"Polizeiruf 110" aus Brandenburg:Zerlegtes Neoöko-Idyll

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Hauptkommissarin Olga Lenski (Maria Simon, re.) und ihre alte Schulfreundin Ruth (Fritzi Haberlandt) im Brandenburger Polizeiruf 110. (Foto: rbb/Oliver Feist)

Im neuen Brandenburger "Polizeiruf" ermittelt Hauptkommissarin Olga Lenski nach einem Mord in einer Landkommune. Eine Film über Idealismus und Freundschaften vergangener Tage.

Von David Denk

Wenn alte Freunde sich nach Jahren der Funkstille wieder über den Weg laufen, weicht die erste Wiedersehensfreude häufig schnell einer gewissen Sprachlosigkeit: Man wärmt sich an Geschichten und Fotos von früher, weil man sich heute nicht mehr viel zu sagen hat. Auch Hauptkommissarin Olga Lenski (Maria Simon) ist ihre Schulfreundin Ruth (Fritzi Haberlandt) fremd geworden. Wenn sie sich die Fotos vom Kinderkarneval anschaut, zu dem die beiden als "Käfer und Prinzessin" gingen - so auch der Titel des ersten von Robert Thalheim ("Eltern") inszenierten Polizeiruf 110 (Buch: Clemens Murath)­ -, liegt in Lenskis Blick der Versuch, dieses Bild mit der Ruth von heute in Einklang zu bringen.

Während Lenski selbst, die in Brandenburg gelandete Karrierepolizistin, unwirsch auf den Wunsch ihres Ex (Andreas Pietschmann) reagiert, bei ihr und dem gemeinsamen Baby einzuziehen, ist Ruths Lebensaufgabe die Gemeinschaft. Mit Paul (Fabian Busch), dem Vater ihres Sohns, und ihrem aktuellen Freund Martin (Niels Bruno Schmidt) lebt sie in einer Landkommune. Oder besser: lebte. Denn Martin wird tot in der Jauchegrube des Nachbarhofs gefunden. Ermordet - doch wohl nicht etwa von einem seiner Mitstreiter?!

Herzerwärmendes Geplänkel

Genüsslich zerlegt Regisseur Thalheim das Neoöko-Idyll, das er anfangs mit Bildern von derben Strickjacken, prallen Äpfeln, güldener Herbstsonne, buntem Laub und prasselndem Lagerfeuer (Kamera: Henner Besuch) sehr stimmig und haarscharf an der Karikatur vorbei aufgebaut hat. Ein TV-Krimi, der das Milieu aus dem und über das er erzählt, kennt, ist beileibe keine Selbstverständlichkeit - für einen richtig guten Film aber nur die halbe Miete.

Bei der anderen Hälfte, der Story, schwächelt "Käfer und Prinzessin". Lenski und Kollege Hauptmeister Horst Krause (Horst Krause) ermitteln in ganz vielen Gesprächen so vor sich und gestehen sich zwischendurch ihre Liebe. Lenski: "Ruth hat schon immer ihre Träume gelebt." Krause: "Sie nicht?" Lenski schweigt und sagt dann: "Mit Ihnen zu arbeiten ist schon irgendwie auch ein Traum." Besonders dicht kann ein Plot nicht gestrickt sein, in dem für derlei herzerwärmendes Geplänkel Zeit bleibt.

Welches Geheimnis hat also Genosse Martin das Leben gekostet? Es dauert unverhältnismäßig lange, bis klar wird, dass der Ökohof nicht nur wegen offenbar seit Jahren kontaminierter Böden in seiner Existenz bedroht ist, sondern auch, weil Gleichheit auch manch einem vermeintlichen Idealisten irgendwann nicht mehr ausreicht, er (oder sie) doch gern gleicher wäre als die anderen. So weit, so menschlich, so wenig überraschend. Aber zum Glück gibt es Hofbewohner Harry Wacker (Peter Lohmeyer), der der Gemeinde für einen Spottpreis ein Ausweichgrundstück aus den Rippen leiert. Und die ist davon auch noch regelrecht begeistert. Nur Paul misstraut Harrys Versprechungen.

Stellenweise wirkt Thalheims Film dennoch regelrecht gelangweilt von seiner eigenen Botschaft: Als der Fall gelöst ist, sagt Lenski zu Krause: "Worum ging es am Ende wieder einmal?" Krause: "Geld reagiert die Welt." Lenski: "Und was ist mit all den guten Ideen?" Krause: "Die bleiben." Könnte nicht schaden, wenn die guten Ideen bei Gelegenheit auch mal in der Polizeiruf-Redaktion vom RBB vorbeischauen würden.

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Von Carolin Gasteiger und Jessy Asmus

Polizeiruf 110 , ARD, Sonntag, 20.15 Uhr

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