Stichwahlen in Bayern:Wo es spannend wird

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Kräftemesse in Bayern: Bei den Stichwahlen geht es wohl etwas gesitteter zu als beim Fingerhakeln. (Foto: Johannes Simon/Getty Images)

"Stichwahl, Baby": In Schongau hofft ein 27-Jähriger mit Dreadlocks darauf, Bürgermeister zu werden. In Wurmannsquick hat das Los entschieden, wer überhaupt antreten darf. Und auch in München, Regensburg und Erlangen wird die Stichwahl spannend. Ein Überblick.

[] Eine Stichwahl kennen viele Münchner gar nicht mehr. 30 Jahre ist es her, dass in der Landeshauptstadt nicht schon nach der ersten Runde der neue OB feststand. 1984 musste sich Amtsinhaber Erich Kiesl (CSU) seinem Herausforderer Georg Kronawitter (SPD) in der zweiten Runde stellen - und verlor. Nun duellieren sich zwei Neulinge: Dieter Reiter (SPD), der im ersten Wahlgang vorne lag, und Josef Schmid (CSU). Reiter geht als Favorit und mit dem Rückenwind einer Wahlempfehlung der Grünen in die Stichwahl. Entschieden ist das Rennen aber nicht: Bei der Stadtratswahl legte die CSU kräftig zu und stellt nun die größte Fraktion.

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[] Sein Ergebnis dürfte ein ziemlicher Schock für ihn gewesen sein: In Erlangen muss der langjährige Oberbürgermeister Siegfried Balleis (CSU) in die zweite Runde. Er kam nur auf 39,2 Prozent. SPD-Herausforderer Florian Janik landete nur zwei Punkte dahinter - bei der Stichwahl könnte es um wenige Stimmen gehen.

[] Im Kreis Miesbach treten Freie-Wähler-Kandidat Norbert Kerkel (37,8 Prozent) und Grünen-Bewerber Wolfgang Rzehak (20,9 Prozent) gegeneinander an. Kerkel zieht mit einem Familienbonus ins Rennen - sein Vater war jahrelang Landrat in Miesbach. CSU-Amtsinhaber Jakob Kreidl landete im Feld der fünf Bewerber nach seinen Skandalen abgeschlagen mit 15,8 Prozent auf dem vorletzten Platz.

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[] "Stichwahl, Baby! 28,8 Prozent, 1481 Stimmen! Heftig!" - so kommentierte Tobias Kalbitzer alias Karl-Heinz Rumgedisse das Wahlergebnis in Schongau. Der 27-Jährige mit Dreadlocks ist Kandidat der Alternativen Liste und hat mit seinem Wahlkampf die Gemeinde ganz schön aufgewirbelt. So forderte er seine Gegner in Unterhosen - per Videobotschaft - zum Wetttrinken auf. Kalbitzer hat gute Chancen Bürgermeister zu werden. Stichwahl-Gegner ist SPD-Kandidat Falk Sluyterman von Langeweyde, er holte bei der Bürgermeisterwahl 34,31 Prozent.

[] In Würzburg verfehlte der gemeinsame Kandidat von CSU, FDP und Würzburger Liste, Christian Schuchardt, mit 48,7 Prozent knapp die absolute Mehrheit. Sein Gegner, Muchtar Al Ghusain, tritt zugleich für SPD und Grüne an.

[] Er ist als einziger Kandidat angetreten und hat trotzdem verloren: Bei der Bürgermeisterwahl in Schwaigen (Kreis Garmisch-Partenkirchen) hat nicht einmal die Hälfte der Wähler für Karl Schwarzenberger gestimmt. Mit 55 Stimmen kürten die Schwaigener Hubert Mangold zum unfreiwilligen Gegenkandidaten. Der musste sich dann erst genau überlegen, ob er überhaupt Lust hat, das Amt zu übernehmen. Die hat er - und darf sich nun wohl auch Chancen auf den Rathausposten ausrechnen.

[] Die CSU könnte den Landkreis München zurückholen, den vor sechs Jahren überraschend SPD-Frau Johanna Rumschöttel gewann. Ihre Nachfolge machen der CSU-Bewerber Christoph Göbel, der mit fast 43 Prozent weit vorne lag, und die SPD-Kandidatin Annette Ganssmüller-Maluche (28,4 Prozent) unter sich aus. Rumschöttel selbst ist aus Altersgründen nicht mehr angetreten. Göbel hat derzeit übrigens noch andere Verpflichtungen.

[] Noch ist er nämlich der amtierende Bürgermeister in Gräfelfing. Doch weil Göbel ja Landrat werden möchte, müssen sich die Gräfelfinger für einen Nachfolger entscheiden. Zur Wahl stehen der CSU-Mann Peter Köstler, 41, und seine Herausforderin Uta Wüst, 46, von der Interessengemeinschaft Gartenstadt Gräfelfing (IGG). Er geht mit 39,3 Prozent ins Rennen und wird vom Bürgerverein unterstützt, sie bekam 22,2 Prozent und wird von den Grünen und der SPD unterstützt. Köstler sitzt seit 2002 im Gemeinderat, Wüst wäre ein Neuling.

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[] Im Kreis Regensburg liefern sich CSU-Mann Peter Aumer und die Freie-Wähler-Landtagsabgeordnete Tanja Schweiger ein Kopf-an-Kopf-Rennen, beide landeten im ersten Wahlgang bei etwa 43 Prozent. Schweiger ist die Lebensgefährtin von Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Aumer hatte im vergangenen Jahr auf eine erneute Bundestags-Kandidatur verzichtet, um Landrat zu werden. Für ihn steht also einiges auf dem Spiel.

