Streaming-Box Fire TV:Amazon will das Wohnzimmer erobern

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Amazon-Manager Peter Larsen bei der Vorstellung des Fire TV.

(Foto: AFP)

Amazon drängt in den nächsten Markt: Mit der Mini-Box "Fire TV" sollen Filme und Serien aus dem Netz in den Fernseher kommen. Das Gerät dürfte vor allem die Konkurrenten Apple und Microsoft beunruhigen - und macht womöglich bald Teleshopping auf Zuruf möglich.

Von Johannes Kuhn, San Francisco

Amerikas Couch-Kartoffeln haben es so schlecht wie nie: Hohe Gebühren machen ihren Kabelanschluss inzwischen zum Luxusgut. Inklusive Internet-Verbindung legen viele Amerikaner heute dafür monatlich dreistellige Dollarsummen hin.

Und doch haben es die amerikanischen TV-Zuschauer so gut wie nie: Streaming-Dienste machen den Kabelanschluss zwar nicht komplett überflüssig, aber etwas verzichtbarer. Geräte, die Video-on-Demand-Dienste auf den Fernseher bringen und einfach zu bedienen sind, verkaufen sich immer besser und sind schon für unter 100 Dollar zu haben.

Das hat auch Amazon begriffen: Am Mittwoch stellte der Konzern in New York "Amazon Fire TV" vor. Die Set-Top-Box, die wie das Amazon-Tablet auf ein modifiziertes Android-Betriebssystem aufbaut, wird vorerst nur in den USA verfügbar sein und dort 99 Dollar kosten. Neben Streaming-Diensten wie Netflix und Hulu ist natürlich Amazon Prime Instant Videos, Amazons Online-Videothek für Premium-Kunden, mit einer App auf dem Gerät vertreten. Damit nimmt der Konzern erstmals den Kampf um den Platz im Wohnzimmer der US-Zuschauer auf.

Konkurrenz zu Apple TV und Co.

Amazon-Manager Peter Larsen machte in seiner Präsentation dann auch keinen einen Hehl daraus, wem sein Unternehmen damit Konkurrenz machen möchte: "Ich habe Apple TV und bin auch ein Mitglied von Amazon Prime", erklärte er, "aber es macht mich irre, dass ich meine Prime Instant Videos nicht auf Apple TV sehen kann."

Die Geschäftsmodelle der beiden Konzerne ähneln sich bis hin zum Preis für die beiden Geräte. Apple versucht mit seiner TV-Box, kostenpflichtige iTunes-Videoinhalte auf den Fernseher zu bringen. Auch Amazons Fire TV dürfte vor allem dazu dienen, Streaming-Umsätze der eigenen Plattform anzukurbeln.

Allerdings will der Online-Händler anders als die Konkurrenz aus Cupertino es nicht nur ausgewählten Partnern, sondern theoretisch allen Anbietern erlauben, Apps für die Fire-TV-Box zu programmieren. Sender, Sport-Ligen oder Online-Portale können so problemlos ihre Programme über Amazons Gerät anbieten, kostenlos oder gegen Gebühren.

Das TV-Gerät als Einkaufszentrum?

Ähnlich handhaben es bereits andere Hardware-Hersteller, am konsequentesten bislang der amerikanische Anbieter Roku, der die meisten Kanäle bietet. Auch Google mit seinem günstigeren Chromecast-Stick, der inzwischen auch in Deutschland erhältlich ist, setzt auf ein offenes System von Drittanbieter-Apps. Larsen betonte bei der Vorstellung, dass das Fire-TV-Gadget der Konkurrenz an Rechenleistung überlegen sei, zudem können Benutzer es per Spracheingabe steuern.

Zukunftsszenarien mit "Kaufen!"-Sprachbefehl

Amazon hat als Kaufhaus-für-alles-Konzern aber noch ganz andere strategische Möglichkeiten als die Konkurrenten. "Wir werden einige interessante Video-Werbespots sehen", glaubt Michael McGuire von der Tech-Analysefirma Gartner.

So lassen sich Produkte künftig womöglich direkt aus der Werbung "Kaufen!"-Sprachbefehl bei Amazon bestellen, Unternehmen könnten ganze Teleshopping-Kanäle an den Online-Händler anbinden. In Zukunft sind vielleicht Produkte, die in Filmen und Serien platziert werden, direkt bestellbar. Amazon selbst hält sich mit Aussagen über solche Szenarien allerdings zurück.

Ein bisschen Konkurrenz für die Xbox

Auch Microsoft dürfte aufmerksam verfolgen, wie sich die TV-Box verkauft, ist für diese doch auch ein Gamecontroller erhältlich, der dem der Xbox stark ähnelt. Amazon selbst wird im hauseigenen Studio Spiele entwickeln, aber auch mit EA, Disney und Sega zusammenarbeiten. Erste bekannte Titel sind Minecraft, Monsters Inc. und Asphalt 8, zahlreiche weitere sollen folgen.

Eine Alternative für Hardcore-Gamer, die über die Xbox ihren kompletten Medienkonsum abwickeln, ist die Box allein wegen der Rechenleistung nicht - allerdings wächst der Markt für Zwischendurch-Spiele, die ein breiteres Publikum ansprechen.

Noch ist nicht abzusehen, was Amazon aus seinem neuen Gerät machen wird. Bislang ist die Online-Videothek des Unternehmens nur den 20 Millionen Mitgliedern des Amazon-Premiumprogramms zugänglich, die dafür 99 Dollar pro Jahr zahlen müssen. "Wenn Amazon die Nicht-Premium-Kunden umwerben kann, sie mit Spielen, Videos und am Ende Shopping-Angeboten überzeugt, ergibt die Fire-TV-Strategie Sinn", urteilte Larry Dignan vom Tech-Portal Zdnet.

Keine Lust auf Kabel

Weil internetfähige Fernseher ebenfalls Streaming-Funktionen haben - auch wenn diese weit schlechter zu bedienen sind - ist der Markt für Set-Top-Boxen wie Fire TV noch überschaubar. Das Online-Portal Re/code schätzt ihn auf weniger als 25 Millionen verkaufter Geräte weltweit.

"Solche Set-Top-Boxen sind vor allem für junge Konsumenten interessant, die keine Lust auf Kabelfernsehen haben", glaubt Gartner-Mann McGuire, "am Ende ist aber entscheidend, für welche Sendungen und Programme die neuen Anbieter Lizenzen bekommen." Und hier haben, Couch-Kartoffeln wissen es, die Kabelanbieter noch die Nase vorn.

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