CDU-Europaparteitag:Auf der Wohlfühlinsel der Wellness-Kanzlerin

CDU Holds Federal Party Congress

Die Konsens-Kanzlerin: Angela Merkel beim CDU-Parteitag in Berlin

(Foto: Getty Images)

Angela Merkel unterfordert jeden politisch denkenden Menschen. Auch auf dem Europaparteitag der CDU geht ihr Konsens über alles. Klare Haltungen vermeidet sie wo es geht. Das Dumme ist: Sie hat damit Erfolg.

Ein Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Es ist schon erstaunlich, mit wie wenig sich diese CDU zufrieden gibt. Zwei mittelmäßige Reden genügen und Peter Tauber wird mit über 97 Prozent zum Generalsekretär und David McAllister mit mehr als 98 Prozent in das CDU-Präsidium gewählt. Gut, das hier in Berlin ist ein Wahlparteitag. Da ist es auch in anderen Parteien nicht üblich, das Spitzenpersonal übermäßig zu beschädigen. Aber Geschlossenheit kann zuweilen wehtun. Und auf dem Europaparteitag der CDU in Berlin an diesem Samstag tat sie besonders weh.

Tauber und McAllister können kaum etwas dafür. Es ist Angela Merkel, die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende, die es seit Jahren genau so vormacht. Ihre Rede vor den Delegierten in der Messehalle 20 ist eine Blaupause dafür: Nahezu frei von Inhalten frühstückt Merkel Allgemeinplatz um Allgemeinplatz ab.

Sie sagt schon etwas. Wie wichtig das Friedensprojekt Europa sei oder dass der Euro stabil sein müsse oder dass die Deutschen stärker aus der Krise herauskommen müssten als sie hineingegangen sind. Und noch eine Geschichte, die sie in praktisch jeder Rede wiedergibt: Dass Europa heute gemessen am Anteil der Weltbevölkerung eher kleiner geworden ist. Und darum die Zusammenarbeit in Europa umso wichtiger sei. So weit, so wahr, so unbestreitbar.

Merkel positioniert sich nur da, wo sie sicher sein kann, dass es einen großen Konsens gibt. Das Recht des Stärkeren darf nicht über dem Recht stehen, sagt sie etwa. Merkel meint Putins Annektierung der Krim. Der Satz ist so wahr, dass er in Stein gemeißelt werden könnte.

Merkel hütet sich vor einer eigenen Haltung bei komplizierten Fragen

Aber wie weit würde sie gehen, um diesen Satz zu verteidigen? Was gedenkt sie konkret gegen Russland zu unternehmen? Oder hat sie die Annektierung nicht längst akzeptiert, hingenommen wie einen Platzregen mitten im Sommer?

Merkel hütet sich, eine eigene Haltung zu komplizierten Fragen einzunehmen. Dass sie Putin immerhin den Bruch des Völkerrechtes vorwirft, war eine der ganz wenigen Ausnahmen von dieser Regel.

Auch ihr Umgang mit Jean-Claude Juncker spricht Bände. Der ist Spitzenkandidat der konservativen Parteienfamilie in Europa, also auch der CDU. Juncker will Präsident der EU-Kommission werden. Er hat das auf dem Parteitag in einer eindrucksvollen Rede nochmal unterstrichen.

Von Merkel kommt kein Satz dazu. Warum? Eine Festlegung auf Juncker birgt die Gefahr, dass seine mögliche Niederlage am Ende ihr zugeschrieben wird.

Merkel, die Wellness-Königin

Sie hat Erfolg mit dieser Masche, das hat der Bundestagswahlkampf gezeigt. Inhaltsleer auf über 40 Prozent der Wählerstimmen, das muss ihr erst mal einer nachmachen. Die SPD müht sich redlich ab, Projekt um Projekt voranzutreiben, vom Mindestlohn bis zu Rente mit 63. Der Dank der Wähler bleibt noch aus.

Merkel tut nicht weh. Sie fordert nicht heraus. Sie eröffnet keine Perspektiven. Ihre einziges Versprechen: Alles wird gut - irgendwie, ich mach das schon. Der Parteitag wird zur Wohlfühlinsel und Merkel ist die Wellness-Königin.

Die CDU war einmal die große Europapartei. Wo andere gezweifelt haben, hat sie den Euro eingeführt und die politische Einigung vorangetrieben. Vorangetrieben wird in der CDU Merkels kaum noch etwas. Wo soll es denn hingehen mit der EU? Vereinigte Staaten von Europa? Mehr Demokratie? Entmachtung der Nationalstaaten? Was will sie denn nun eigentlich?

Fraktionschef Volker Kauder hat die eigene Anspruchslosigkeit in seinem Redebeitrag schön dargestellt. Die CDU solle bitte ständig damit werben, dass sie in der Koalition mit der SPD Steuererhöhungen verhindert habe. Verhindern als politisches Konzept. Na, danke auch.

Die Wähler wollen Ruhe - Merkel gibt sie ihnen

Doch der Partei reicht das. Am Ende gibt es großen Applaus für praktisch nichts. Hauptsache Merkel sitzt im Kanzleramt. Einen Aufstand gibt es nicht. Gerade mal ein Redner hat sich deutlich gegen die Rente mit 63 gestellt. Einer. Eine nennenswerte innerparteiliche Opposition gegen Merkel ist nicht existent.

Aber halt, da war noch was: Überraschend hat die Mehrheit auf dem Parteitag für die Abschaffung der Sommerzeit gestimmt! So sehen Revolutionen unter Christdemokraten heute aus.

Dabei wäre etwas mehr Gegengewicht zu Merkel wichtig. Politik braucht den politischen Streit, die Auseinandersetzung. Nur so kann sich ein Gestaltungsanspruch verwirklichen. Das mögen die Wähler nicht. Sie wollen ihre Ruhe und Merkel gibt sie ihnen. Aber Qualität lässt sich nicht organisieren allein mit Blick auf die Wellness-Wünsche der Mehrheitsgesellschaft.

Es wäre gut, wenn Merkel die Hängematte langsam verlässt. Der Demokratie täte es gut. Die Hoffnung ist gering. Der Wahlerfolg im Bund gibt ihr Recht. Bevor die Wähler nicht mehr wollen, wird Merkel es auch nicht wollen.

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