TV-Duell in Großbritannien:Europa-Feind besiegt Europa-Freund

BBC Hosts Second Nick Clegg And Nigel Farage Debate

Heftiger Schlagabtausch über die Zukunft Großbritanniens in der EU: Ukip-Chef Nigel Farage und Vizepremier Nick Clegg beim zweiten TV-Duell.

(Foto: Getty Images)

Der britische Rechtspopulist Nigel Farage gibt sich als Putin-Versteher - das kommt an beim britischen Publikum. Bereits zum zweiten Mal schlägt Farage Vizepremier Nick Clegg in einem TV-Duell. Der hat auf der Insel als Pro-Europäer einen schweren Stand.

Von Kathrin Haimerl

Wenn Nigel Farage feiert, dann tut er das natürlich mit einem Pint Ale. Hier der Beweis: Nigel Farage, very british, im Nadelstreifenanzug mutmaßlich vor einem Londoner Pub. Breit grinsend präsentiert sich der Chef der britischen rechtspopulistischen Partei Ukip. Auf dem Becher steht der Slogan einer Bierwerbung: "English, ever reliable and damned tasty." Englisch, seit jeher verlässlich und verdammt gut. Das würde Nigel Farage vermutlich von sich selbst auch behaupten - insbesondere nach diesem TV-Duell über die Frage zur Zukunft Großbritanniens in der EU.

Fast 70 Prozent der Zuschauer und Radiohörer finden: Farage hat es Großbritanniens liberalem Vize-Premier Nick Clegg so richtig gezeigt. Offenbar noch deutlicher als bei der ersten TV-Debatte. Das zumindest ergaben Umfragen der Institute ICM und Yougov. Clegg ist in Sachen Europa der perfekte Kontrahent von Farage: Er gilt als leidenschaftlicher Pro-Europäer und dürfte damit einer der letzten seiner Art auf der Insel sein.

Als ein Junge eine Frage stellt, kommt es zu einer Schlüsselszene im aktuellen TV-Duell. Der junge Zuschauer will wissen, was denn mit dem außenpolitischen Gewicht der Europäischen Union sei, insbesondere in aktuellen Fragen wie der Krim-Krise und der Ukraine. Farage präsentiert sich als Putin-Versteher, spricht von einer Militarisierung, die die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton vorantreibe, erklärt, dass die Demonstranten auf dem Maidan einen "demokratisch gewählten Führer" gestürzt hätten, bezeichnet die Unterstützung der Ukraine durch die EU als Provokation für Russland.

Dann sagt er den Satz: "Ich will nicht Teil einer expansiven EU-Außenpolitik sein, ich glaube, dass das eine Gefahr für den Frieden ist." Damit trifft er offenbar einen Nerv, das Publikum applaudiert. Feindbild EU, jetzt auch noch als Kriegstreiberin. Farage beherrscht die Kunst des Populismus perfekt.

Der Brite setzt sich gerne als Mann aus dem Pub von nebenan in Szene, das Wort Populist dürfte er in diesem Sinne eher als Kompliment denn als Schimpfwort auffassen. Seit 1999 ist er Abgeordneter des Europäischen Parlaments und hat es europaweit zu einem beachtlichen Bekanntheitsgrad gebracht. Seine wüsten Beschimpfungen gegen EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy ("Charisma eines feuchten Lappens") avancierten zu Youtube-Hits.

Das Problem mit Farage aus Cleggs Sicht

Farage ist einer von denen, die im europäischen Parlament sitzen, obwohl sie dieses eigentlich abschaffen wollen. Mit Leidenschaft trommelt er für den britischen EU-Ausstieg ("Brexit"). Deshalb dürfte es wohl sein bislang größter Triumph gewesen sein, als Großbritanniens Premier David Cameron ein Referendum über einen ebensolchen angekündigt hatte, was allerdings auf massiven Widerstand im Parlament stieß. In einer aktuellen Umfrage zur Europawahl liegt seine United Kingdom Independence Party (Ukip) bei 30 Prozent, und damit noch vor Labour, den Conservatives und den LibDems. Ukip könnte bei der Europawahl stärkste Partei in Großbritannien werden.

Ignorieren kann man den Mann also nicht mehr, inzwischen ist Farage auch in den etablierten TV-Sendern angekommen. Doch außer Nick Clegg wollte niemand in die direkte Konfrontation mit dem Ukip-Führer gehen, Cameron verweigerte sich einem Live-Duell, ebenso wie Labour-Mann Ed Miliband. Wohl aus gutem Grund, denn die Haltung des Premiers zur Europäischen Union ist eher diffus. Zwar hatte Cameron einst Ukip als Partei der Spinner und Rassisten abgetan, doch inzwischen schlägt er in Sachen Einwanderung und Euroskeptizismus ganz ähnlich Töne an.

Nick Clegg, der mit seiner pro-europäischen Haltung eine Außenseiterposition vertritt, schlug sich aus nicht-britischer Sicht in der TV-Debatte ganz gut: Er ging seinerseits in die Offensive und versuchte, die Argumentation Farages zu entlarven. So zum Beispiel in Sachen Putin. Der Hass Farages auf die EU gehe so weit, dass er nun die Taten eines Mannes rechtfertige, der den syrischen Diktator Assad und dessen Bluttaten unterstütze, hielt Clegg ihm entgegen. "Nigel Farages Position ist vollkommen unhaltbar", sagte er und ging dann selber zum Angriff über: "Das Problem mit Leuten wie Farage ist, dass sie überall Verschwörungen wittern. Es würde mich nicht überraschen, wenn uns Nigel Farage bald erzählen würde, dass die Mondlandung ein Fake war, dass Barack Obama kein Amerikaner ist, oder dass Elvis lebt."

Doch offenbar ging Cleggs Strategie in Großbritannien nicht auf. Sogar LibDem-Wähler finden, dass Farage das TV-Duell für sich entschieden hat. Guardian-Journalist Nicholas Watt will dafür auch eine Erklärung gefunden haben: Wenn man Farage auf diese Weise attackiere, dann würde man viele Wähler beleidigen.

Man hat es einfach nicht leicht als Europa-Freund in Großbritannien.

Linktipp: Mathew Shearman beschreibt in einem Gastbeitrag das schwere Leben als britischer Europa-Fan.

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