[] In Regensburg fehlten dem SPD-Kandidaten Joachim Wolbergs nur 18 Stimmen zum Sieg im ersten Durchgang. Nun muss er sich in der Stichwahl um das OB-Amt noch einmal Christian Schlegl, dem CSU-Fraktionschef im Stadtrat, stellen. Wolbergs ist bislang als hauptamtlicher Bürgermeister einer von zwei Stellvertretern des scheidenden Oberbürgermeisters Hans Schaidinger (CSU).

[] Im niederbayerischen Wurmannsquick gab es ein ungewöhnliches Gleichgewicht. Ludwig Weinfurtner (LWG Rogglfing-Martinskirchen) und Georg Thurmeier (Bürgerliste Wurmannsquick) holten nämlich beide genau 31,3 Prozent der Stimmen. Siegerin des ersten Wahlgangs war Renate Mooser (CSU) mit 37,4 Prozent. Das Los musste entscheiden, wer zur Stichwahl antreten darf: Georg Thurmeier zieht gegen die CSU-Kandidatin ins Rennen.

[] Im Landkreis Dachau müssen CSU-Bewerber Stefan Löwl und der SPD-Landtagsabgeordnete Martin Güll noch einmal gegeneinander antreten. Löwl lag im ersten Durchgang mit knapp 42 Prozent vier Punkte vor Güll.

[] In Neufahrn bringt die Stichwahl in jedem Fall einen Wechsel: Rainer Schneider (Freie Wähler) stellt sich nicht mehr zur Wiederwahl. Er möchte lieber Landrat werden. Thomas Seidenberger, ebenfalls Freie Wähler, will in seine Fußstapfen treten. Etliche Neufahrner befürchten aber, dass er die Politik seines Vorgängers fortsetzt, der zuletzt sehr in die Kritik geraten ist. Sein Gegenkandidat Franz Heilmeier (Grüne) behauptet von sich selbst, dass er für einen Neuanfang in der Gemeinde steht. Er könnte tatsächlich der erste grüne Bürgermeister im Landkreis Freising werden.

[] 18 Jahre lang haben die Freien Wähler im Landkreis Freising den Landrat gestellt. Diese Tradition möchten sie natürlich gerne fortführen. Das Ergebnis des ersten Wahlgangs vor knapp zwei Wochen lässt allerdings eher vermuten, dass die CSU diesmal den Posten besetzt. 40,5 Prozent der Stimmen holte deren Kandidat Josef Hauner, er ist damit Favorit. Rainer Schneider von den Freien Wählern - oben genannter Noch-Bürgermeiser - hatte dagegen mit 26,1 Prozent nur knapp den Einzug in die Stichwahl geschafft.

[] Demokratie pur: Weil sich in Weiding (Kreis Schwandorf) kein Bürgermeisterkandidat gefunden hat, durften die gut 400 Wahlberechtigten vor zwei Wochen jeden Namen auf ihren Wahlzettel schreiben. Am Ende waren es 21. Zwei von ihnen haben sich zum Stichwahl-Duell bereit erklärt: Gemeinderat Manfred Dirscherl, der im ersten Durchgang auf 32 Prozent der Stimmen kam, und der zweite Bürgermeister Josef Ebenhöch (18 Prozent).

[] So viel steht bereits fest: Dem scheidenden Grafinger Bürgermeister Rudolf Heiler (Freie Wähler) wird eine Frau nachfolgen. In der Stichwahl stehen sich die CSU-Politikerin Susanne Linhart, bisherige Zweite Bürgermeisterin, und die Vorsitzende der Grünen-Stadtratsfraktion, Angelika Obermayr, gegenüber. Es wird spannend: Zwar bekam Linhart bei der Bürgermeisterwahl mit 34,7 Prozent mehr Stimmen als Obermayr (28,5 Prozent). Bei der Stadtratswahl holte die Grüne mit 4111 Stimmen jedoch ein klar besseres Ergebnis als ihre CSU-Konkurrentin (3671).

[] Gut möglich, dass in Pullach eine Ära endet - die Zeit der unangefochtenen CSU-Herrschaft. Im ersten Durchgang ist der CSU-Kandidat, Andreas Most, mit einem Stimmenanteil von 26,5 Prozent nur zweiter Sieger gewesen. Die ehemalige Grünen-Landtagsabgeordnete Susanna Tausendfreund kam dagegen auf 39,7 Prozent. SPD und FDP haben eine klare Empfehlung für die erfahrene Landes- und Kommunalpolitikerin ausgesprochen.

[] Der Wahlkrimi in Dietramszell nimmt frühestens am Montag ein Ende - ohne Stichwahl, aber mit Duell. Erst wurden Briefwahlunterlagen in die falsche Gemeinde geschickt, dann war das Wahlergebnis zwischen CSU-Kandidatin Leni Gröbmeier (Bürgerliste BLD) und Martin Häsch (CSU) mit nur zwei Stimmen Unterschied so knapp, dass es nachgerechnet werden musste. Das Landratsamt Bad Tölz stellte fest, dass alles mit rechten Dingen zuging. Am Montag soll die Gemeinde das Wahlergebnis nun beschließen.

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