Kolumne "Er sagt, sie sagt":Das soll Hipster?

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Bei der Beurteilung der Kleidung ihres Partners geben sich Frauen oft weniger sensibel, als sie es von ihm erwarten.

(Foto: iStock)

Was ein Mann und eine Frau unter einem gelungenen Outfit verstehen, ist nicht immer dasselbe. Genau, wie eine Hochwasserhose nicht automatisch eine Hipsterhose sein muss. Manchmal ist sie auch einfach nur zu kurz. Eine Kolumne in Dialogform.

Von Violetta Simon

Sie (kommt gerade aus dem Badezimmer): Können wir dann?

(Hier sehen wir ein schönes Beispiel für die verschobene Wahrnehmung von Wartezeit unter Paaren: Während er fix und fertig auf der Couch sitzt und sich fragt, was sie so lange hinter der verschlossenen Badezimmertür zu tun hat, vergisst sie sowohl die Zeit als auch den wartenden Mann. Sobald sie jedoch die Zeremonie abgeschlossen hat und die Tür öffnet - also quasi den Wiedereintritt in die reale Zeitdimension vollzogen hat -, wird ihr die Situation schlagartig bewusst: höchste Zeit, wir sind zu spät! Jede weitere Verzögerung wird von nun an mit größtem Missmut zur Kenntnis genommen. Der wartende Mann auf dem Sofa, der weitaus mehr Grund zur Ungeduld hätte, erscheint als nichtsnutziger Herumlungerer, der den Ernst der Lage nicht begreift.)

Er: Von mir aus kann's losgehen, ich warte hier ja schon seit 20 Minuten.

Sie: Das ist jetzt nicht dein Ernst, so willst du aus dem Haus?

Er: Klar, warum nicht?

Sie: Zum Beispiel sieht man deine knallgelben Socken.

Er: Ja, ich weiß. Ich habe bewusst etwas Auffälligeres für die Füße gewählt. Socken in Signalfarben liegen voll im Trend.

Sie: Aber die Frage ist doch, warum man sie auch sieht, wenn du stehst. Falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Diese Hose ist zu kurz! Wusste gar nicht, dass Cord eingehen kann.

Er: Du hast keine Ahnung. Das trägt man jetzt so - ist Hipster-Style.

Sie: Nein, mein Lieber. Dazu ist diese Hose eindeutig zu alt. Wärst du ein Hipster, würdest du in einer Röhrenhose mit aufgekrempelten Beinen stecken, meinetwegen auch in einer 7/8-Hose von Michael Michalsky. Was du da trägst, ist einfach nur zu kurz und ausgebeult obendrein. Das ist nicht Hipster, sondern Hochwasser.

Er: Ha! Michalsky - dass ich nicht lache. Ist das nicht dieser Typ, der immer in zu engen Klamotten rumläuft?

Sie (seufzt und rollt mit den Augen): Ne, das ist Hedi Slimane. Der mit den figurbetonten Anzügen.

Er: Du meinst wohl eher Anzüge für Magersüchtige. Jeder einigermaßen normal proportionierte Mann sieht darin aus wie herausgewachsen. Aber wenn ich so was trage, behauptest du, ich sei zu dick dafür.

Sie: Falls du auf deinen dunkelblauen Konfirmations-Anzug ansprichst, den du zum 70. Geburtstag meiner Mutter getragen hast: Du sahst darin nicht nur aus wie herausgewachsen - du warst es auch. (Diesen Anzug hatte er damals ausschließlich ihr zuliebe getragen. Nach dem zweiten Stück Torte wäre er beinahe zugrunde gegangen und hatte den Rest des Abends stehend verbracht.)

Er: Also, der war von unserer Hochzeit, ja?!

Sie: Na bitte. Jedenfalls war er zu eng.

Er: Aber bei Slimane wäre das okay, der kriegt sogar noch Geld dafür!

Sie: Na ja, ihm steht es halt. Der ist ja auch ein anderer Typ als du.

Er: Du meinst: dünner. (Auf so eine Andeutung würde kein vernünftiger Mann antworten. Er weiß genau, dass er jetzt nur alles falsch machen kann. Frauen hingegen machen sich solche Gedanken nur, wenn es um ihre Gefühle geht. Das ist der Unterschied zwischen sensibel und empfindlich.)

Sie: Ja, und schwul. Da darf der so was.

Lizenz zum Tragen von Kniestrümpfen

Er: Wenn ich dich richtig verstehe, dann soll ich also nur deshalb keine Hochwasserhosen und Konfirmationsanzüge tragen, weil ich kein homosexueller, fliegengewichtiger Designer bin. Wohingegen die Herren Slimansky sogar die Lizenz zum Tragen von Kniebundhosen und Kniestrümpfen haben.

Sie: Jetzt beruhige dich mal! Es geht hier doch nicht um irgendwelche Designer, sondern um dich als Gesamterscheinung.

Er: Was bitte ist denn mit meiner Gesamterscheinung nicht in Ordnung?

Sie: Na, erst mal diese Hose - und dann auch noch in Kombination mit diesem schlammfarbenen Wasauchimmerdasseinmag-Pulli mit den durchgescheuerten Ellbogen ...

Er: Entschuldige mal, das ist echte Schurwolle, der hat damals 'ne Stange Geld gekostet! (Und außerdem wollte sie damals unbedingt, dass er sich mal "was Ordentliches" zulegt.)

Sie: Du meinst damals, zu D-Mark-Zeiten?

Er: Es kommt doch nicht darauf an, wie alt ein Kleidungsstück ist - manche Dinge sind eben von zeitloser Schönheit.

Sie: Dieser Pulli ist NICHT schön. Und war es auch nie. (So viel zum Thema Sensibilität)

Er: Ach ja? Und wenn ich jetzt Karl Lagerfeld wäre?

Sie: Dann wäre es vermutlich Retro. Und morgen Trend.

Er: Siehste? Dann stell dir einfach vor, ich sei Lagerfeld - und schaffe jetzt, in diesem Moment, eine neue modische Bewegung.

Sie: Dazu reicht meine Phantasie nicht annähernd.

Er: Schon gut, ich werde mich umziehen. Du bist offensichtlich noch nicht reif für die modische Offenbarung eines heterosexuellen, leicht übergewichtigen Mannes.

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