Personalmangel bei der Marine:Beschützer der Meere dringend gesucht

Fregatte 'Augsburg'

Das internationale Mandat kommt nächste Woche. Dan soll die Fregatte Augsburg das US-Schiff sichern, das die syrischen Chemiewaffen vernichten wird.

(Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Die deutsche Marine bekommt kommende Woche ein neues internationales Mandat, dabei ist sie längst an ihrer Leistungsgrenze angelangt. Es mangelt an Gerät und vor allem an Personal. Jetzt soll eine Imagekampagne helfen.

Von Christoph Hickmann

Der nächste Einsatz steht bereits fest, am Freitagmittag wurde er zum Thema im Bundestag. Da debattierte das Parlament über die Entsendung einer deutschen Fregatte, um die Neutralisierung syrischer Chemiewaffen auf einem US-Spezialschiff abzusichern - und nicht nur die Redner von Union und SPD sprachen sich für die Beteiligung an der Mission aus, sondern auch die Grünen. In der nächsten Woche soll das Mandat verabschiedet werden, dann ist es amtlich: Die deutsche Marine läuft mal wieder aus. Dabei hat sie seit Längerem ihre Leistungsgrenze erreicht.

Die Marine ist die kleinste Teilstreitkraft der Bundeswehr, mit ungefähr 12 000 Soldaten verfügt sie über deutlich weniger Personal als die Luftwaffe oder gar das Heer. Bereits jetzt trägt sie einen beträchtlichen Teil der Einsatzbelastung, im Mittelmeer oder am Horn von Afrika - mit deutlich weniger Leuten, als sie eigentlich haben sollte. Während die Bundeswehr als Ganzes durch die sogenannte Neuausrichtung kleiner wird, muss die Marine in den nächsten Jahren sogar leicht wachsen, um alle Dienstposten nach Plan zu besetzen. Und das Problem beschränkt sich nicht aufs Personal, die Marine pfeift, wie man so sagt, insgesamt aus einem der letzten Löcher. Wobei es Vizeadmiral Axel Schimpf, Inspekteur der Marine, zurückhaltender ausdrückt: "Die Marine ist, was ihre Ressourcen angeht, fast ausgereizt. Das gilt sowohl materiell als auch personell."

Was das Material angeht, sagt er: "In den nächsten drei bis fünf Jahren können wir nicht auf elf Fregatten zurückgreifen, sondern voraussichtlich nur auf fünf Schiffe." Das liegt daran, dass alte Fregatten außer Dienst gestellt werden, während die nicht ganz so alten modernisiert werden müssen und neue dazukommen. In der Übergangsphase muss die Marine erst einmal mit deutlich weniger der sogenannten Dickschiffe auskommen als gewünscht.

Acht bis zehn Prozent der Posten sind unbesetzt

Mindestens genau so viel Schwierigkeiten aber hat man mit dem Personal. Derzeit sind laut Schimpf zwischen acht und zehn Prozent aller Dienstposten nicht besetzt. Das mag rein statistisch hinkommen, wenn man das komplizierte Hin und Her zwischen der heutigen und der künftigen Struktur der Marine berücksichtigt. Tatsächlich fehlen jedoch auf vielen Schiffen deutlich mehr als zehn Prozent, auch weil sich die Besatzungen gegenseitig aushelfen müssen, wenn es in den Einsatz geht. Fehlt auf einem Schiff, das demnächst auslaufen soll, etwa ein Techniker, muss der von einer anderen Einheit gestellt werden - auch wenn sein letzter Einsatz womöglich noch gar nicht lang zurückliegt.

Auf Schiffen im Einsatz sind mittlerweile häufig beträchtliche Teile der Mannschaft von anderswo zusammengeklaubt, während für Soldaten, deren Schiffe im Hafen liegen, die Belastung durch Wachdienste mittlerweile erheblich ist. Entsprechend ist der Unmut - zumal Seefahrt ohnehin stets eine besondere Belastung für das Privatleben bedeutet. Besonders groß sind die Lücken bei den Unteroffizieren und Mannschaftsdienstgraden, während es bei den Offizieren derzeit kein Problem gibt.

Wegfall der Wehrpflicht ist eine Ursache

Woran all das liegt? "Die allermeisten jungen Leute können sich unter dem Arbeitsplatz Schiff oder Boot nicht viel vorstellen, deshalb stellt der Wegfall der Wehrpflicht die Marine mehr als andere Teilstreitkräfte vor besonders große Probleme", sagt Inspekteur Schimpf. "Wir haben dadurch nicht mehr die Chance, eine größere Anzahl junger Menschen an diese Welt heranzuführen." Etwa 40 Prozent ihres Nachwuchses rekrutierte die Marine früher über die Wehrpflicht.

Hinzu komme die "schwierige demografische Entwicklung" in den Küstenregionen, etwa in einem Land wie Mecklenburg-Vorpommern, so Schimpf. "Dort gibt es kaum noch die jungen Menschen, die wir suchen, deshalb müssen wir mehr und mehr ins Binnenland und dort die Marine bekannt machen." Dort wiederum sehen sich die militärischen Öffentlichkeitsarbeiter damit konfrontiert, dass es mittlerweile deutlich günstiger als einst ist, mit dem Flugzeug an entlegene oder auch exotische Orte zu kommen. Wer heute nach dem Schulabschluss auf Abenteuerreise gehen will, dürfte kaum auf die Idee kommen, sich dafür eine Matrosenuniform anzuziehen und von brüllenden Obermaaten militärisch-seemännische Disziplin zu lernen.

Doch der Personalbedarf ist hoch: Nach Rechnung des Verteidigungsministeriums muss sich von den grundsätzlich geeigneten jungen Menschen jedes Jahrgangs künftig jeder oder jede Sechste bei der Bundeswehr bewerben. Von diesen Bewerbern wiederum muss jeder Sechste "marinewillig" sein, wie es intern heißt. Entsprechend viel Mühe gibt sich die Marine mittlerweile damit, mehr Bewerber anzulocken.

Zum Paket gehört eine Imagekampagne ("Der Handel über die Weltmeere erfordert sichere Seewege. Eine starke Marine schützt diese Seewege."). Und es gehören zwei eigentlich ausrangierte Minensucher dazu, auf denen Interessierte einen ersten Einblick in den Alltag an Bord bekommen, inklusive kurzer Ausfahrt. Der Bundesrechnungshof ist von dieser aufwendigen Art der Nachwuchswerbung zwar nicht allzu begeistert, doch bei der Marine erklärt man stolz, dass es für die nächsten Ausfahrten im April und Mai bereits mehr Bewerber als Plätze gebe. Inspekteur Schimpf berichtet sogar von einer Trendwende bei den Bewerberzahlen. Er weiß aber auch: Der nächste Einsatz kommt sowieso.

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