Internetnutzung in der Türkei:Erdoğan hat keinen Respekt für Twitter-Urteil

Recep Tayyip Erdogan, Ministerpräsident der Türkei

Kein Respekt fürs Verfassungsgericht: Ministerpräsident Erdoğan

(Foto: AFP)

Akzeptieren muss Ministerpräsident Erdoğan das Urteil des Verfassungsgerichts zur Aufhebung der Twitter-Sperre, respektieren will er es nicht. Nun hat allerdings ein weiteres Gerichtsurteil auch das Ende der Blockade von Youtube verfügt.

Die Sperrung von Twitter in der Türkei ist zwar nach einem Urteil des Verfassungsgerichts aufgehoben, aber geschlagen geben will sich Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan nicht. Erdoğan kritisierte das oberste Gericht des Landes scharf wegen der Freigabe des Kurznachrichtendienstes. Seine Regierung habe sich zwar dem Urteil gebeugt und die Zugangssperre zu Twitter wieder aufgehoben, sagte Erdoğan. "Aber Respekt für das Urteil empfinde ich nicht."

Vielmehr warf Erdoğan dem Gericht vor, "gegen die nationalen und moralischen Werte" der Türkei entschieden zu haben. Es gehe nicht um Freiheitsrechte, sondern um ein US-Unternehmen. Das Verfassungsgericht hätte die Klagen gegen die Twitter-Sperre schon aus formalen Gründen zurückweisen müssen. Stattdessen habe das Gericht eine Eilentscheidung gefällt. Dies sei nicht zu verstehen.

Die türkische Internetbehörde hatte den am 20. März gesperrten Zugang zu Twitter am Donnerstag wieder freigegeben, nachdem sie vom Verfassungsgericht in einer einstimmigen Entscheidung dazu aufgefordert worden war. Die Regierung hatte Twitter vor den Kommunalwahlen in der Türkei gesperrt, nachdem der Kurzbotschaftendienst zur Verbreitung von Korruptionsvorwürfen gegen Erdoğan und sein Umfeld genutzt worden war.

Ein Gericht in Ankara hob mittlerweile auch die die Sperre für die Videoplattform Youtube wieder auf. 15 Videos sollen demnach allerdings weiterhin nicht abrufbar sein. Die Webseite war vergangene Woche gesperrt worden, nachdem dort unter anderem Mitschnitte aus Telefonaten zwischen Erdoğan und seinem Sohn Bilal aufgetaucht waren. Bereits von 2008 bis 2010 war Youtube in der Türkei wegen Atatürk-Beleidigungen blockiert gewesen.

Erdoğan zeigt Journalisten an

Auch andere Entwicklungen nähren Befürchtungen, dass Erdoğan die Pressefreiheit mehr und mehr beschneidet. Die türkische Justiz erhob am Freitag Anklage gegen einen kritischen Journalisten wegen Beleidigung des Ministerpräsidenten. Die Staatsanwaltschaft fordert bis zu zwei Jahre und acht Monate Haft für den Kolumnisten Emre Uslu, wie türkische Zeitungen berichteten.

Uslu hatte in einer Kolumne in der unabhängigen Tageszeitung Taraf im November die Bildungspolitik der Regierung kritisiert. Die Staatsanwaltschaft argumentiert den Berichten zufolge, der Text beleidige den Regierungschef. Uslu hält sich derzeit in Brüssel auf.

Erdoğan selbst hatte Strafanzeigen gegen Uslu, zwei weitere Journalisten sowie einen ehemaligen Polizeioffizier und einen Fernsehkommentator gestellt. Auch diese Anzeigen wurden mit Beleidigung begründet. Erdoğan verlangte von der Justiz zudem, die Beschuldigten mit einem Ausreiseverbot zu belegen. Erdogan strengte in seiner elfjährigen Regierungszeit bereits häufig Prozesse gegen Journalisten an. Dabei ging es meistens jedoch um Schmerzensgeldforderungen, nicht um Strafrechtsverfahren mit der Forderung nach Gefängnisstrafen wie in den jüngsten Fällen.

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