Lufthansa:Die Hybris der Piloten

Lufthansa: Ein Lufthansa-Pilot beteiligt sich am Streik in Frankfurt am Main.

Ein Lufthansa-Pilot beteiligt sich am Streik in Frankfurt am Main.

(Foto: Daniel Roland/AFP)

Betrachtet man ihre Jahresgehälter, streiken die Piloten auf hohem Niveau. Dabei hat die früher erfolgsverwöhnte Lufthansa gerade wirkliche Probleme: Sie steckt in der Zwickmühle zwischen Billigfliegern und Luxuslinien. In dieser Situation gefährden die Piloten mit ihrem brachialen Arbeitskampf ihr Ansehen - und letztlich womöglich ihren Job.

Ein Kommentar von Marc Beise

Auch Piloten sind Menschen, jedenfalls Arbeitnehmer, die für ihre Rechte streiken dürfen. Dies festzustellen gibt es in diesen Tagen Anlass. Der Zorn im Land ist groß über eine elitäre Berufsgruppe, die das Portemonnaie nicht voll genug bekommen kann und zur Befriedigung eigener Interessen Heerscharen von Reisenden in Geiselhaft nimmt. Mancher weiß über Piloten zu berichten, die im Wesentlichen im Entmüdungs- und Erholungsmodus sind, und wer keinen dieser Glücklichen kennt, ergötzt sich am Gehaltsniveau des typischen Lufthansa-Langstrecken-Kapitäns.

Rund 255 000 Euro brutto im Jahr streicht so einer am Ende der Karriereleiter ein, und wenn man alles zusammenkratzt, kommt man sogar auf 300 000 Euro -"so viel wie die Kanzlerin", stellt der CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs heraus. Fuchs, der sonst gerne der Marktwirtschaft das Wort redet und vermutlich auf die Barrikaden gehen würde, wenn jemand eine Gehaltsobergrenze für Manager forderte. Wenn es aber um die Piloten geht, dann hört das Verständnis auf, dann bestimmt der Neid das Bewusstsein.

Zur Wahrheit gehört, dass nicht jeder Lufthansa-Pilot so viel verdient. Das Anfangsgehalt von 73 000 Euro ist stattlich, aber in einer Größenordnung, mit der auch der Führungsnachwuchs in gut laufenden Unternehmen, Anwaltskanzleien und Beratungen rechnen darf. Und ein wichtiges Unternehmen ist auch die Lufthansa, eine der edelsten Adressen in der fliegenden Branche weltweit. Wer hier anheuert, profitiert von der Tradition der ehemals einzigen Fluggesellschaft des Wirtschaftswunder-Deutschlands. Mit dem Alter und der Größe des Fluggeräts wächst die Verantwortung und damit das Salär - es gibt wahrlich schlechtere Maßstäbe für die Höhe eines Gehalts.

Die Zeiten haben sich geändert - auch für die Lufthansa

Die Piloten sind das Aushängeschild des Kranichs, auf sie kommt es an - wie der Streik in diesen Tagen ja trefflich beweist, bei dem es um zehn Prozent mehr Lohn geht und den Erhalt einer Altersregelung, die den Ausstieg aus dem Berufsleben schon mit 55 zu großzügigen Konditionen ermöglicht. Dies sind Ansprüche, die den Piloten aufgrund ihrer Ausnahmesituation lange zugebilligt worden sind, soweit hatte das seine Ordnung. Nur haben sich die Zeiten dramatisch geändert.

Heute kämpft die Lufthansa: nicht ums Überleben, aber um ihre Position im Markt. Der früher erfolgsverwöhnte Konzern steckt in der Zwickmühle zwischen den zahlreichen Billigfliegern einerseits und den reichen Golf-Fluggesellschaften andererseits, Ausweg ungewiss. Hart gesprochen, verdient die Lufthansa in ihrem Kerngeschäft, Fliegen über Deutschland, kein Geld mehr. Was zählt, ist die Senkung von Kosten. Dass dazu auch die Piloten beitragen müssen, sollte unmittelbar einsichtig sein. Die Betroffenen aber ziehen alle Register.

"Ich werde meine Altersversorgung nicht opfern, damit die Lufthansa höhere Gewinne einfährt", das Argument aus dem Mund eines 55-jährigen Langstrecken-Piloten entwertet sich angesichts der Großwetterlage von selbst. Klüger ist der Hinweis auf die Arbeitsbedingungen, die längst nicht mehr so luxuriös sind wie früher, die viel Stress bedeuten und gesundheitliche Herausforderung. Das Sicherheitsargument ist bedenkenswert.

Die Piloten haben ihren Nimbus der Auserwählten verloren

Ja, die Piloten sollen topfit und motiviert sein für einen Job, der ähnlich wie der des Fußballtorwarts einer Premiumelf meistens eintönig ist - um im entscheidenden Moment Spitzenleistungen abzuverlangen. Freilich verdienen Kollegen bei den meisten anderen Gesellschaften weniger gut, manchmal nur die Hälfte - und arbeiten ebenso zuverlässig. Es gibt Reisende, die lieber LH fliegen, weil sie sich bei der etablierten Marke sicherer fühlen - von der Statistik gedeckt ist das nicht.

Die Lufthansa-Piloten müssen dringend einsehen, dass sie nicht mehr die "Herren der Lüfte" sind, dass sie den Nimbus der Auserwählten, der Einzigartigen, der Unersetzbaren verloren haben. Aus einem falsch verstandenen Korpsgeist heraus rennen sie ihrer Interessenvertretung "Vereinigung Cockpit" hinterher, die vieles im Blick haben mag, aber sicher nicht das Gesamtwohl des Unternehmens.

Die Pilotengewerkschaft, die in Konkurrenz steht zur großen Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, riskiert dabei viel. Wer als kleine Gruppe (5400 streikende Piloten) Teile des Landes (3800 Flüge, 425 000 Fluggäste) in Geiselhaft nimmt, tut das nicht ungestraft. Die Piloten verlieren das Wohlwollen der Bevölkerung und die Zustimmung der Politiker. Schon wird in Berlin über die Reglementierung von Spartengewerkschaften nachgedacht. Die Piloten der Lufthansa mögen sich jetzt brachial mehr Geld erstreiken. Am Ende verspielen sie damit erst ihr Ansehen und dann womöglich ihren Job.

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