinne bis zu 150 Millionen Euro erzielen, die zeitweise auf dem Konto lagen. Denn die Geschäfte hatten eine hohe Hebelwirkung, die die Gewinne treiben konnte. Das könnte jene mehr als 400 Millionen Euro erklären, von denen der Stern-Informant berichtet, dass sie in der Spitze auf Hoeneß' Konto gelegen hätten. Dass ihm solche Summen real zur Verfügung standen, davon weiß die Staatsanwaltschaft nichts.

Aber hat Hoeneß wirklich nur mit dem Geld gespielt? Oder war das die schwarze Kasse, um schnell mal flüssig zu sein für Notfälle aller Art? Es gab, und das kam im Prozess gegen ihn nur am Rande vor, immer wieder Bar-Abhebungen - über die Jahre insgesamt mehr als 1,5 Millionen. Das waren im Einzelfall keine ganz großen Beträge, sondern immer wieder mehrere Zehntausend Euro. "Wir konnten verschiedene Bargeld-Abflüsse feststellen", sagt Staatsanwalt Heidenreich: "Aber wir haben keine Anhaltspunkte dafür, dass dieses Geld für strafbare Handlungen verwendet wurde." Auch Abflüsse über das Bankhaus Julius Bär und die Credit Suisse, von denen der Stern-Informant berichtet, kann die Staatsanwaltschaft nicht bestätigen. Gefragt aber wurde Hoeneß nicht danach, was er mit den abgeflossenen Beträgen gemacht hat. Offensichtlich hielten Gericht und Staatsanwaltschaft die kleineren, ungeklärten Summen angesichts der Hinterziehung von 28,5 Millionen Euro Steuern für nicht sehr relevant.

Die Staatsanwälte hätten sehr gern Rechtshilfe aus der Schweiz bekommen. Doch die Schweizer lehnen Hilfe bei reiner Steuerhinterziehung ab. Da müssten schon schwerere Straftaten in Frage kommen, Geldwäsche, Betrug, Untreue zum Beispiel. Aber genau das konnten die deutschen Ermittler nicht bieten. Schon in einem frühen Vermerk der Staatsanwaltschaft steht, es gebe keine Anhaltspunkte für mögliche weitere Straftaten. "Hätten wir auch nur einen niederschwelligen Anfangsverdacht gehabt, wir hätten ermittelt", beteuert Heidenreich. Es gebe auch keine Anhaltspunkte für weitere Geheim-Konten von Hoeneß.

Dennoch fragen sich viele Außenstehende: Wie kam es, dass erst von 3,5, dann von 18,5 Millionen die Rede war, die Summe dann auf 27,5 stieg und der Richter am Ende 28,5 Millionen ausrechnete?

Die 3,5 Millionen stehen in der Anklageschrift, das sind die nicht versteuerten Kapitalerträge. Unklar war zum Zeitpunkt der Anklage, wie hoch die Gewinne aus Währungswetten waren. Richter, Staatsanwalt und Verteidigung wussten vor dem Prozess, dass da noch was kommt. Der Verteidiger sprach von zusätzlichen 15 Millionen, zusammen also 18,5 Millionen. Dann trat im Prozess jene Rosenheimer Steuerfahnderin auf, die die Belege der Bank zusammengerechnet hatte: Sie kam auf 27,5 Millionen. Und der Richter erklärte am Tag darauf, da komme der Solidaritätszuschlag hinzu: Macht 28,5 Millionen.

Die Schweizer Bank Vontobel übrigens erklärt, sie habe die Zahlen nicht erst vor Prozessbeginn geliefert. Bei der Steuerfahndung aber trafen sie erst zwei Wochen vor Prozessbeginn ein. 52 000 PDF-Seiten waren auf einem USB-Stick eingereicht worden. Die Daten waren dann auch mit dem Computer auswertbar, so dass sie innerhalb weniger Tage gecheckt werden konnten. Ausschlaggebend waren ohnehin nur die Quartalsabrechnungen, also je vier Belege im Jahr. Den Steuerberater von Hoeneß, der ihn bei seinen legalen Konten beraten hatte, konnten die Fahnder übrigens nicht vernehmen - Hoeneß hatte ihn nicht von seiner Schweigepflicht entbunden.

"Verfahren so geführt, dass wir uns nicht verstecken müssen"

"Wir haben das Verfahren so geführt, dass wir uns nicht verstecken müssen", sagt die Staatsanwaltschaft München II. "Und wir wollten auch nicht mehr ein Jahr warten in der Hoffnung, dass die Bank noch was liefert. Wir hatten schon ein Jahr gewartet. Und es bestand für uns nicht die Möglichkeit, die Bank hierzu zu zwingen."

Die Staatsanwaltschaft hatte fünfeinhalb Jahre für Hoeneß gefordert. Hoeneß bekam dreieinhalb. Dennoch ging die Staatsanwaltschaft nicht in Revision. Warum? Gab es hier einen Wink von oben, von all jenen Politikern, die nun so voller Respekt für Hoeneß sind? "Es hat hier keiner angerufen", sagt Heidenreich: "Es gab keine politische Einflussnahme."

Für die Staatsanwaltschaft habe die Schmerzgrenze bei einer Strafe mit Bewährung gelegen. "Das ist nun ein Urteil, das man akzeptieren kann. Wir gehen nicht in Revision nur wegen optischer Aspekte."

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