Tarifkonflikt:Pilotenstreik trifft Lufthansa mit voller Wucht

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Streikende Lufthansa-Piloten haben sich am Frankfurter Flughafen versammelt (Foto: AFP)

Dass die Lufthansa-Piloten ihre Arbeit niederlegen, kommt für den Konzern zur Unzeit: Er befindet sich gerade mitten im Umbruch. Der direkte finanzielle Schaden liegt wohl bei deutlich über 50 Millionen Euro. Hinzu kommt das Imageproblem.

Von Caspar Busse

Er könnte einspringen und sich als Streikbrecher profilieren. Nach seinem Wirtschaftsingenieursstudium besuchte Carsten Spohr, inzwischen 47 Jahre alt, von 1991 bis 1993 die Verkehrsflieger-Schule der Lufthansa in Bremen und Phoenix. Noch heute verfügt er über eine Kapitänslizenz, darf einen Airbus A320 fliegen.

Der sportliche Manager trainiert regelmäßig im Flugsimulator und lässt auch seine Flugfähigkeit immer wieder überprüfen, heißt es bei Lufthansa. Im Management gibt es einige Kollegen mit Pilotenschein, die notfalls ins Cockpit klettern können. Doch Spohr, der Anfang Mai den Vorstandsvorsitz der Lufthansa übernimmt, wird bei diesem Pilotenstreik nicht rettend einspringen. Er hat schlicht keine Zeit.

Spohr muss seine erste große Herausforderung bestehen - noch bevor er offiziell im Amt ist und die Führung der größten europäischen Fluggesellschaft von Christoph Franz übernimmt, der zum Pharmakonzern Roche in die Schweiz wechselt. Von diesem Mittwoch an streiken für drei Tage die Lufthansa-Piloten. Die Folgen sind dramatisch: Das Unternehmen muss für fast eine halbe Woche lang den Betrieb praktisch einstellen. 3800 Flüge wurden gestrichen, nahezu eine halbe Million Passagiere sind betroffen. In Konzernkreisen wird ausgeschlossen, dass der Streik kurzfristig noch abgewendet werden kann. "Ich glaube nicht, dass wir jetzt vor dem Streik noch eine Einigung finden werden", sagte eine Lufthansa-Sprecherin am Dienstag. Die Vorbereitungen für den Streik laufen bereits auf Hochtouren.

"Die Zuverlässigkeit des Unternehmens in Frage gestellt"

Der direkte Schaden für Lufthansa durch den Streik wird mit einem hohen zweistelligen Millionenbetrag angegeben, deutlich über 50 Millionen Euro. Lufthansa hat eine Liste mit den gestrichenen Flügen ins Netz gestellt und rund 150 000 personalisierte SMS und E-Mails an registrierte Kunden verschickt. Schon am Dienstag wurden vorsorglich 67 Flüge abgesagt. Die nicht vom Streik betroffenen Lufthansa-Gesellschaften, Swiss und Austrian zum Beispiel, setzen nun größere Maschinen ein. Viele Passagiere müssen aber auch auf Maschinen der Konkurrenz umgebucht werden, sagte ein Sprecher. Das verursacht hohe Kosten. Innerhalb Deutschlands können die Lufthansa-Kunden Zugverbindungen nutzen, die Deutsche Bahn hält bereits Reservezüge samt Personal an wichtigen Bahnhöfen bereit.

Sorgen macht sich Lufthansa aber auch um den Imageschaden. "Die Zuverlässigkeit des Unternehmens wird in Frage gestellt", sagt ein Insider. Und diese sei gerade für Lufthansa besonders wichtig: "Das tut schon weh." Das gelte vor allem, weil Lufthansa immer wieder von Streikaktionen betroffen ist, zuletzt etwa durch einen Ausstand des Luftsicherheitspersonals. Eine interne Statistik des Unternehmens führt seit 2008 insgesamt 30 Streikaktionen auf, vom Kabinenpersonal über Fluglotsen bis zu Technikern und Piloten.

Der Streik trifft Lufthansa zudem in einer besonders schwierigen Situation. Der scheidende Vorstandschef Franz hat ein umfangreiches Sanierungsprogramm mit dem Titel "Score" aufgelegt, an dem alle Konzernbereiche beteiligt sind - nur die Piloten wehren sich. Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.

Lufthansa war zuletzt stark unter Druck gekommen. Auf der einen Seite bedrängen günstig fliegende Billig-Airlines das Geschäft, auf der anderen Seite nehmen die arabischen Fluggesellschaften, die hoch subventioniert sind, den Deutschen Passagiere und Geschäft ab. 2013 ging der Umsatz leicht auf 30 Milliarden Euro zurück, das operative Ergebnis verschlechterte sich um 17 Prozent. Das Konzernergebnis stürzte um 75 Prozent auf 313 Millionen Euro ab. Trotzdem will Lufthansa eine Dividende für 2013 zahlen.

Das rächt sich nun. Denn die Piloten sehen vor diesem Hintergrund nicht ein, dass auch sie einen Beitrag zur Sanierung leisten sollen. Sie fordern nicht nur eine deutliche Gehaltserhöhung, sondern wehren sich auch gegen die geplante Reduzierung der Übergangsrenten. Piloten können bereits ab dem 55. Lebensjahr in Rente gehen und erhalten dann eine hohe Übergangsvergütung.

"Wolf im Schafspelz"

Die Belastungen seien aufgrund der Zeitverschiebungen, der Nachtflüge, des Schichtdienstes und des häufigen Klimawechsels sehr hoch, teilte die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) mit. Piloten müsse es möglich sein, individuell zu entscheiden, ob sie sich den Belastungen noch gewachsen fühlen. "Das ist auch im Interesse der Sicherheit der Passagiere, denn wer möchte mit Piloten fliegen, die sich nicht mehr fit fühlen, aber aus finanziellen Gründen weiterfliegen müssen?", so VC. Es gehe insgesamt um einen Betrag von einer Milliarde Euro. Die Gewerkschaft macht massiv Stimmung gegen die Lufthansa: "Das Management zeigt sich als Wolf im Schafspelz. In der Öffentlichkeit versucht man sich als verhandlungsbereit darzustellen. Davon ist am Tariftisch leider nichts zu verspüren."

Lufthansa-Personalchefin Bettina Volkens rechnet dagegen vor, dass in Deutschland derzeit für 84 000 ehemalige und Noch-Mitarbeiter Vorsorgeleistungen gezahlt würden. Darunter seien 8400 aktive oder ehemalige Piloten, also zehn Prozent. Auf diese würden aber 40 Prozent der Aufwendungen entfallen. Angeblich gibt es auch innerhalb des Konzerns nicht viel Verständnis für die Forderungen der Piloten. Ein Mitarbeiter am Check-in etwa müsse bis zum Alter von 67 Jahren arbeiten und erhalte etwa 2500 Euro monatlich. Ungefähr den Betrag, den ein gut verdienender Pilot jetzt mehr haben will - im Monat.

© SZ vom 02.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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