Das ZDF und Markus Lanz:Und immer das Gesicht wahren

Beim ZDF spart man sich die Selbstkritik und schiebt das Ende von "Wetten, dass..?" auf veränderte Sehgewohnheiten der Zuschauer. Markus Lanz braucht sich keine großen Sorgen um seine anderen Moderationsjobs im Sender zu machen.

Eine Analyse von Matthias Kohlmaier

So ist das also, wenn deutsche Fernsehgeschichte geschrieben wird. 33 Jahre lang hat "Wetten, dass..?" dem ZDF teils wunderbare, teils solide Quoten beschert, lange Zeit als Format gedient, über das sich der Sender mit Fug und Recht definiert hat. 215 Ausgaben werden produziert worden sein, wenn am 13. Dezember dieses Jahres in Nürnberg das letzte "Top, die Wette gilt!" verhallt ist. Dann war's das, wie Moderator Markus Lanz am Samstagabend am Ende der Show aus Offenburg angekündigt hat.

Aber warum jetzt? Und wer ist schuld am Niedergang von Deutschlands einstigem TV-Ereignis Nummer 1? Hat sich Frank Elstners Konzept mit den Jahren überlebt? Oder hat Lanz die Show zugrunde gerichtet? Und natürlich: Wie geht es jetzt weiter mit Markus Lanz und dem ZDF, das eine Menge Sendezeit mit seinen Talkshows füllt?

Ein Teil der Fragen lässt sich sehr kurz beantworten: Ja, das Konzept mit dem immer wiederkehrenden erwart- und kalkulierbaren Show-Ablauf aus Promis, Couchgesprächen, Musikdarbietungen und Wetten passt nicht mehr in eine Zeit, wo sich das Fernsehen gegen das hochpotente Unterhaltungsmedium Internet behaupten muss. Und ja, Markus Lanz war und ist kein talentierter Entertainer und trägt in jedem Fall eine Mitschuld am massiven Quoten- und Imageverfall der vergangenen anderthalb Jahre.

Diese Erkenntnis ist beim ZDF leider noch immer nicht angekommen - auch wenn die Entscheidung, "Wetten, dass..?" aus dem Programm zu nehmen, das vermuten ließe. "In den letzten Jahren hat sich im Showbereich sehr viel verändert", sagt ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler. "Der Rückgang der Zuschauerzahlen zeigt, dass sich die Sehgewohnheiten verändert haben und das Format an Anziehungskraft verloren hat." Es sei den Verantwortlichen dennoch nicht leicht gefallen, die Show vom Schirm zu nehmen.

Keine Spur von Selbstkritik

Das heißt im Klartext: "Wetten, dass..?" ist immer noch eine tolle Show, nur die Zuschauer sind zu dämlich, um das zu kapieren und in Scharen einzuschalten. Von Selbstkritik ist in der ZDF-Pressemitteilung von Samstagabend keine Spur. Lieber betont Himmler, welch großen Respekt er vor "der Leistung von Markus Lanz, der Redaktion und dem Produktionsteam" habe. Freilich hat Quote nicht zwingend etwas mit Qualität zu tun. Aber der Rückgang von mehr als 13 zu zuletzt weniger als sechs Millionen Zuschauern während der Ära Lanz ist wohl kaum ausschließlich mit veränderten Sehgewohnheiten zu erklären.

Aber erstens passt öffentliche Selbstkritik nicht zum Selbstverständnis des öffentlich-rechtlichen Fernsehens - nämlich Programm für die Masse zu machen, Bildungsauftrag inklusive. Und zweitens und viel wichtiger: Das ZDF und Markus Lanz bleiben verheiratet, auch wenn man sich in der Causa "Wetten, dass..?" ein kleines bisschen scheiden lässt. Deswegen muss nun die Linie beibehalten werden, die ZDF-Intendant Thomas Bellut Ende März mit seinen Aussagen im Handelsblatt vorgegeben hat. Der Tenor: Markus Lanz muss unbeschadet aus dieser Sache herauskommen!

Bellut sagte nämlich über "Wetten, dass..?": "Ein weiterer Quotenschwund würde die Show sehr schwächen. Dann müssten wir wirklich verhindern, dass auch noch Markus Lanz demontiert wird." Es ist davon auszugehen, dass Bellut zum Zeitpunkt solcher Worte längst vom Ende der Samstagabendshow gewusst hat. Und auch wenn man sich nun doch schon vor der Show aus Offenburg entschieden hat, selbige zeitnah zu Grabe zu tragen, ist klar: Im ZDF will und wollte man Markus Lanz schützen und keinesfalls hinauswerfen, wie an manchen Stelle spekuliert wurde.

Gesichtswahrend mit nettem Nebeneffekt

Wetten, dass..? Markus Lanz

Markus Lanz: Er wird dem ZDF trotz des Endes von Wetten, dass...?" treu bleiben.

(Foto: Getty Images)

Die Quintessenz: Lanz kann weiterhin ohne großen Gesichtsverlust dreimal wöchentlich seine Talkshow betreuen und gelegentlich irgendwelche Galas oder was im ZDF sonst wegmoderiert werden muss. Ob ein sofortiges Ende - ohne drei weitere Ausgaben Ende des Jahres - von "Wetten, dass..?" dabei nicht konsequenter gewesen wäre, ist gewiss diskutabel. Aber die Show hat unbestritten eine lange Tradition und ein besseres Ende verdient, als ihr mit der Ausgabe aus Offenburg zuteil geworden wäre. Durch die Ankündigung dürfte außerdem der Zuschauerzuspruch in den drei letzten Episoden nochmal deutlich zunehmen - ein netter Nebeneffekt.

Und der Sendeplatz? Das ZDF hat in der jüngeren Vergangenheit seine Krimischiene am Samstagabend zur Prime Time kontinuierlich gestärkt und ausgebaut. Man kommt aus Sicht der Quoten dort auch hervorragend ohne große Unterhaltungsshow zurecht. Zuletzt generierte der Auftakt der neuen Krimireihe "Helen Dorn" mit Anna Loos in der Hauptrolle mehr als acht Millionen Zuschauer. Ein Wert, den das mit bis zu 2,5 Millionen Euro pro Ausgabe im Vergleich mit einem Krimi deutlich kostenintensivere "Wetten, dass..?" längst aus den Augen verloren hat.

Programmdirektor Himmler lässt sich dennoch folgendermaßen zitieren: "Die Hauptredaktion Show arbeitet jetzt an neuen Ideen für den Samstagabend." Träumen wird man ja noch dürfen.

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