Nahost-Gespräche in der Krise:Israel stoppt vereinbarte Häftlingsfreilassung

Zipi Liwni

Israels Chef-Unterhändlerin Zipi Livni (Archivbild) reagiert auf die palästinensische UN-Offensive: Die vereinbarte Freilassung von 26 palästinensischen Häftlingen liegt auf Eis.

(Foto: dpa)

Erst verzögert Israel eine vereinbarte Häftlingsfreilassung, dann wenden sich die Palästinenser an die UNO - jetzt legen die Israelis die Befreiung der Gefangenen ganz auf Eis. Der im Sommer neu begonnene Friedensprozess steckt wieder einmal in einer tiefen Krise.

Die von den USA vermittelten Nahost-Gespräche befinden sich in einer schweren Krise. Statt sich an Abmachungen zu halten, rücken die Konfliktparteien von bereits gemachen Zusagen wieder ab.

Israel hat die vereinbarte Freilassung von 26 palästinensischen Häftlinge ganz auf Eis gelegt - als Reaktion auf eine diplomatische Offensive der Palästinenser. Aus Verhandlungskreisen hieß es am Donnerstag, Chefunterhändlerin Zipi Livni habe dies am Vorabend bei einem Treffen mit ihrem palästinensischen Gegenpart Saeb Erekat deutlich gemacht. Die Palästinenser hätten sich an die Vereinten Nationen gewandt, obwohl sie wussten, dass Israel eine Einigung in der Häftlingsfrage anstrebe, sagte die Justizministerin den Angaben zufolge. Nun müsse neu bewertet werden, ob die Friedensgespräche fortgesetzt werden können.

Die Palästinenserführung hatte am Mittwoch UN-Vertretern sowie der Schweiz und der Niederlande Urkunden über den Beitritt zu 15 internationalen Abkommen übergeben. Damit tragen sie ihren Kampf um einen eigenen Staat und ein Ende der israelischen Besatzung wieder auf das internationale Parkett.

Kerry mahnt die Konfliktparteien zu mehr Führungsqualitäten

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas begründete sein Vorgehen damit, dass Israel sich nicht an eine Vereinbarung gehalten habe, wonach bis Ende März 26 palästinensische Häftlinge freigelassen werden sollten. Die Freilassung der Langzeitgefangenen gehört zu einem Paket von Maßnahmen, mit denen die Nahostfriedensverhandlungen vorangebracht werden sollten. Seit der Wiederaufnahme der Gespräche hatte Israel in drei Schritten 78 palästinensische Langzeithäftlinge entlassen. Bis Ende März sollten die letzten 26 Gefangenen frei kommen.

US-Außenminister John Kerry mahnte die Spitzenvertreter Israels und der Palästinenser unterdessen, bei den Friedensgesprächen Führungsqualitäten zu zeigen. Die Verantwortung für die Rettung der Friedensgespräche liege bei Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und Abbas, sagte Kerry am Donnerstag in Algier nach Angaben des State Departments.

Kerry hatte die Ende Juli vergangenen Jahres begonnenen Friedensgespräche eingefädelt und seither unermüdlich als Vermittler begleitet. "Am Ende, meine Freunde, kann man schieben und drängen, aber es sind die Parteien selbst, die die grundlegenden Entscheidungen und Kompromisse ermöglichen müssen. Die Anführer müssen führen", sagte er. "Es gibt ein altes Sprichwort, dass man ein Pferd zur Tränke führen, nicht aber zum Trinken zwingen kann", sagte Kerry. "Jetzt ist die Zeit zum Trinken und die Anführer (Israels und der Palästinenser) müssen sich das klar machen."

UN-Anerkennung gegen Sanktionen

Medienberichten zufolge lieferten sich die Unterhändler beider Seiten, Livni für Israel und Erekat für die Palästinenser, während der neunstündigen Sitzung in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag heftige Wortgefechte und überzogen sich gegenseitig mit Drohungen.

Nachdem Erekat betont habe, er spreche "im Namen des von den UN anerkannten Staates Palästina" und nicht im Namen der unter der Fuchtel Israels stehenden palästinensischen Autonomiebehörde, drohte Livni mit "endlosen" Sanktionen gegen die Palästinenser.

Der Nachrichtenagentur Maan zufolge habe Erekat daraufhin nachgelegt: Die Palästinenser würden Israelis dann auf allen internationalen Foren als Kriegsverbrecher anprangern. Besonders gefährlich für Israelis könnten Strafverfahren vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen der Siedlungs- und Besatzungspolitik werden. Vergeblich habe US-Vermittler Martin Indyk versucht, die Gemüter zu besänftigen.

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